piwik no script img

Nach antisemitischer ÄußerungUS-Abgeordnete Omar in der Kritik

Per Twitter äußerte die muslimische Abgeordnete im US-Kongress Ilhan Omar antisemitische Stereotype. Jetzt muss sie sich entschuldigen.

Neue Abgeordnete im US-Kongress: Ilhan Omar sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt Foto: dpa

Einen Monat nachdem sie als eine der beiden ersten muslimischen Frauen in den US-Kongress eingezogen ist, musste Ilhan Omar sich wegen Antisemitismus entschuldigen. Der Grund: Äußerungen auf Twitter. In dem ersten von zwei Tweets legte sie nahe, dass Israels Verbündete in den USA von Geld motiviert seien. „It’s all about the Benjamins baby“, schrieb sie.

Es war ein Verweis auf die 100-Dollar-Note, die das Konterfei von „Gründervater“ Benjamin Franklin trägt – aber es ist zugleich ein antisemitisches Stereotyp. In ihrem nächsten Tweet beantwortete Omar die Frage, wer dieses Geld zahle, mit einem Wort: „AIPAC“. Das „American Israel Public Affairs Committee“ ist die größte proisraelische Lobby in den USA.

Unmittelbar danach begannen Stürme der Entrüstung, die quer durch beide Parteien gingen. Die moderateren unter den KritikerInnen, darunter Parlamentschefin Nancy Pelosi mit fünf anderen SpitzenpolitikerInnen der Demokratischen Partei, erklärten, „legitime Kritik an der israelischen Politik“ sei durch die US-Verfassung geschützt. Andere, darunter Republikaner Kevin McCarthy, machten Omar für die Ausbreitung von Antisemitismus an Universitäten verantwortlich.

„Ich möchte keinen meiner Wähler und keinen jüdischen Amerikaner verletzen“, schrieb die Abgeordnete aus Minnesota. „Wir müssen immer bereit sein, Kritik ernst zu nehmen. Genau wie ich von anderen erwarte, mich anzuhören, wenn ich wegen meiner Identität attackiert werde.“ Zuvor hatte die Spitze der demokratischen Partei eine öffentliche Entschuldigung von ihr verlangt. Mehrere republikanische Abgeordnete – darunter solche mit offenkundigen Kontakten zu Rechtsextremen – wollen weiter gehen. Sie verlangen, dass Omar aus dem außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses ausgeschlossen wird.

Jung, schwarz, links, muslimisch

Die 38-jährige Omar sprengt die Traditionen des US-Repräsentantenhauses. Sie kam als achtjähriges Kind einer somalischen Flüchtlingsfamilie nach langem Aufenthalt in einem Flüchtlingslager in Kenia in die USA. Sie ist jung, schwarz, eine Linke und sie trägt einen Hidschab. Aus ihrer Kritik an der israelischen Besatzungspolitik macht sie keinen Hehl. Omar unterstützt die Boykottbewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS), die dafür eintritt, Druck auszuüben, damit Israel seine „internationalen Verpflichtungen erfüllt“, sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht und die arabisch-palästinensischen BürgerInnen als gleichberechtigt behandelt.

Außer Omar vertritt nur eine weitere Kongressabgeordnete eine solche Position: die palästinensische US-Amerikanerin Rashida Tlaib, die ebenfalls erst im Januar in das Repräsentantenhaus kam.Nur vereinzelte AktivistInnen wagten es, Omar zu verteidigen. Zu ihnen gehören die Frauen von „Code Pink“, einer Antikriegsgruppe. Sie stellten die Kritik an Omar in eine Reihe mit Kampagnen gegen andere BDS-BefürworterInnen, die ebenfalls nach israelkritischen Kommentaren ins Abseits gerieten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Man hätte es wissen sollen ...

    Erst vor einigen Wochen, im Ergebnis der US-Midterms wurden sie auch hier gehypet, die jungen, bildungsnahen Frauen mit Migrationshintergrund;

    wie eben Ilhan Omar oder Rashida Tlaib.

    Man hätte es wissen können, weil doch jede Kritik an Israel "eigentlich" antisemitisch ist, zumindest antisemitische Stereotype bedient; jede ...! Oder?

    Es nützt da einfach nicht, Frau zu sein, gleichgeschlechtlich unterwegs zu sein, und/oder gar einen Migrationshintergrund zu haben; selbst alles zusammen dürfte weniger schweir wiegen, als eine Kritik an Israel.

    Habe das mit den Geschlechterrollen mal anderweitig etwas vetrieft:

    termiten.net/node/1017

  • Ich verstehe nicht: Was ist falsch an dem Satz: „It’s all about the Benjamins baby“?

    Geht es denn nicht immer und überall (auch) um größere Mengen Geld, wo Macht Konflikte verursacht? Was soll antisemitisch sein an dieser Behauptung? Wie muss man als Amerikaner gehäkelt sein, um diesen Satz ausschließlich auf „Israels Verbündete in den USA“ zu beziehen? Und welches Gen sollte (im Umkehrschluss) ausgerechnet solche Verbündete Israels in den USA immun machen gegen die Verlockungen des großen Geldes, die Juden sind?

    Die „größte proisraelische Lobby in den USA“ hat bei 100.000 (konservativen) Mitgliedern vermutlich entsprechend viel Geld. Was also liegt näher als der Gedanke, der AIPAC könnte dieses Geld in Ziele investieren, die selbst Jitzchak Rabin seinerzeit als zu LIKUD-lastig eingestuft hat?

    Der Likud ist nicht Israel. Er wäre es nur gern. Und es ist Aufgabe von Lobbys, solche Wünsche zu befördern, oder etwa nicht? Und noch eine Frage drängt sich mir auf: Wer könnte profitieren davon, wenn sich eine von nur zwei muslimischen Frauen im US-Kongress öffentlich entschuldigen MUSS? Wohl gemerkt: Nicht WILL.

    Ich denke, hier geht es um eine Machtdemonstration. Eine, die Ilhan Omar zwar ermöglicht, die sie aber unmöglich gewollt hat. Diese Frau ist einfach nicht stark genug für bewusste Provokationen. Sie ist nur zu unerfahren – und zu involviert. Wäre sie „cooler“ gewesen, hätte sie sich besser vorgesehen und ihre „Kritik“ wenigstens mit Zahlen untersetzt. (Außerdem hätte sie Boykotte längst kritisch hinterfragt, aber das nur nebenbei.)

    Die „Stürme der Entrüstung“, jedenfalls, die „quer durch beide Parteien“ gegangen sind, finde ich ekelhaft. Einem Mann mit dem Namen McCarthy stehen sie deutlich besser als einer Frau namens Pelosi, finde ich. Immerhin: Letztere erinnert sich (wenn vielleicht auch nur dunkel), dass es noch immer so etwas wie eine Meinungsfreiheit gibt in Gottes eigenem Land. Auch für Musliminnen. Wozu nur hat sie diese Entschuldigung gebraucht…?

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    Warum in die Ferne schweifen?

    www.kontextwochenz...bringen-5709.html#

    • 7G
      7341 (Profil gelöscht)
      @96177 (Profil gelöscht):

      Danke für den Hinweis. Der Artikel war interessant zu lesen und hat wieder einmal verdeutlicht, wie nötig es ist zu nuancieren und sich nicht unhinterfragt von Vorurteilen leiten zu lassen.

  • Warum ist es antisemitisch, wenn jemand die tatsächliche israelische Lobbyarbeit in den USA kritisiert? Die rechte Politik der Regierung Netanyahus muss kritisiert werden können...dies als Antisemitismus zu bezeichnen, ist unredlich und völlig fehl am Platz.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...naiv?



    Ilhan Omar beackert ein anderes Feld, als z.B. Alexandria Ocasio-Cortez.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."antisemitische Äußerung"?



    Klar, wer suchet, der findet. Oder, alles lässt sich irgendwie zurechtbiegen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Hier ein ausführliches Porträt der neuen linken Demokratinnen:

      www.mena-watch.com...nks-antisemitisch/

      Im Übrigen, gibt es seit 1945 gar keinen Antisemitismus mehr. Wenn der Vorwurf doch erhoben wird, dann hat das immer andere Gründe.

      In der Regel wahlweise rechte, zionistische, rechtszionistische oder neoliberale. Oder eine Mischung aus alledem.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Der Anteil von Arabern an der Bevölkerung beträgt etwa 20 %

        * 53 % der von Armut betroffenen Familien in Israel arabisch sind.



        * 36 der 40 israelischen Städte mit der höchsten Arbeitslosigkeit sind arabische Städte.



        * nur 5 % der Angestellten im öffentlichen Dienst Araber

        Omar bezeichnete die Zustände in Israel als Apartheid.



        Mit welchem Attribut würden Sie solche und andere Zustände treffen bezeichnen?

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Ich würde sie als Apartheid bezeichnen, wenn arabische Israelis nicht in der Knesset vertreten wären, keine Generäle und keine Minister stellen würden.

          Wenn es nicht ein Gesetz geben würde, dass arabische Aufsichträte in großen Firmen vorschreibt.

          Wenn arbische Israelis keinen Zugang zu Universitäten hätten. Eigene Krankenhäuser hätten.

          Und wenn Sie sich das noch so wünschen, in Tel Aviv stehen in den Parks keine Bänke mit der Aufschrift:

          Jews only.

          Es gibt auch keine getrennten Wasserspender, Schwimmbäder, Toiletten oder was auch immer.

          Nur Vergleiche die hinken. Wenn Sie ihre Vorurteile ein bisschen strapazieren wollen, lesen Sie was der Vorsitzende der ANC-Jugendliga zu diesem bizarren Vergleich sagt:

          www.iz3w.org/zeits...pulismus/apartheid

          Vielleicht wissen Sie einfach nicht, was Apartheid bedeutet. Dass es Diskriminierungen gibt, dass in Israel eine Klassengesellschaft herrscht, keine Frage.

          Wenn es ihnen doch nur darum ginge.

          • 8G
            87233 (Profil gelöscht)
            @88181 (Profil gelöscht):

            Jim, das riecht sehr nach Verharmlosung und Reletivierung.



            Apartheid war gesetzlich geregelt, aber es musste auch von Menschen umgesetzt werden. Als geburtige Sud-Afrikaner kann ich das bezeugen.



            In Israel, wie in den USA und weiterhin in Süd Afrika wird Apartheid praktiziert, auch wenn es nicht(mehr) im Gesetz verankert ist.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Kritik an Israelische Politik und dessen Unterstützer ist völlig in Ordnung. Nur, so naiv und kontraproduktiv wie diese Dame vorgegangen ist war bisher selten eine Amerikanische Politiker.



    Hoffentlich hat sie dazugelernt.