: Wer nicht in die Schule geht, muss ins Heim
Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet gegen christliche Fundi-Eltern
Von Christian Rath
Wenn ein Jugendamt Eltern die Kinder wegnimmt, weil diese nicht in die Schule gehen und zu Hause unterrichtet werden, ist dies rechtmäßig. Dies entschied jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Fall aus Hessen.
Dirk und Petra Wunderlich sind ein sehr christliches Ehepaar und haben vier Kinder. Die Eltern sind beide Gärtner und wohnen bei Darmstadt. Seit 2005 ist die älteste Tochter schulpflichtig, doch die Eltern lehnen die Schulpflicht ab. „Wir wollen als Familie zusammenleben, wie es Tausende Jahre der Fall war“, sagte Dirk Wunderlich in einem Interview mit der Deutschen Welle, die Schulpflicht reiße Familien künstlich auseinander.
Von 2008 bis 2011 lebte die Familie im Ausland, unter anderem in Frankreich, um der Schulpflicht zu entgehen. Seit 2011 waren die Wunderlichs wieder in Deutschland. Petra Wunderlich unterrichtete die Kinder zu Hause von 10 bis 15 Uhr, unterbrochen von einer Mittagspause. Alle Kinder (geboren zwischen 1999 und 2005) lernten den gleichen Stoff. Als das Jugendamt ihren Wissensstand überprüfen wollte, weigerten sich die Kinder mehrfach. Die Eltern erhielten Geldbußen wegen Verletzung der Schulpflicht, bezahlten sie, aber änderten nichts.
Den Eltern wurde daraufhin vom Amtsgericht Darmstadt das Sorgerecht teilweise entzogen. Im August 2013 standen überraschend rund zwanzig Sozialarbeiter und Polizisten vor der Tür, nahmen die vier Kinder mit und brachten sie in ein Kinderheim. Es bestehe die Gefahr, dass die Kinder sozial isoliert in einer Parallelwelt aufwachsen und keine Chance haben, ein normales Sozialverhalten zu lernen. Erst nach drei Wochen konnten die Kinder zu den Eltern zurückkehren. Diese hatten zuvor schriftlich versprochen, dass die Kinder nun in die Schule geschickt würden. Gegen den Teilentzug des Sorgerechts und die Wegnahme der Kinder klagten Dirk und Petra Wunderlich vor dem EGMR. Die Maßnahme verletze ihr Recht auf Privatleben. Dem Staat gehe es nicht um das Kindeswohl, sondern nur um die Durchsetzung der Schulpflicht.
Die Straßburger Richter stützten nun die Position des deutschen Jugendamts. Der Entzug des Sorgerechts und die Wegnahme der Kinder sei gerechtfertigt gewesen, um ihre Integration in die Gesellschaft sicherzustellen. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich gewesen, da die Eltern nicht kooperierten. Schätzungen zufolge unterrichten über hundert Familien in Deutschland ihre Kinder zu Hause.
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