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Polizist verursachte tödlichen UnfallDie Irrfahrt des Peter G.

Der Polizist, der in Berlin betrunken in das Auto einer Abiturientin fuhr, beschwor vielfach den Korpsgeist der Polizei.

Mit Blaulicht und 134 km/h raste der Einsatzwagen durch Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Der Polizist Peter G., der im Januar 2018 während einer Einsatzfahrt in offenbar betrunkenem Zustand das Auto einer 21-jährige Frau rammte und sie dadurch tötete, hat im Internet vielfach einen rechtsgerichteten Korpsgeist der Polizei beschworen. In Beiträgen, die Peter G. in den sozialen Medien oder auf seinem eigenen Blog veröffentlichte, hetzt er gegen Linke, Flüchtlinge und die Asylpolitik der Bundesregierung, als deren Opfer er sich und seine Polizeikollegen sieht.

“WIR sind die, die wir unseren verdammten Arsch hinhalten, uns täglich beschimpfen, anspucken und provozieren lassen, von Menschen, die sowohl unser System, als auch unsere Kultur missachten“, heißt es etwa in einem 2016 veröffentlichen Beitrag. Im gleichen Text behauptet er, die offiziellen Statistiken zu Kriminalität unter Flüchtlingen könnten nicht richtig sein und erinnert an bessere Zeiten, in denen nicht registrierte Flüchtlinge “ohne großes Aufsehen einfach eingesperrt“ hätten werden können.

In einem anderen Text, in dem er Hausbesetzer als Terroristen darstellt, nennt er als Moment, der ihn trotz der Angriffe an diesem Beruf festhalten lasse: “Oder sei es die blöde Sau, die es verdient hat, bei der Festnahme zu leiden, weil es einfach ein Menschen verachtendes Stück Scheiße ist.“

“Jeder verletzte Kollege ist ein Familienmensch“, heißt es dort außerdem. Das passt zu einem Facebook-Beitrag, den er eine Woche nach der Todesfahrt postete: “Ich bin gerade verdammt froh, dass #polizeifamilie wirklich real sein kann. Danke an euch, die gerade da sind und ihren Arsch riskieren.“

Eltern vermuten Vertuschung

Beim Einparken auf einer Mittelinsel in der Grunerstraße war der Kleinwagen der 21-jährigen Fabien M. am 29. Januar 2018 von dem Einsatzwagen gerammt worden, der laut einem Gutachten zuvor mit 134 Stundenkilometern unterwegs gewesen war. Beim Aufprall sollen es noch 90 km/h gewesen sein. Das Opfer starb noch am Unfallort. Erst jetzt kam heraus, dass bei Peter G., der den Wagen gesteuert hatte, nach dem Unfall ein Blutalkoholwert von 1,1 Promille gemessen wurde.

Die Eltern der getöteten Reinickendorfer Abiturientin hatten am Freitag im rbb schwere Vorwürfe erhoben: Sie hätten bereits früh vermutet, dass bei der Todesfahrt Alkohol im Spiel gewesen sei, doch niemand habe ihnen geglaubt. Stattdessen hatten sich die polizeilichen Ermittlungen zunächst darauf konzentriert, ob das Opfer zum Zeitpunkt des Unfalls telefoniert hatte – was, wie sich herausstellte, nicht der Fall war. Die Behörde habe versucht, den Fall zu vertuschen. „Dieser Ehrenkodex bei der Polizei widert mich richtig an“, sagte die Mutter der getöteten Reinickendorferin. Der Anwalt der Familie sprach von einem “furchtbaren Justizskandal“.

Warum der Polizist nicht, wie bei Verkehrsunfällen üblich, direkt am Unfallort auf Alkohol getestet wurde, ist bis heute unklar. Die Ermittlungen sollten eigentlich bereits im letzten Herbst eingestellt werden, nur durch anonyme Hinweise aus dem Umfeld der Charité hatte die Staatsanwaltschaft schließlich Veranlassung gesehen, die Patientenakte des Polizisten zu beschlagnahmen. Dadurch kam ans Licht, dass der bei dem Beamten nach dem Unfall in der Charité ein Alkoholwert von 1,1 Promille gemessen worden war. Ob er auch bei der Unfallfahrt betrunken war, ist damit allerdings nicht zweifelsfrei nachgewiesen.

„Die Hinweise der Charité auf nachlässige Ermittlungen wiegen schwer“, sagt Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, gegenüber der taz. Die Angehörigen hätten eine Recht auf Aufklärung, es dürfe „nicht der Anschein erweckt werden, gegen Polizisten als Tatverdächtige werde nachlässig ermittelt“.

Eines mache der Fall schon jetzt ganz deutlich, sagt Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken: Dass Berlin dringend einen unabhängigen Polizeibeauftragten brauche. „Der wäre jetzt das richtige Instrument an dieser Stelle“. Auch Benedikt Lux schließt sich dieser Forderung an – eigentlich gilt der unabhängige Polizeibeauftrage auch bereits als beschlossene Sache. Doch aufgrund anderer strittiger Punkte in Sachen Innenpolitik werde die Umsetzung derzeit von der SPD blockiert, heißt es von Linken und Grünen.

Aus Polizeikreisen hieß es am Sonntag laut Berliner Morgenpost, der Fall solle neu aufgerollt werden. Offiziell wollte sich die Polizei dazu nicht äußern. „Dem Verdacht, es könne sich um eine Alkoholfahrt gehandelt werden, wird nun selbstverständlich nachgegangen“, so Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, am Sonntag zur taz.

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7 Kommentare

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  • „Die Hinweise der Charité auf nachlässige Ermittlungen wiegen schwer“, sagt Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, gegenüber der taz.

    Na dann…!

    Eigentlich hätte ich mir ja gewünscht, einer der direkten oder indirekten Vorgesetzten des uneinsichtigen Polizisten hätte den „Hinweis auf nachlässige Ermittlungen“ für schwerwiegend gehalten, nicht der innenpolitische Sprecher der Grünen. Noch schöner wäre es gewesen, besagte Vorgesetzte hätten sich nicht (nur) der taz gegenüber besorgt geäußert, sondern der Staatsanwaltschaft gegenüber. Ein Traum aber hätte sich erfüllt, wären der Besorgnis Taten gefolgt.

    Leider scheint der familiäre Zusammenhalt in der Berliner Polizei zumindest stellenweise dem zu entsprechen, der zu Kaisers Zeiten gang und gäbe war. Der Patriarch hat damals drauf bestanden, den Nachwuchs eigenhändig zu verprügeln. Nach außen war man gern ein Herz und eine Seele. Es durfte schließlich keine anderen Götter neben den gekrönten geben. Zumindest keine offiziellen.

    Dringender, als einen unabhängigen Polizeibeauftragten, bräuchte Berlin eine neue Polizeiführung, denke ich. Eine, die up to date ist in Sachen Führungskompetenz. Nur: Wo sollte die kurzfristig herkommen? Auf der Karriereleiter steigt man doch nur langsam auf...

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiqutte.

    Die Moderation

     

     

  • Hinsichtlich der Presskontakte von Peter G. hat der Fall sogar Ähnlichkeit mit dem Fall Karl-Heinz Kurras, dem Polizisten der Benno Ohnesorg erschoss. Kurras hatte gute Kontakte zur BZ und lud sogar seinen vertrauten BZ-Fotoreporter zu seinen waffennärrischen Schießübungen ein. Dieser folgte der Einladung und war später bei der Erschießung von Ohnesorg in der Nähe und konnte dort relevante Fotos schießen. Zum Polizisten Peter G. heißt es im Tagesspiegel: "Peter G. pflegte enge Kontakte zu Fotografen und Reportern, die Polizeieinsätze dokumentieren – und zwar so eng, dass es dem Präsidium zu viel wurde. Nach Informationen des Tagesspiegels wurde der Hauptkommissar von seinen Vorgesetzten in einem Gespräch zur Mäßigung aufgefordert.



    Geradezu bizarr ist, dass der erste Tweet der „BZ“ kurz nach dem Unfall unter anderem an Peter G. direkt adressiert war."

  • Dass Rechtsextremisten rücksichtsloser als der Durchschnitt der Bevölkerung sind, mehr von anderen fordern, sich mehr selbst herausnehmen und trotzdem glauben, Opfer zu sein und immer übervorteilt zu werden, ist nichts neues.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @PPaul:

      Nichts Neues, aber immer wieder verblüffend und beängstigend.



      War mal dabei als ein Polizeiauto mit hohem Tempo, Blaulicht und Sirene auf einer Kreuzung in ein Taxi knallte, dessen Fahrer nicht einordnen konnte, woher das "Geschoss" kommen würde.



      Der Polizist, der am Steuer gesessen hatte, sprang den verdatterten Taxifahrer mit hochrotem Gesicht direkt an und beschuldigte ihn so aggressiv, dass Passanten stehen blieben und dem Taxifahrer zu Hilfe kamen. Damals, zum Glück, nur Blechschaden; heute frage ich mich, ob es womöglich derselbe war...

  • Aus dem Artikel wird nicht klar, in genau welchem Zeitraum nach dem Unfall der Blutwert des Polizisten in der Charité gemessen wurde. Vermutlich wird durch die Unterlassung des vorgeschriebenen Alkoholtests noch an der Unfallstelle eine Alkoholisierung des Beamten zum Unfallzeitpunkt nicht mehr beweisbar sein.

    • @Wilfried Kramme:

      der Polizist wurde direkt nach dem Unfall ins Krankenhaus gebracht. er hatte also gar keine Zeit um Alkohol zu trinken. Und selbst wenn, unterstellen wir mal er hatte knapp 2 Stunden Zeit bis zum Abtransport ins Krankenhaus. dann baut er den Unfall steigt aus dem Fahrzeug aus und entfernt sich vom Unfallort um im Supermarkt eine Flasche Wodka zu kaufen und zu trinken. Nur um dann wieder zum Unfallort zu gehen und sich dort behandeln zu lassen. Sehr absurde Vorstellung.

    • @Wilfried Kramme:

      Doch, wenn es vorschriftsmäßig, wie bei der Behauptung der Unfallbeteiligten, dem so genannten Nachtrunk.



      Da wird in Abständen immer wieder der Alkoholpegel getestet. so stellt man fest, ob der Alkoholpegel weiter steigt, oder fällt.



      Hätte der Polizist also schon vor dem Unfall getrunken, würde der Pegel sinken. Bei Nachtrunk, ( aber wann sollte das geschehen sein ) würde der Pegel steigen. Wenn man dann Proben! genommen!