Solidarität der Kulturbetriebe: Viele sind nicht alle
Bremer Kunst- und Kulturinstitutionen verbünden sich: Angesichts eines übergriffigen Rechtsnationalismus sei Solidarität geboten
Der rechte Populismus stehe „der Kunst der Vielen feindselig gegenüber“, heißt es im Text. Veranstaltungen würden gestört, es werde versucht, in Spielpläne einzugreifen. Ziel: eine Renationalisierung der Kunst. Dagegen zu kämpfen, verpflichten sich die Unterzeichnenden. Dienstag sind es 73 plus das BKT. Macht 74.
„Der erste Impuls für die Erklärung war die Solidarität“, sagt Theaterintendant Michael Börgerding. Und es sei, das könnte man der Initiative entgegen halten, „vielleicht ein bisschen billige Solidarität“. Denn anders als in Berlin, anders als in Dresden, Leipzig, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg scheint es jenseits geifernder Online-Kommentare und aggressiver Lesendenpost, keine rechten Angriffe auf Bremische Kultureinrichtungen zu geben.
Pirkko Husemann von der Schwankhalle sieht das ähnlich: „Auch wir haben trotz unseres sehr expliziten Programms nicht mit so unmittelbaren Konfrontationen von rechts zu tun gehabt, von denen mir Kolleg*innen aus anderen Städten berichten.“ Aber eine Insel der Seligen ist Bremen denn auch nicht: Die Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die Leerstandsbespielung des Kulturvereins Zuckerwerk am Lankenauer Höft im Sommer 2017 sei durchaus als Übergriff zu werten. Und „wenn einer betroffen ist, ist das nicht die Sache des einen alleine“, sagt Husemann.
Die Liste bleibt offen. Es ist Einrichtungen, Interessensvertretungen und Gruppen möglich, sich via dievielen@theaterbremen.de aufnehmen zu lassen. Und einige dürften noch dazukommen, schon allein weil die Koordinator*innen bei manchen – darunter leider so thematisch einschlägige Institutionen wie das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven – schlicht vergessen haben nachzufragen: „Wir wussten davon nichts“, teilt dessen Direktorin Simone Eick auf Nachfrage mit. „Wir würden uns da sehr gerne beteiligen.“
Dem Übersee-Museum, wegen seiner Pionierprojekte im Bereich der Provenienzforschung seiner Afrika-Sammlungen momentan ein Hotspot der bundesweiten kulturpolitischen Debatte zum Umgang mit den Hinterlassenschaften des Kolonialismus, hatte man „nur einen ersten Entwurf für eine Erklärung zugeschickt“. Danach: Funkstille. „Schade“, sagt die Museumssprecherin Cerstin Wille der taz. Die Grundintention der Erklärung begrüße man ja, „aber wir müssen die finale Fassung erst einmal angucken und prüfen“.
Auch bei den Kunstsammlungen Böttcherstraße ist man überrascht, dass es eine Pressekonferenz gegeben hat zum Thema, so deren Direktor Frank Schmidt auf Nachfrage. Der betreut ein Haus mit klarem Fokus auf Kunst von Frauen, eine Sammlung, deren Erwerb verwickelt war in die Vorgänge von Hitlers Sonderauftrag Kunst, und Gebäude, die ab spätestens 1934 in den Verachtungs-Diskurs der Nazis einbezogen wurden. Es gibt also gute Gründe, in der Böttcherstraße besonders sensibel auf den gesellschaftlichen Backlash zu reagieren. „Entscheidend ist für mich, inhaltlich dagegen zu halten“, so Schmidt. „Ich denke das tun wir, wenn wir, wie aktuell, an die Fotografin Éva Besnyő erinnern oder wenn wir ab März Ruprecht von Kaufmanns Geflüchteten-Porträts zeigen“ – eine Ausstellung, die direkt aus dem New Yorker UN-Gebäude nach Bremen kommt.
Pirkko Husemann, Direktorin Schwankhalle
Die bisherigen Unterzeichnenden der Liste kommen aus unterschiedlichsten kulturellen Bereichen: Vom Atelierhaus Roter Hahn bis zur Zwischenzeitzentrale, vom soziokulturellen Stadtteilzentrum bis zu den großen Tankern des bürgerlichen Kunst- und Konzertbetriebs, Kunsthalle und Philharmoniker: Sorge, mit der Aktion Besucher*innen mit Rechtsdrift abzuschrecken, habe er keine, stellt Philharmoniker-Intendant Christian Kötter-Lixfeld klar: „Ich bin da sehr optimistisch“, sagt er. Dass man mit dem Bekenntnis Diskussionen auslöse, sei indes möglich. „Aber die führen wir gerne.“
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