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Die Gelbwesten wollen ins Europaparlament

Teile der französischen Protestbewegung haben angekündigt, bei der EU-Wahl im Mai anzutreten. Präsident Macron dürfte das recht sein. Ihm würden sie kaum Stimmen klauen

Polonaise nach Straßburg? Gelbwesten-Proteste im Januar in Paris Foto: Michel Euler/ap

Aus Paris Rudolf Balmer

Die Protestbewegung der Gelbwesten in Frankreich will bei den Europawahlen im Mai mit einer eigenen Liste antreten. Eine Liste mit den Namen von zunächst zehn Kandidaten wurde am Mittwoch vorgestellt. An der Spitze steht die bekannte Gelbwesten-Aktivistin Ingrid Levavasseur, eine 31-jährige Krankenpflegerin aus der Normandie.

Levavasseur kündigte an, dass nach einer offenen Ausschreibung bis Mitte Februar 79 KandidatInnen für die Liste mit dem Namen Ralliement d’initiative citoyenne (Unterstützung der Bürgerinitiative) nominiert würden. Mit der Abkürzung RIC reklamiert die Liste eine der wichtigsten Forderungen der Gelbwesten für sich: die Erweiterung der demokratischen Rechte durch ein référendum d’initiative citoyenne, ebenfalls RIC abgekürzt, das es den BürgerInnen ähnlich wie in der Schweiz ermöglichen würde, neue oder vom Parlament bereits verabschiedete Gesetzesvorlagen einer Volksabstimmung zu unterbreiten.

Über diese Forderung hinaus ist bislang nur wenig über die RIC-Liste bekannt. Ein Programm gibt es nicht. Laut Spitzenkandidatin Levavasseur soll aber allein schon die Selektion der Kandidierenden dafür sorgen, dass die soziale und politische Vielfalt der Gelbwesten und die Geschlechterparität respektiert wird.

Die Hilfspflegerin aus der Normandie hat sich seit Beginn der Gelbwesten-Bewegung im November in Pont-de-l’Arche im ländlichen Departement Eure an den Protesten beteiligt, wo die redegewandte 31-Jährige den Medien bald als Wortführerin auffiel. In der Folge wurde sie als Sprecherin in Rundfunk- und Fernsehstudios eingeladen. Trotzdem gilt sie nicht als eine der Prominentesten in den Reihen der Gelbwesten, die sich bisher nicht als feste Organisation zu strukturieren vermochten, sondern sich immer mehr in interne Streitereien verstrickten.

Ob die Wahlliste tatsächlich zustande kommt und ob sie den Anspruch erheben kann, die Gelbwesten zu repräsentieren, ist allerdings noch offen. Einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe zufolge hätte eine Gelbwesten-Liste aber gute Chancen und würde bei den Europawahlen am 26. Mai in Frankreich mit rund 13 Prozent auf den dritten Platz kommen – direkt nach der Präsidentenpartei La République en marche (LREM) mit 22,5 Prozent und dem rechtspopulistischen Rassemblement nationale (RN) von Marine Le Pen mit 17,5 Prozent. Die Gelbwesten lägen damit deutlich vor den Oppositionsparteien, den Konservativen (Les Républicains) und der linken France insoumise (FI). Die Umfrage bezog sich allerdings nicht konkret auf die Gelbwesten-Liste RIC von Levavasseur.

„Ich weiß nicht, wer dich gekauft hat, Ingrid“

Maxime Nicolle, einer der Sprecher der Gelbwesten

Die Gelbwesten würden laut Politologen viele BürgerInnen anziehen, die sonst nicht oder nicht mehr wählen gehen, vor allem aber den als extremistisch eingestuften Parteien – namentlich FI und RN – Stimmen kosten. Entsprechend zurückhaltend bis ungehalten reagierten linke und rechte OppositionspolitikerInnen auf die Aussicht einer Konkurrenz durch die Gelbwesten.

Präsident Emmanual Macron hingegen dürfte es recht sein, dass vor allem seine ärgsten Gegner durch eine Gelbwesten-Liste geschwächt werden. Macrons Liste liegt fast konkurrenzlos in Führung. Außerdem käme es der Staatsführung gelegen, wenn die bisher unberechenbare und heterogene Protestbewegung durch eine Wahl­beteiligung in den rechtsstaatlichen Rahmen integriert würde.

In den Reihen der Gelbwesten selbst stieß die Ankündigung der RIC-Liste teils auf heftige Kritik. Ein bekannter Sprecher der Bewegung, Maxime Nicolle, schrieb: „Ich weiß nicht, wer dich gekauft hat, Ingrid. Aber du bist dabei, Hunderte und Tausende, die Vertrauen in dich gesetzt hatten, zu verraten.“ Nicolle setzt weiter auf Straßenproteste. Durch die Teilnahme an Wahlen werde sich nichts ändern.

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