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Berlinale „Mr. Jones“Es gibt nur eine Wahrheit

Agnieszka Hollands „Mr. Jones“ thematisiert den Großen Hunger in der Sowjetukraine 1932/33 und wirft ein Licht auf die Machtbesessenen im Hintergrund.

Stößt auf ein großes Politverbrechen: „Mr. Jones“ von Agnieszka Holland Foto: Robert Palka/Film Produkcja/Berlinale 2019

Schweine stecken ihre Rüssel in den Sumpf. Ein junger Mann klopft „Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht“ in die Schreibmaschine: George Orwell, in dessen „Farm der Tiere“ das Blöken der Schafe bekanntlich jede Kritik überschallte. Die Politparabel des 20. Jahrhunderts war – das gilt als relativ gesichert – inspiriert vom investigativen Journalismus des Gareth Jones (1905–1935), der in Agniesz­ka Hollands Geschichtsdrama „Mr. Jones“ die erste Geige spielt und als Figur den gesamten Film trägt.

In den frühen 1930er Jahren machte sich dieser noch junge Jones, wie der einstige Premierminister David Lloyd George Waliser (und deshalb auch sein Protegé), einen Namen: Er führt mit Hitler ein Interview und weiß, dass mit den Nazis nicht zu spaßen ist. Großbritannien müsse sich, so führt er vehement vor Lloyd Georges Liberalen aus, einen Alliierten suchen – Stalin. Der Ältestenrat erklärt ihn für kommunistisch-verrückt und setzt seine Appeasement-Politik fort. Blök, blök.

Jones reist auf Eigeninitiative in die UdSSR, wo er Stalin interviewen will. Gelingt ihm zwar nicht, aber er lässt – trotz aller Gefahr, die ihm in der vororchestrierten Sowjet-Wirklichkeit zwischen Abhöraktionen und Medienkontrolle droht – von seinen Recherchen nicht ab und stößt in der Ukraine auf eines der größten Politverbrechen der sowjetischen Geschichte: das bewusste Aushungern der Millionenbevölkerung in den Jahren 1932–33. Als er berichten will, stellt sich ihm die Front eines amerikanisch-russischen Medien-Politik-Konglomerats entgegen, angeführt vom Holodomor-Leugner Nr. 1, Walter Duranty. Wer sich hier nicht an Trump, Putin & Co erinnert fühlt, hat den Punkt des Films verpasst.

Hosenscheißerei der großen Politik

Für wie unmoralisch Polens vorderste Regisseurin Holland die Hosenscheißerei der großen Politik angesichts der Totalitarismen – hüben wie drüben – hält, macht sie an kleinen Details deutlich. Sie weiß zwar sicher um Lloyd Georges legendär-empörendes späteres Berchtesgaden-Treffen mit Hitler Bescheid – denn ihre Geschichtsrecherche liegt auf einem ähnlich hohen Level wie jene Éric Vuillards, des aktuell interessantesten Politautors. Aber ihre Erzählung braucht das alles nicht. Kein Hitler, später auch kein Stalin und kein Roosevelt (dessen Anerkennung der UdSSR im Hungerjahr 1933 mit dem weltweit organisierten „famine denial“ verbunden ist).

Denn es geht hier, wie bei Vuillard, um die Sichtbarmachung der aus Machtbesessenheit ängstlich agierenden Spieler im Hintergrund. Holland mag selbst zum europäischen Intellektuellen-Ältestenrat gehören, aber ihr Herz schlägt (wie schon in ihrem Film „Pokot“) für diejenigen, die das Establishment-Männer-Kartell dieser Welt zerschlagen wollen. Dafür stehen Jones und Orwell. Wegschauen selbst ist ein Verbrechen.

Agnieszka Holland erfindet das Kino nicht neu. Und auch der Holodomor ist kein neues Thema – besonders im ukrainischen Nationbuilding-Kino. Dennoch ist dieser Film wichtig und in seiner formalen wie politischen Schnörkellosigkeit ein solider Beitrag zu einem Wettbewerb, der ja das Politische im Privaten thematisieren will, dabei aber bisher nur dänische Weichspülliebe, mongolische Eier-Ödnis und mazedonischen Satire-Irrsinn gezeigt hat.

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3 Kommentare

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  • Danke für die Info

  • Danke. Da jommer henn.

    • @Lowandorder:

      vllt - weil nicht genannt - noch dess

      “Entkulakisierung



      Unterdrückungskampagne in der Sowjetunion zur Zeit Josef Stalins“



      de.wikipedia.org/wiki/Entkulakisierung



      “Die Entkulakisierung (russisch раскулачивание raskulatschiwanije), gelegentlich auch Dekulakisierung, war eine politische Repressionskampagne in der Sowjetunion, die sich während der Diktatur Josef Stalins von 1929 bis 1933 gegen sogenannte Kulaken richtete. Verhaftungen, Enteignungen, Exekutionen und Massendeportationen kennzeichneten diese Politik.

      Insbesondere als wohlhabend geltende bäuerliche Familien, aber auch so genannte Mittelbauern samt ihren Angehörigen sowie jene Landbewohner, welche die Politik der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) tatsächlich oder vermeintlich ablehnten, waren Ziel der gewaltsamen Unterdrückung. Rund 30.000 Personen wurden erschossen. Etwa 2,1 Millionen Menschen wurden in entfernte, unwirtliche Regionen deportiert – 1,8 Millionen davon von 1930 bis 1931.[1] Weitere 2 bis 2,5 Millionen Personen wurden in ihrer Heimatregion auf schlechtere Böden zwangsumgesiedelt.[2] Experten schätzen, dass die Entkulakisierung durch Hunger, Krankheiten und Exekutionen 530.000 bis 600.000 Menschenleben kostete.[3] Die Bauern reagierten insbesondere 1930 mit erheblichem Widerstand gegen die Gewaltkampagne des Staates. Zeitweise fürchteten Partei- und Staatsfunktionäre, der bäuerliche Widerstand könne sich zu einem landesweiten Aufstand ausweiten.



      Die Entkulakisierung bedrohte die Bauernschaft durch physische Vernichtung, Deportation und Enteignung. Auf diese Weise sollte sie der Zwangskollektivierung zum Durchbruch verhelfen. Im Ergebnis unterwarfen Entkulakisierung und Kollektivierung die gesamte Bauernschaft der staatlichen Kontrolle und trugen wesentlich dazu bei, die tradierte ländliche Sozialverfassung radikal zu verändern. Zugleich legte die Entkulakisierung den Grundstein für die Ausweitung des Gulag-Systems.…“