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Deutschland und KlimapolitikLeere Hände, volle Taschen

In Kattowitz wird klar: Deutschland enttäuscht seine Fans unter den Klimaschützern. Es fehlt an Willen. Aber das Geld fließt weiter.

Ein Waldstück in Brandenburg von oben Foto: dpa

Kattowitz taz | Montagmorgen, 11 Uhr im Presseraum der Klimakonferenz, der nächste peinliche Termin für die Deutschen. „Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr um fünf Plätze auf Rang 27 abgestiegen“, erklärt Jan Burck von der Entwicklungsorganisation Germanwatch. In einem regelmäßigen Klimaschutz-Index bewerten Experten Emissionen und Klimapolitik von 60 Ländern. Fazit: Es fehlt am Willen beim Klimaschutz, die ersten drei Plätze werden nicht vergeben. Dann folgen Schweden, Marokko, Litauen, ganz hinten Saudi-Arabien, USA, Iran. Deutschland landet hinter Brasilien, Ägypten und Mexiko, kurz vor Weißrussland. Der einstige Vorreiter (größter Erfolg: 2009 mit Platz 6) ist abgerutscht. Der Grund: keine Verkehrswende, kein Kohleausstieg.

Die Deutschen, einst Champions der Energiewende plus Klimakanzlerin, enttäuschen in Kattowitz viele Erwartungen. Eigentlich sollten sie mit einem Ergebnis aus der „Kohlekommission“ hier zeigen, wie ein sozialverträglicher Abschied von den Fossilen aussehen kann. Das hat nicht geklappt. Dazu kommt: CO2-Emissionen sinken kaum, das Klimaziel wurde gekippt, in Brüssel lobbyiert Berlin gegen schärferen Klimaschutz. Vor allem die Verschiebung der Kohle-Kommission „reißt eine große Lücke“, sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institute. „Diese Konferenzen leben von guten Nachrichten. Die sollten die Deutschen hier liefern.“

Das merkte auch die deutsche Chefverhandlerin Nicole Wilke. Letzten Freitag musste sie für Deutschland wie alle zwei Jahre darlegen, was man so beim Klimaschutz tue. Diplomatisch verpackt bohrten die USA und Indonesien nach: Was läuft schief bei euch? Am selben Abend verliehen die Umweltschützer des „Klimaaktions-Netzwerk“ CAN den Deutschen den Schmähpreis „Fossil des Tages“. Der geht eigentlich traditionell an Klimaschurken wie die USA oder Saudi-Arabien.

Inzwischen wird der Unmut über die Deutschen lauter. Verhandler erzählen, ab und zu kämen beim Kaffee und auf den Fluren besorgte oder auch hämische Fragen. Und auf Twitter wütet die Nukleargemeinde, Deutschlands Atomausstieg garantiere eben hohe CO2-Emissionen. In großer Runde hört man diese Stimmen allerdings noch nicht. Er wundere sich ab und zu, sagt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth, „wie gnädig alle immer noch mit uns sind“.

Das liegt sicher am Image der Germans, die sich beim Klimaschutz seit Jahrzehnten engagieren. Vielleicht aber auch am Geld, das aus Berlin fließt. Tatsächlich hat Deutschland zugesichert, seinen Beitrag zum grünen Klimafonds auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro zu verdoppeln. Dazu kommen zweistellige Millionenbeträge für andere Töpfe. „Das Geld ist gut, aber kein Ersatz für fehlenden Einsatz zu Hause“, sagt Jennifer Morgan, Chefin von Greenpeace. „Bei manchen Staaten entsteht der Eindruck, Deutschland wolle sich von schlechter Klimapolitik freikaufen.“

Diesen Anschein will die deutsche Delegation auf jeden Fall vermeiden. Vielleicht liege der immer noch solide Ruf der Deutschen auch daran, dass man die eigenen Probleme nicht kleinrede, sagt Ingrid-Gabriela Hoven vom Entwicklungsministerium. „Wir sagen den anderen: Macht nicht unsere Fehler: Fangt nicht zu spät an, euch anzustrengen.“

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8 Kommentare

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  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Vielleicht hatte Frau Merkel einmal Pläne zu einer Umwelt- und Klimapolitik (man weiß es nicht genau), umgesetzt hat sie davon gar nichts. Die Energiewende und der Kernkraftausstieg waren von Schröder vorbereitet, die Probleme Wasser, Düngemittel, Autoabgase und Braunkohle hat sie gar nicht erst begonnen und wird sie nicht fertigstellen.



    Vielleicht sind die Reichen und die Lobbyisten hierzulande zu bockig, die CDU/SPD zu unwillig, die Industrie zu träge. Auf jeden Fall war die Endloskanzlerin zu schwach.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Auch wenn ich dazu tendiere, Ihnen zuzustimmen, sehe ich in Demokratien das Henne-Ei-Problem: wenn Merkel nicht das umzusetzen versuchte, was die Wähler wollten, würde sie nicht wiedergewählt. Ich sehe als eigentliche Verantwortliche für den aktuellen Zustand vor Allem die Wähler, und die werden manipuliert von Medien und Werbung, die wesentlich in der Hand der (Super-)Reichen sind.

      Der Satz von Hr. Flasbarth gefällt mir. :-)

      • @shashikant:

        Die Wähler sind stetig für mehr Klimaschutz, auch im Vergleich zu den von ihnen gewählten Parteien.

        Viele Wähler wählen auch eine Partei (Die Grünen), die in vielen Politikfeldern links von ihrer eigenen Position steht, bloß weil die wirtschaftspolitisch "mittigeren" Parteien im Umweltschutz nichts zu bieten haben. Oder sie äußern sihc in Umfragen in der Mitte der Legislaturperiode zu Gunsten der Grünen. Ich sehe hier eher, dass eine Marktlücke von heimatlosen Wählern nicht gefüllt wird.

      • 9G
        91672 (Profil gelöscht)
        @shashikant:

        Es ist wohl so, wie Sie es beschreiben. Die eigentlich Verantwortlichen sind natürlich die Wähler. Aber es geht bei der Klimapolitik um was sehr Großes, nämlich um die Lebenswelt unserer Kinder.



        Es geht nicht darum, ob der eine oder andere Politiker bei irgendeiner Landtagswahl 1 oder 2 % rausschinden kann und dann für die nächste Landtagswahl einen Bonus in den Medien hat. Wenn Politiker nur diese Art von Parallelwelt betreiben, wie Monopoly, Schach oder Skat spielen, dann brauchen wir sie nicht. Politiker sollten die Weichen für ein Land und damit auch für die Menschheit stellen und sie sollten sich fühlen, wie ein Pilot: 'Wenn ich Mist baue, dann ist es auch mein Tod'.



        Ich wiederhole mich: Frau Merkel hat viel geredet, hat aber für unsere Zukunft keine Weichen gestellt.

        • @91672 (Profil gelöscht):

          Nach Fukushima 2011, als Merkel das Wasser umfragemäßig bis zum Hals stand, hat sie den Atomausstieg durchgesetzt.



          Deshalb müssen die Wähler aktiv sein und Druck auf Politiker ausüben.

  • tja, das ist unsere Regierung unter AM: worthülsige Leerankündigungen die man hinterher nicht umsetzen muss. . Man hatte ja auch nichts versprochen. .. was mich eigentlich wundert ist, dass die Qualitätsmedien bei AM immer wegschauen, Schröder oder Kohl wären in der Luft zerfetzt worden für weniger Versagen. ...

  • Laut de.wikipedia.org/wiki/Klimaschutz-Index war der größte Erfolg Deutschlands 2008 Platz 2, oder ist das falsch?