Die Woche: Partyplanung beim Sensenmann
Labour und Tories sind in sich zerrissen. Die Linke erkennt das Existenzrecht Europas an. Die katholische Kirche stellt ihre Autorität nicht infrage.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Karl Lagerfeld, Peter Rüchel, Gus Backus – der Sensenmann bereitet offenbar eine Party vor da oben.
Und was wird besser in dieser?
Transferfenster schließt.
Sieben Parteiaustritte bei Labour, drei bei den Tories – formiert sich das Parteiensystem in Großbritannien gerade neu?
Respekt! Beim zementierten Mehrheitswahlrecht Großbritanniens ist so ein Austritt ein Köpper ins leere Becken. Labour und Tories sind jeweils in sich zerrissen – Brexiteers, Pro-Europäer, Softbrexiteers. Quer zu den alten Parteilinien ergäbe sich womöglich eine tragfähige Fraktion aus „Jedenfalls-nicht-harten-Brexiteers“. Derzeit zählt sie 10 von 650 Mitgliedern.
Der Bundesgerichtshof hat die Position der VW-Kunden bei Klagen im Dieselskandal gestärkt. Sind die betrogenen Autokäufer jetzt stark genug?
Bisher hat VW einzelnen Klägern den Kofferraum mit Geld geflutet – „außergerichtliche Vergleiche“ vereitelten jedes Urteil. Auch diesmal sagte der Bundesgerichtshof einen Prozesstermin ab, weil der Kläger überraschend VW wieder dufte findet. Offenbar nervte die Richter das, und so legten sie eine vorsichtige Warnung bei: „Nach vorläufiger Rechtsauffassung dürfe von einem Sachmangel auszugehen sein“ – knietief im Konjunktiv. Das mag zunächst VW ertüchtigen, noch mehr betrogenen Kunden noch mehr Kohle zu bieten.
Das fünfte Jahr in Folge hat der deutsche Staat mehr Geld eingenommen als ausgegeben. Wenn Sie das mit den Stichworten Deutsche Bahn, Schultoiletten, Pflege und Netzausbau zusammendenken – was löst das bei Ihnen aus?
Pessimismus. Trotz aller schönen Investitionsvorschläge ist die Kernzahl der Schuldenabbau. Wäre doch schön, in der nächsten Krise wäre an Platz eins der Mensch systemrelevant.
Die Partei Die Linke hat ihren Europa-Parteitag abgehalten. Ist die Linke nun für oder gegen Europa?
Nun, höflich formuliert, und darin ist die Linke ja geübt, anerkennt sie das Existenzrecht Europas. Der krasse Anti-EU-Flügel und die Fraktion „Mehr besseres Europa“ einigten sich auf eine Nullsumme, die man dem Titel nach – „Die EU braucht einen Neustart“ – dann auch null mehr von der Position der AfD unterscheiden kann.
Der Bundestag hat dem Koalitionskompromiss zum Werbeverbot für Abtreibungen zugestimmt. Hat die Groko damit ein Problem aus der Welt geschafft?
ist Journalist, Autor und Fernsehproduzent. In der taz veröffentlicht er jede Woche die Interviewkolumne „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?“. Bekannt wurde er vor allem durch die Moderation der TV-Serie „ZAK“ (WDR-Politiksendung), für die er 1991 den Adolf-Grimme-Preis erhielt.
Der Paragraf 219a war schlicht Rache für die Modernisierung von Paragraf 218. Wenn schon Abbruch in Grenzen legal wurde, so wollten viele ein hohes Maß an Bevormundung Betroffener sicherstellen. Inzwischen kommt die Gesellschaft mit dem bestehenden Recht einigermaßen zurecht; man hätte die Rückzugsgefechte beenden können.
Papst Franziskus hatte der Antimissbrauchskonferenz im Vatikan einen 21-Punkte-Plan vorgelegt. Fehlt Ihnen da irgendein Punkt?
Die katholische Kirche hat ihre eigene Autorität nicht infrage gestellt; 120 Jungs grübeln eine Runde darüber, wie man das mit den Frauen und Kindern besser hinbekommen kann. Als „Signal der Entschlossenheit“ wurde zum Auftakt US-Kardinal McKarrick, vielfacher Sexualverbrechen überführt, „in den einfachen Laienstand versetzt“. Da staunen die einfachen Laien – ein Verbrecher, der mit mindesten christlichen Werten nichts am Kardinalshut hat, ist der Obrigkeit so gut wie alle anderen. Punkt 22: An jede katholische Tür das Schild „Sie verlassen jetzt den demokratischen Sektor“.
In seinem Buch „Sodoma“ spricht der französische Soziologe Frédéric Martel vom Vatikan als einer der weltweit größten Schwulengemeinschaften. Wenn das so wäre: Wäre das ein Problem? Und für wen eigentlich?
Schutzvorschriften für Kinder und Frauen sind so alt wie die organisierte Kirche selbst. Der Griff in die Unterwäsche des Mitmenschen ist damit Gründungsfluch, Fakultäten übergreifend – man tut den Schwulen Unrecht, ihnen die Katholiken als Homo Ultras anzulasten. Umgekehrt: Wagt man eine Sekunde gottesfürchtigen Zweifels an der Stellvertreterschaft des Papstes, am Vatikan als des Herrn alleinigem factory outlet – kann jeder seine Sekte gründen, sich katholisch nennen und munter vor sich hin glauben. Das Wunder kann nur noch von unten kommen. Gründet demokratische Kirchen. Dann auch gern in der Abfolge „erst Coming-out und dann gucken, wer mitmachen will“.
Und was machen die Borussen?
Spielen am Sonntagabend gegen Leverkusen. Diese Kolumne ergeht von der Tabellenspitze, so viel ist sicher.
Fragen: Waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!