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Streit um BrexitEnde schlecht, alles gut

Auch Theresa Mays neueste Brexit-Einigung scheitert. Aber die Premierministerin weicht von ihrem harten Kurs nicht ab.

Kühl und bestimmt: Theresa May bleibt hart Foto: reuters

War’s das? Zum zweiten Mal hat sich Theresa May für ihre Brexit-Pläne eine Ohrfeige geholt. Die neuerliche Ablehnung ihres Brexit-Deals im britischen Unterhaus mit 391 zu 242 Stimmen am Dienstagabend war zwar etwas knapper als die erste, die im Januar mit 432 zu 202 einen historischen Rekord bedeutet hatte. Aber nach wochenlangem Hin und Her so wenig bewegt zu haben, so kurz vor dem Brexit-Termin des 29. März, wäre für die meisten anderen Politiker das politische Todesurteil.

Aber ihr Scheitern einzugestehen gehört nicht zum Werkzeugkasten dieser Politikerin. Theresa May wäre nicht Theresa May, wenn sie nicht auch jetzt versuchen würde, aus einer schlechten Ausgangslage das Beste zu machen. Sie weicht nie zurück, wenn alles gegen sie spricht, sondern sie bleibt erst recht beharrlich.

Selten hat man Theresa May so klar erlebt wie bei ihrer wöchentlichen Fragestunde am Mittwoch, einen Tag nachdem ihr Brexit-Deal gestorben war. Wegen Heiserkeit konnte sie kaum sprechen, sie fasste sich bewusst kurz, aber genau damit drückte sie die brüllend vorgetragenen länglichen Ausführungen ihres Gegenübers Jeremy Corbyn an die Wand. „Ich habe vielleicht keine Stimme, aber ich verstehe die Stimme des Landes“, krächzte sie: Die Briten wollten die EU verlassen, und dafür stehe sie. Es fehlte nur der Thatcher-Satz „Es gibt keine Alternative.“

Also: Jetzt erst recht? Nicht ganz. Ihr Deal ist durchgefallen. Neue Gespräche mit der EU gibt es nicht. In gut zwei Wochen endet die britische EU-Mitgliedschaft, ob mit oder ohne Deal. Am Mittwochabend sollte das Unterhaus darüber abstimmen, ob es einen „No-Deal“-Brexit ablehnt. Sollten die Parlamentarier sich für die Ablehnung aussprechen – und niemand erwartete am Mittwoch etwas anderes –, stimmen sie am Donnerstag darüber ab, ob Großbritannien eine Verschiebung des Brexits bei der EU beantragen soll.

Kein Entrinnen aus der Brexit-Endlosschleife

Doch schon bei der No-Deal-Abstimmung hat die Premierministerin einen Trick eingebaut. Der Regierungsantrag, dass sich das Parlament gegen No Deal aussprechen möge, enthält zugleich die Zurkenntnisnahme, dass das Fehlen eines Deals trotzdem zum No-Deal-Brexit führt. Heißt: Wer für diesen Antrag stimmt, stimmt sowohl gegen als auch für No Deal.

Das ist Mays Art, die Abgeordneten daran zu erinnern, dass es ohne eine Zustimmung zu ihrem Vertragswerk kein Entrinnen aus der Brexit-Endlosschleife gibt. May lässt jetzt bewusst die Zügel schleifen, um die Abgeordneten mit ihren eigenen Widersprüchen zu konfrontieren. Für die No-Deal-Abstimmung, die erst Nein und dann Ja sagt, wurde der Fraktionszwang aufgehoben. Für einen Zusatzantrag, der das Ja streicht, galt er weiter.

Es zeugt von der Unübersichtlichkeit, dass May in ihrer Antwort auf eine Frage Corbyns bestätigen musste, dass sie für ihren eigenen Antrag zu stimmen gedenke. Man weiß ja nie. Der Labour-Chef vergaß die logische Zusatzfrage, was sie ihrer Fraktion empfehle. Er ging auch mit keinem Wort auf die No-Deal-Konzeptpapiere zu den Kernbereichen Handelszölle und Nordirland ein, die die Regierung am Mittwochmorgen veröffentlicht hatte.

Dabei enthalten diese durchaus Sprengstoff: Im Falle eines Brexits ohne Abkommen wird Großbritannien die Zollfreiheit für EU-Importe nicht nur beibehalten, sondern auch auf die meisten Nicht-EU-Importe ausdehnen – damit dürften europäische Exporteure Marktanteile in Großbritannien an Asien verlieren. Irische Exporte nach Nordirland bleiben zollfrei. Kontrollen an der irischen Grenze werden nicht eingeführt.

Keine zuverlässigen Optionen

Ob die Regierung damit für oder gegen einen No Deal werben will, war auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Aber auch diese Bewertung gehört nicht zu Mays Aufgaben. Sie ist die oberste ­Sachbearbeiterin des Landes. Bewertungen überlässt sie den Parlamentariern.

Die, das sagte May am Mittwoch deutlich, müssen jetzt Entscheidungen treffen. Aber am Donnerstagabend, wenn alle Abstimmungen vorbei sind und die Abgeordneten in ihre Wahlkreise reisen, wird wohl nichts klar sein, selbst wenn es eine Mehrheit für eine Brexit-Verschiebung geben sollte. Denn ein Parlament, das kein Brexit-Abkommen beschließen kann, wird sich ebenso wenig auf das Ziel einer Brexit-Verschiebung verständigen: Neue Verhandlungen mit der EU? Einen No Deal vorbereiten? Ein neues Referendum abhalten? Neuwahlen? Wenn es für eine dieser Optionen eine Mehrheit gäbe, wäre sie längst beschlossen.

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6 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Mir reichts es mit den Briten. Wirklich!



    Ganz am Anfang wollten die nicht in die EWG - dann doch, mit Geld und guten Worten. Dann kam die EU - und die Briten eine finanzielle Extrawurst.



    Dann haben sie über Jahre politisches Rosinenpicken in der EU betrieben, und mit ihrem krankem Rinderfleisch fast vergiftet - nun wollen sie austreten, wissen aber scheinbar nicht, wie sie es gern (bequem) hätten. Jetzt drücken die den anderen EU-Ländern seit zwei Jahren eine Austrittsdiskussion auf, obwohl es viele und wichtigere andere Diskussionen zu führen gibt. Die nerven mich kolossal, die Briten und sollen mit ihrer Insel, den Grenz- und Passkotrollen (ja ja: auch in Belfast, Derry und sonstwo auf der irischen Insel), Zöllen und dem größten noch zu errichtenden Schwarzgeldverschiebebahnhof (noch zu errichten) in der Londoner City really happy werden. Echt jetzt!

  • Die britischen Abgeordneten verlangen nichts anderes, als die Quadratur des Kreises. Also einen irrealen Trau. In so einer Situation gibt es kein Scheitern. Da gibts nur, die beiden Wahrheiten zur Wahl zu stellen - also das eine, in 2 Jahren mit großem personellem und finanziellem Aufwand erreichte Ergebnis, oder eben kein Abkommen. Insofern ist eine Abstimmungsniederlage kein Scheitern, sondern gelebte Demokratie.

  • Das GB Parlament sollte die großen 3Varianten in einer Mehrheitswahl abstimmen, mit Stichwahl und einfacher Mehrheit. Das Ergebnis ist es dann und GB muss die Konsequenz daraus tragen.



    Auch ein NoDeal ist für uns in der EU erträglich.

    • @Peter Amper:

      Peter, das britische Volk will kein weiteres Referendum. Sie wollen, dass die Regierung dieses Chaos korrigiert. Ein Referendum mit drei Antworten ist undemokratisch. 40% / 30% / 30% würden den Gewinn der Minderheit bedeuten.

      No-Deal in der EU erträglich? Ja, aber 75% der EU-Exporte nach Großbritannien stammen von nur sieben Mitgliedern, darunter Deutschland und Irland. No-Deal würde für sie schwere Arbeitsplatzverluste bedeuten. Ein Deal ist besser.

  • Da der Führer der Arbeiterpartei nur an dem Versuch interessiert ist, Parlamentswahlen in der Hoffnung auf Machtübernahme zu provozieren, ist es unwahrscheinlich, dass eine Resolution erreicht wird, wenn nicht die Rebellen in der May-Partei und die nordirische DUP-Partei ihre Meinung ändern.

    Ich bin verblüfft, warum der irische Taoiseach gegen eine Zeitlimit über 'backstop' kämpft, denn 23,5% des irischen BIP sind vom Handel mit dem UK abhängig. Wenn die EU eine harte Grenze erzwingt, wird der Schaden für die Republik Irland katastrophal sein.

  • Hier ist nicht May gescheitert. Das ist eine Nummer größer - sonst würde es einfach ein anderer machen. Im Moment ist die Gesellschaft in dem Sinne gescheitert, dass es keine Mehrheit für irgendetwas gibt. Notgedrungen gibt es 2 Lager: pro und contra Brexit. Aber die Lager sind in sich auch so bunt und unterschiedlich in ihren Gründen und Zielen für oder gegen den Brexit, dass man in der konkreten Ausgestaltung keine Einigung finden wird. Weder May noch jemand anders.