piwik no script img

Kommentar Kieler Luftverbesserungs-IdeenDicke Luft ohne Ende

Kommentar von Sven-Michael Veit

Das Kieler Konzept ist lachhaft. Die Hilflosigkeit an der Förde zeigt, dass die Städte das Problem der Luftverschmutzung nicht alleine lösen können.

Ständig über den Grenzwerten: Luftmessstation am Kieler Theoder-Heuss-Ring Foto: dpa

B isweilen ist es schon erstaunlich, was vor allem Männer sich alles einfallen lassen, um weiterhin möglichst ungehemmt ihrer Bleifüßigkeit frönen zu können. Dabei hat klar zu sein: Das Recht auf Gesundheit ist ethisch und juristisch höher zu bewerten als das auf Automobilität. Es gibt das Grundrecht auf Freizügigkeit – und mehr als eine Art, es zu nutzen.

Das Konzept, das die Stadt Kiel jetzt vorgelegt hat, ist lachhaft. Spurzwang für Dieselautos? Wer überprüft das wie in der Praxis? Lkw-Umleitung aus einem eher unwirtlichen Bahnhofs- und Gewerbegelände in ein Wohngebiet? Alles andere als überzeugend. Tempo 50 statt 70? Den Durchbruch wird das nicht bringen. Immer noch kein Landstrom oder Flüssiggas für die großen Fähren und Kreuzfahrer? Wäre in Kiel unerlässlich. Intelligente Buskonzepte, mehr E-Autos und geförderter Radverkehr? Weiterhin Fehlanzeige.

So kann das nicht klappen – ohne Verkehrswende, ohne Energiewende bleibt es bei dicker Luft ohne Ende – und das in einer Stadt am Meer, die eigentlich eine der am besten durchlüfteten Deutschlands sein müsste.

Zugleich aber zeigt die Hilflosigkeit an der Förde, dass Städte das Problem der Luftverschmutzung durch das Verbrennen fossiler Stoffe allein nicht lösen können. Es verweist auf das jahrelange Versagen von EU-Instanzen, Bundesregierungen, Autokonzernen und Energiemultis, die sämtlich vom Verursacherprinzip befreit worden sind.

Wenn es ums Erdulden und Bezahlen geht, wird in diesem Land ungebrochen nach unten umverteilt. Profite bleiben privat, Risiken und Nebenwirkungen werden schamlos sozialisiert, Autoindustrie, Energiekonzerne und Wohnungswirtschaft kommen ungeschoren davon. So wird das nichts.

Mit Linksfahren schon gar nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hamburg-Redakteur
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!