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Sexarbeiterin über Prostitutionsgesetz„Wir arbeiten lieber unabhängig“

Das Prostitutionsgesetz wirkt nicht, sagt die Bundesregierung. Wirkt doch, entgegnet Johanna Weber vom Bundesverband für sexuelle Dienstleistungen.

Wo ein Herz rot leuchtet und flackert, ist ganz bestimmt das Rotlichtmilieu am Start Foto: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau Weber, eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag hat ergeben, dass das Prostitutionsgesetz von 2002 nicht den vom Gesetzgeber erwünschten Erfolg erzielt. Danach sollten sich Sexarbeiter*innen flächendeckend in der Kranken- und Sozialversicherung anmelden.

Johanna Weber: Wir haben damals immer wieder darauf hingewiesen, dass das nicht passieren wird. Sexarbeitende arbeiten lieber unabhängig als angestellt. Das passt besser zur Branche, wir sind mobil und wechseln immer mal in andere Städte. Aber das Gesetz hat die grundsätzliche Möglichkeit zu Angestelltenverhältnissen geschaffen, das ist wichtig. Damit wurde unsere Tätigkeit als legale Beschäftigung anerkannt.

Die Zahlen sind eindeutig: Von den geschätzten 400.000 bis eine Million Prostituierten sind der Bundesregierung zufolge nur 76 bei der Sozialversicherung gemeldet.

Krankenversicherungen müssen Prostituierte jetzt versichern, und sie tun das auch. Trotzdem melden sich die meisten Prostituierten nach wie vor nicht als Prostituierte bei der Sozialversicherung an, sondern immer noch beispielsweise als Coach, Putzfrau oder Pflegerin.

Warum? Prostitution ist doch jetzt legal.

Das Gesetz hat aber nicht die Stigmatisierung abgeschafft. Solange Sexarbeit kein Job wie jeder andere ist, wird das auch so bleiben. Einen Berufsstand, der über Jahrhunderte verunglimpft wurde, kann man nicht innerhalb eines Jahrzehnts entstigmatisieren.

Haben Sie eine Krankenversicherung als Prostituierte?

Ich schon, ich habe aber auch kein Problem zu sagen, dass ich im Sexgewerbe arbeite – im Gegensatz zu vielen anderen. Vor allem Mütter wollen nicht, dass ihre Kinder als „Hurensöhne“ gehänselt werden, wenn herauskommt, dass ihre Mutter als Prostituierte arbeitet.

Wolfgang Borrs
Im Interview: Johanna Weber

50, ist Gründerin und Vorstandschefin des Bundesverbandes für sexuelle Dienstleistungen, eine Lobbyorganisation für Prostitution und Prostituierte.

Hat die Bundesregierung also doch recht, wenn sie sagt, das Prostitutionsgesetz erfüllt nicht seinen Zweck?

Nein, auf keinen Fall, das Gesetz ist ein großer Fortschritt. 2002 war Prostitution illegal und halbkriminell, Sexarbeiter*innen mussten vierlerorts lügen, aber trotzdem Steuern zahlen. Erst durch die Legalisierung von Sexarbeit konnten wirklich schöne Bordelle entstehen. Das war auch der Türöffner für viele Frauen, etwas Eigenes zu eröffnen.

Das Geschäft brummte auch vor 2002.

Fragen Sie aber nicht wie! Damals waren Bordellbetreiber meist halbseidene, schmierige Typen, die kein Geld in ihre Häuser stecken wollten. Wer investiert schon, wenn er ständig damit rechnen muss, dass die Polizei den Laden hochnimmt? Ich habe mal in einer Bude gearbeitet, die war so runtergekommen, dass ich im nächsten Baumarkt Farbe gekauft und das Zimmer gestrichen habe. Kunden wollen schließlich auch nicht in einem Kellerloch empfangen werden.

Seit Sommer 2017 gilt zusätzlich das Prostituiertenschutzgesetz. Wie geschützt fühlen Sie sich?

Dieses Gesetz ist ein großer Rückschritt, es verhilft Sexarbeiter*innen nicht aus der Illegalität heraus, wie die Bundesregierung gern behauptet, sondern treibt sie tiefer hinein.

Wie das?

Prostituierte müssen sich jetzt anmelden, dann bekommen sie den sogenannten Hurenpass, Prostitutionsstättenbetreiber sind verpflichtet, diese Anmeldung zu kontrollieren.

Was ist falsch daran?

Es gibt Frauen, die können sich nicht anmelden, weil sie dadurch erpressbar wären. Für viele Osteuropäerinnen ist es äußerst riskant, als Prostituierte zu arbeiten, in ihren Ländern ist Sexarbeit verboten. Ein Bordellbetreiber könnte sagen: Ich verpfeife dich zu Hause bei deiner Familie oder bei der Polizei, wenn du nicht machst, was ich dir sage.

Es kursieren unterschiedliche Angaben, wie viele Prostituierte es in Deutschland gibt. Das Statistische Bundesamt spricht von knapp 7.000 gemeldeten Sexarbeiter*innen, Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer von einer Million.

Gegenfrage: Wie viele Journalist*innen gibt es? Sind diejenigen Journalist*innen, die hin und wieder Artikel schreiben, oder nur festangestellte Redakteurinnen? Es gibt Sexarbeiter*innen, die fest in einem Haus arbeiten, andere machen das nebenbei und melden sich nicht an. Wiederum andere arbeiten nur zwei Wochen im Monat und nehmen sich dann frei. Wie wollen Sie das zählen?

Ebenso heißt es, eine Million Männer gehen täglich zu Prostituierten.

Wenn das so wäre, wären wir reich. Es sind viel weniger. Die Zahl ist von einer Kollegin vor Jahren in einer Bierlaune genannt worden und wird seitdem kolportiert.

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1 Kommentar

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  • Leider versickern solche Erkenntnisse, wie sie nicht nur Frau Weber hat, in linken Blättchen am Rande der Nachrichtenlage. Das Gesetz von 2002 war revolutionär, aber die Gesellschaft war es leider nicht: Man hat dieses Gesetz von Anfang an ausgebremst und blockiert. So verhinderten viele Bundesländer die üblichen Verordnungen und Erlasse z.B. für die richtige Anmeldung von Bordellen.



    Wenn das Stigma nicht von der Prostitution genommen wird, werden sich auch nicht mehr Prostituierte unter der richtigen Berufsbezeichnung in der Kranken- und Sozialversicherung anmelden.



    Wer aber sorgt dafür das dieses Stigma bestehen bleibt? Natürlich die radikalen Prostitutionsgegner: eine üble, teils faschistoide Mischung aus radikalen Feministinnen, Erzkonservativen und religiösen Fundamentalisten. Wahre Frauenfreunde und ein Hort der Vernunft!!!!



    Der FDP ging es mit ihrer Anfrage ohnehin nur darum gegen Rot-Grün zu stänkern.