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Video on Demand in EuropaLa France gegen Netflix

Gegen die wachsende Marktmacht der US-Anbieter tun sich französische TV-Sender zusammen. Sie wollen Serien „made in France“ besser vermarkten.

„Büro der Legenden“ lief international sehr gut. Darauf wollen die Sender aufbauen Foto: MG/RTL

Mit vereinten Kräften wollen öffentliche und private Fernsehsender in Frankreich Netflix und Amazon etwas entgegensetzen. Und zwar möglichst noch bevor die amerikanischen Konkurrenz definitiv den Markt im Bereich Video on demand (VOD) dominiert.

Für ihren Gegenangriff hat sich die öffentlich-rechtliche Gruppe France Télévisions (FranceTV) mit den beiden privaten Gruppen TF1 und M6 zusammengetan. Gemeinsam wollen sie als französische Alternative eine neue digitale Plattform mit dem Namen „Salto“ gründen. Gegen eine relativ bescheidene Monatsgebühr (die Rede ist von weniger als 5 Euro) sollen NutzerInnen dort sowohl bereits ausgestrahlte Programme als Replay, aber auch neue Videoproduktionen sehen können. Auf dem Smartphone, Tablet, Computer oder Fernseher.

So etwas in dieser Richtung hatte zwar jeder Sender bereits für sich, aber in viel bescheidenerem Umfang, dafür auch meistens kostenlos. Damit die ZuschauerInnen bereit sind, nun dafür zu bezahlen, soll „Salto“ sehr viel mehr sein als eine Zusammenfassung der vorhandenen Plattformen 6Play, MYTF1 und France.tv. Dabei geht es den Fernsehanbietern nicht nur ums Geschäft mit selbst produzierten Programmen, Serien und Filmen, sondern letztlich um die französische und europäische Kulturproduktion.

Netflix allein gewinne jeden Monat rund 100.000 zahlende KundInnen in Frankreich hinzu, will die Zeitung Libération recherchiert haben, und verfüge bereits über 3,5 bis 4 Millionen NutzerInnen. Wenn das stimmt, wäre Netflix dabei, den bisherigen Marktführer im Bereich des Pay-TV zu überholen: Canal Plus. Gegen die internationale Dynamik von Netflix scheinen die privaten wie öffentlich-rechtlichen Sender auf den ersten Blick nichts ausrichten zu können.

70 Prozent schauen Serien im Netz

Auch in Deutschland ist die Branche längst nervös geworden – spätestens seit Netflix im Herbst im Rahmen seiner neuen internationalen Strategie fünf neue deutsche Serien für 2019 angekündigt hat. Die einzige Chance für Anbieter von Bewegtbild könnte darin bestehen, ihre Kräfte zu bündeln – das wird nun in Frankreich versucht.

„Für die traditionellen TV-Unternehmen ist das eine Frage der Existenz“, sagt dazu Eric Rochant, Filmregisseur und Produzent der Serie „Büro der Legenden“. Die französische Produktion ist international erfolgreich und wurde in den USA auf ­iTunes sowie in UK auf Amazon Prime Video vermarktet. Sie könnte Vorbild für die Anti-Netflix-Offensive sein.

Netflix ist wohl dabei, Frankreichs Marktführer im Bereich Pay-TVzu überholen

Aber Rochant ist skeptisch: „Selbst wenn wir uns rasch an das veränderte Nutzerverhalten anpassen: Auch dann steht den französischen Sendern immer noch Netflix mit seiner Präsenz in Dutzenden von Ländern der Welt gegenüber.“ „Büro der Legenden“ wurde zu Beginn von Canal Plus zu 70 Prozent linear und zu 30 Prozent im Netz verbreitet – heute hat sich das genau umgekehrt, 70 Prozent schauen sich die Serie im Netz an. „Das traditionelle lineare Fernsehen hat wohl keine Zukunft“, sagt Rochant.

Frankofonie verteidigen

„Salto“ setzt auf eine Karte, die sich schon in anderen Bereichen der Kulturproduktion bewährt hat: Verteidigung der Frankofonie. Delphine Ernotte, Vorsitzende von France Télévisions, argumentiert so: „Wenn wir in Frankreich und Europa weiterhin eine bedeutende (Produktion von) Fiktion wollen, müssen die Sender auch den Vertrieb beherrschen.“ Das „made in France“ für Multimedia-Inhalte aber sei gefährdet, und zwar weil die besonders beliebten Serien heute sehr schnell auf Netflix vorhanden seien und damit das Publikum anziehen würden.

Die drei Gründer von „Salto“ mussten sich deswegen mit den unabhängigen Produzenten auf neue Regeln des Weiterverkaufs einigen. Bisher durfte zum Beispiel France Télévisions seine selbst beauftragten Serien zwar vier Jahre exklusiv im linearen Fernsehen zeigen, aber nur für sieben Tage im Internet, danach wanderten sie häufig sofort in den Netflix-Katalog.

Jetzt hat sich das öffentlich-rechtliche Unternehmen zu Jahresbeginn mit den Produzenten geeinigt, dass die Verwendedauer auch für die nichtlineare Verbreitung (VOD und Internetfernsehen) auf 12 bis 24 Monate ausgeweitet wird. Filmemacher Rochant bezweifelt jedoch, dass damit der Konkurrenzkampf gewonnen ist, denn viele französische Gesellschaften produzieren bereits direkt und exklusiv für Netflix.

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