piwik no script img

Kommentar Schweigen der JustizbehördeJede Menge Konkurrenz

Marco Carini
Kommentar von Marco Carini

Mit der Maßnahme, Gefängnis-Suizide nicht mehr per Pressemitteilung zu veröffentlichen, will Hamburgs grüner Senator einen internen Machtkampf gewinnen.

Will keine Negativ-Schlagzeilen: Till Steffen (Bündnis 90/Die Grünen), Justizsenator von Hamburg Foto: dpa

J ustizsenatoren ernten selten Lorbeeren. Umstrukturierungen in Gerichten oder Gefängnissen sind Themen, die die Öffentlichkeit kaum interessieren. Interessanter sind da schon schlechte Nachrichten, mit denen jeder Justizsenator zu kämpfen hat: Täter, die vorzeitig entlassen, aber dann wieder straffällig wurden, Ausbrüche aus den Knästen und Suizide der Gefangenen, die immer die Frage aufwerfen, ob sie hätten verhindert werden können.

Die Berichterstattung über Suizide in Hamburgs Knästen hat der grüne Justizsenator Till Steffen nun erschwert. Die Öffentlichkeit wird darüber nicht mehr tagesaktuell informiert, die Nachricht landet nach Wochen in einem Bürgerschaftlichen Ausschuss, der nur selten von Medienvertretern besucht wird. Die Gleichung ist schlicht: Erfahren die Medien nichts von der Selbsttötung der Gefangenen, können sie auch nicht drüber berichten.

Dabei geht es durchschaubar darum, Negativ-Schlagzeilen für einen grünen Senator zu vermeiden, der nach der Bürgerschaftswahl von seiner Partei gern wieder in den Senat gehoben werden würde, aber mit jeder Menge innerparteilicher Konkurrenz zu kämpfen hat. Sowohl Fraktionschef Anjes Tjarks wie auch der machtbewussten Abgeordneten Anna Gallina werden Ambitionen nachgesagt, in die Regierungsriege aufzusteigen. Ein Amtsinhaber, der überwiegend Negativschlagzeilen produziert, hat es da schwer.

So wundert es auch nicht, dass die Argumente der Behörde, die Suizide nicht mehr zu verkünden, stark schwächeln. Dass eine Behörde Informationen verschweigt, um die Medien davor zu bewahren, gegen einen Pressekodex zu verstoßen, den sie selbst offenbar noch falsch interpretiert, ist schon originell. Wenn eine solche Fürsorgepflicht Schule macht, lässt sich damit an vielen Punkten Transparenz vermeiden. Und das Argument, dass andere Gefangene über Zeitungen, die sie selten zu lesen bekommen, zur Nachahmung angestiftet werden könnten, ist weder beweisbar noch plausibel. Vorgeschoben aber ist es allemal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Marco Carini
Landespol. Korrespondent
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Mit der Behauptung, Menschen, die ansonsten nicht gefährdet wären, ließen sich durch Lektüre zum Selbstmord inspirieren, musste sich schon Goethe auseinandersetzen. Davon mal abgesehen würden das Vorsorge-„Argument“ eines machtfixierter Politiker genau so albern wirken wie es ist, würden die Medien ihren Kodex nicht nur Eitel vor sich hertragen, sondern auch tatsächlich befolgen. Und zwar immer, nicht nur an Sonn- und Feiertagen, an denen es nichts kostet.