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Linker Infoladen in Hamburg ausgespähtDas Auge der Colaflasche

Ein linkes Wohnprojekt und ein Infoladen im Schanzenviertel wurden von einem Altenheim aus überwacht – laut Heimleiter durch die Polizei.

Im Fokus: Wohnprojekt am Kleinen Schäferkamp mit dem Infoladen Schwarzmarkt Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Zwei Cola-Flaschen und eine Limonade stehen auf der Fensterbank eines kleinen Fensters im Dachgeschoss des Elisabeth Alten- und Pflegeheim der Freimaurer von 1795 e.V. In der Coke-Zero-Flasche ist eine Kamera eingebaut. Die Linse ist direkt auf das linke Wohnprojekt und den Infoladen Schwarzmarkt am Kleinen Schäferkamp im Hamburger Schanzenviertel ausgerichtet. Die Eingänge an der Frontseite sind erfasst, der Gang links zu dem hinteren Teil des Wohnprojektes kann auch beobachtet werden.

„Wir haben den Eindruck, dass bis in die Privaträume an der Vorderseite des Hauses hineingeschaut werden kann“, sagt eine Bewohnerin, „das macht schon was mit einem.“ Eine Sprecherin des Schwarzmarkts vermutet: „Jede und jeder, der uns besuchte, dürfte erfasst sein.“

Am Mittwochvormittag suchten AnwohnerInnen das Gespräch mit der Leitung des Alten- und Pflegeheims. „Wir wünschen uns eigentlich ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis“, sagte ein Bewohner davor. Drei AnwohnerInnen und zwei Anwälte konfrontierten den Heimleiter Hans-Jürgen Wilhelm mit der offensichtlichen Beobachtung des Projekts mit dem ansässigen Verein.

„Die Polizei hatte wegen der Drogenproblematik im Schanzenpark angefragt“, sagt Wilhelm nach dem Gespräch der taz. Darum habe die Leitung des Altenheims auch nichts gegen die Installierung gehabt. Von der Polizei sei regelmäßig ein IT-Fachmann zur Wartung gekommen. Am Empfang habe er sich immer vorgestellt. Dass die Kamera aber auf das Haus gerichtet sei, will die Heimleitung nicht gewusst haben.

Der Heimleiter will die Kamera abbauen

Am Telefon sagt Wilhelm hörbar angefasst, er wolle nicht dazu beitragen, dass die Anwohner observiert würden. „Ich bin da jetzt mit der Polizei im Gespräch“, sagt er und bittet, weitere Fragen nicht beantworten zu müssen.

„Die Betroffenheit nehmen wir der Heimleitung schon ab“, sagt ein Wohnprojekt-Bewohner, der bei dem Gespräch dabei war. „Herr Wilhelm sagte uns, dass er die Observation des Hauses nicht richtig fände und versprach uns, die Anlage selbst abzubauen, wenn die Polizei sie binnen zwei bis drei Tagen nicht eigenständig abbauen würde“, so der Bewohner.

Aufgeflogen: In der linken Flasche ist eine Kamera zu erkennen Foto: privat

Unproblematisch findet eine Bewohnerin das Verhalten der Heimleitung trotzdem nicht: Im Schanzenpark, der am hinteren Teil und an einer Seite des Heimgeländes angrenzt, würde zwar gedealt, nicht aber sichtbar am Haupteingang zur Straße hin. Die Observationsmaßnahme halte sie auch im Rahmen der sogenannten Drogenproblematik für mehr als fragwürdig.

Diese Maßnahme dürfte jeglicher Rechtsgrundlage entbehren, sagt Gerrit Onken, einer der Anwälte der Bewoh­nerInnen. Denn alle benachbarten AnwohnerInnen und zufällig vorbeigehenden PassantInnen würden erfasst. „Wir haben natürlich überlegt wie wir mit dem Wissen um die Kamera umgehen sollen. Müssen alle Besucher und Freunde informiert werden?“, fragt eine Bewohnerin, deren Zimmer nach vorn direkt im Aufnahmefeld liegt.

„Unseren Alltag hat das selbstredend verändert. Ich weiß, dass ich in meinem privaten Bereich, in meinem Zimmer offensichtlich beobachtet werde. Die Tatsache, dass eine Frau vermutlich von Männern permanent beobachtet wird, verschärft die Situation noch zusätzlich.“ Sich vorzustellen, dass jemand der „uns politisch nicht wohlgesonnen ist, meinen Alltag verfolgt“ sei schon „hart“. Gardine zuziehen beim Raumbetreten sei nun auch „nicht gerade schön“.

Polizei antwortet nicht, Verfassungsschutz reagiert nicht

Die Hamburger Polizei möchte sich zu der Observierung nicht äußern. „Vielen Dank für Ihre E-Mail“, schreibt ein Pressesprecher, „allerdings beantworten wir entsprechende Fragen aus grundsätzlichen Erwägungen generell nicht.“ Die Rechtsgrundlage bleibt somit unklar, auch wann die Kamera installiert wurde und ob die Heimleitung getäuscht wurde. Eine Anfrage an den Verfassungsschutz blieb bis Redaktionsschluss gänzlich unbeantwortet.

Durch einen Hinweis hatte das Projekt von der Observation erfahren. Im Heim scheint sie ein offenes Geheimnis gewesen zu sein. An dem Fenster mit den Flaschen liegt ein Zettel. „Fenster bitte geschlossen halten, bitte nichts umstellen“.

Den Abbau der Kamera fordert Christiane Schneider. Die innenpolitische Sprecherin der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert aber auch Aufklärung. „Wenn Privatwohnungen und der Zugang zu ihnen aus Privatwohnungen oder Wohneinrichtungen heraus mit einer verdeckten Videokamera überwacht werden – oder auch nur überwacht werden können –, ist das hochproblematisch“, so Schneider.

Ein solcher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zahlreicher Menschen dürfe sich nicht etablieren. Diese „düstere Angelegenheit“ müsste von den verantwortlichen Behörden schnell und lückenlos aufgeklärt werden.

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5 Kommentare

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  • Die Hamburger Polizei fühlt sich offenbar als Rechtsbrecher wohler. Passiert ja auch nichts. Allenfalls wird die Rechtslage hier und da mal großzügig an die bizarren Bedürfnisse dieser Elbstasi angepasst. Ansonsten wird „Deaf Dumb and Blind“ gepielt.

    Zur Erinnerung: In Hamburg regiert Rot-Grün. Das ist diese „progressive“ Kombi, die seinerzeit schon - natürlich sehr zur Freude der „Union“ - gemeinsam den Hartz IV-Strafvollzug auf den Weg gebracht hat. Gut - das war eine andere Zeit und das waren andere Leute, aber die Richtung ist doch genau dieselbe geblieben - oder etwa nicht?



    Meine Meinung: Das ist keine Kunst; das kann weg!

  • Mindestens bis zu den Veröffentlichungen über die unvorstellbaren Überwachungsmöglichkeiten und -praktiken von Edward Snowden habe ich noch an den Osterhasen geglaubt: Polizei, Dein Freund und Helfer.

    Viele Menschen denken auch nach Snowdens Veröffentlichungen immer noch so. Die Herausforderung besteht unter Anderem darin, der Bevölkerung klarzumachen, wie die gesellschaftlichen Zusammenhänge sind: wer die Gesetze erlässt, deren Einhaltung die Polizei dann sicherstellen muss, welche Einflussgruppen es gibt, wer ein Interesse woran hat. Andernfalls denken sich die meisten: "Ich habe nichts ungesetzliches getan, also kann mir auch nichts passieren." Aber darum geht es überhaupt nicht...

  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    Hamburg als Pilotprojekt.



    Jahrzehntelange Erfahrung mit der Missachtung von Grundrechten, Eingriffen in dieselben, Rechtsbeugungen zum Nachteil von Bürgern und Vorteil von gewalttätigen Beamten, illegale Ausspähungen zuhauf...Hamburg scheint das Pilotprojekt der "professionellen Verfassungsgegner" in den Diensten und dem Kanzleramt zu sein. Dort ist das Schleifen von parlamentarischen Kontrollmechanismen und die Abschaffung von Grundrechten zu einem tagesgeschäft zum Machterhalt verkommen. Und der Herr über das Hamburger Pilotprojekt ist jetzt Vizekanzler. Wenig überraschend, das das Feindbild Linke sind. Am rechten Rand werden ja Wahl-Kreuze gefischt.

  • Spooky...

  • kurz - “Was wir können - machen wir auch • "



    &



    In Weimar - beschwören grad - negligable - die öberschten Politikaster.



    Angie & Steini I. vande Guantanamo-Kurnaz vorweg^!^



    "Die Demokratie muß verteidigt - immer wieder erkämpft werden!"

    Wenns nicht so bodenlos zum Heulen wäre.



    Möchte man - vor Scham ob solcher verlogenen Dreistigkeit.



    Im Boden versinken.

    Demokratie - Rechtsstaatlichkeit - Zivilgesellschaft.



    Werden genau dadurch - durch solch kaltschnäuziger Unberfrorenheit.



    In kleiner Münze peu a peu & täglich zerstört.



    &



    Verantwortlich - gar Verantwortlich gemacht!



    Wird im Zweifel niemand. Es wird geleugnet.



    Abgewiegelt. Gelogen. Gelöscht. Geschreddert.



    Hornberger Schießen - läßt - Grüßen.



    Normal.

    Nö. Allenfalls wird - wie in Weimar grad - *!* Widerlich.



    Die nächste Krokodilstränenshow - d.h. Bürgerverarsche inszeniert.

    Na Mahlzeit