piwik no script img

Geldsegen aus dem NachtragshaushaltAlles für's Kind

Am Donnerstag beschließt das Abgeordnetenhaus das kostenlose Schulessen, auch das BVG-Schülerticket soll ab Sommer umsonst sein – auch für Gutverdiener. Eine gute Idee?

Da wäre noch Platz: SchülerInnen beim Mittagessen Foto: dpa

Vom Nachtragshaushalt, den Rot-Rot-Grün heute im Abgeordnetenhaus beschließen wird, sollen vor allem Kinder respektive Familien profitieren. So dürfen SchülerInnen ab nächstem Schuljahr kostenlos Bus und Bahn fahren. Für die ersten Monate sind dafür rund 20 Millionen Euro eingeplant. Bislang kostet eine BVG-Monatskarte für SchülerInnen 21,80 Euro pro Monat respektive 17 Euro im Abo. Kinder, deren Eltern auf Sozialleistungen wie Hartz IV angewiesen sind, fahren schon heute kostenlos. Für Berufsschüler ist kein kostenloses Ticket geplant.

Auch das Schulessen für GrundschülerInnen soll ab nächstem Schuljahr die Eltern nichts mehr kosten. Bisher zahlen Eltern an Grundschulen 37 Euro pro Monat. Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, zahlen 1 Euro pro Essen – sie müssen dafür aber einen Antrag stellen. In den Oberschulen wird das Essen nicht kostenfrei. Auch in den Kitas zahlen Eltern weiter: 23 Euro bzw. 20 Euro pro Monat, wenn sie Sozialleistungen beziehen.

Mit diesen Geschenken kommt R2G der vor allem von der SPD propagierten Idee einer kostenlosen Rundum-Bildung für alle immer näher. In den letzten Jahren hatte man die schrittweise Beitragsfreiheit für die Kita eingeführt. Bereits im März hatte das Parlament die Lernmittelfreiheit beschlossen: Mit Beginn dieses Schuljahrs mussten Eltern keine Zuzahlung mehr zu den Schulbüchern leisten. Beschlossen seit März ist auch die Beitragsfreiheit im Schulhort für Erst- und Zweitklässler, sie gilt ab kommendem Schuljahr. (Susanne Memarnia und Anna Klöpper)

Kostenfreiheit – eine gute Idee? Ein Pro und ein Contra:

Ja, unbedingt, meint Alke Wierth: Die Schule ist in der Pflicht!

Es ist doch ganz einfach: Wer Ganztagsschulen zum bildungspolitischen Ziel macht, muss auch dafür sorgen, dass die Schulkinder dort ein Mittagessen bekommen. Wer von 8 bis 16 Uhr oder länger wach, aufmerksam, lernwillig und zwischendurch (hoffentlich) auch noch mal sportlich aktiv sein soll, der braucht etwas zu essen – Punkt.

Schule soll Chancengerechtigkeit schaffen

Dass dafür die Schule re­spektive die Bildungsverwaltung zuständig ist, ergibt sich aus Paragraf 4 des Berliner Schulgesetzes, der ausdrücklich den Schulen die Verantwortung für den bestmöglichen Lernerfolg der ihnen anvertrauten Kinder überträgt – was leider allzu gern übersehen wird. Stattdessen werden die Eltern verantwortlich gemacht.

Dabei ist zur Genüge bekannt, dass Kinder, deren Eltern nicht fähig sind, den Schulerfolg ihrer Sprösslinge zu unterstützen, dafür im deutschen Bildungssystem einen hohen Preis bezahlen. Ist Schule aber nicht eigentlich der Ort, der gerade diesen Kindern, die von zu Hause keine guten Voraussetzungen mitbringen, bessere Perspektiven, Chancengerechtigkeit eröffnen soll?

Dass Kinder – wie es bisher durchaus geschieht – beim Mittagessen zusehen müssen, weil ihre Eltern aus Desinteresse oder aus sprachlichen Gründen (das darf keine Rolle spielen, denn dafür können die Kinder nichts!) den Abschluss eines Essensvertrags nicht hinbekommen, ist ein Missstand, den man weder ihnen noch dem Personal an den Schulen zumuten darf.

Zudem: Die bisher für das Schulessen verlangten Elternbeiträge decken kaum die Kosten für das Essen und sicher nicht die für die bislang nötige Elternbeitragsabrechnungsbürokratie. Mit der Abschaffung der Beiträge wird künftig also vermutlich eher noch Geld gespart.

Auf keinen Fall, sagt Stefan Alberti: Keine Ideologie finanzieren!

Ein gutes Mittagessen für umsonst für Kinder aus ärmeren Familien? Ein Kita- oder Hortplatz, für den hart arbeitende, aber wenig verdienende Eltern nichts bezahlen müssen? Ja, gerne! Aber warum sollen Gutverdiener dafür auch nichts zahlen müssen? Diese Frage haben auch Linke und Grüne schon mehrfach gestellt – dieses Mal blieben sie dazu in der rot-rot-grünen Koalition leider still.

Warum sollen die, die es können, nicht zahlen?

Die SPD rechtfertigt ihre Alles-umsonst-Politik meist mit zwei Argumenten. Das erste: Bildung solle grundsätzlich nichts kosten. Das zweite ist praktischer: Es sei zu aufwändig zu überprüfen, ob Eltern über oder unter einer fest zu legenden Einkommensgrenze liegen. Diese beiden Argumente kann man auch anders nennen: Ideologie und Unfähigkeit.

Denn warum sollen die, die es könnten, nicht für den Kita-Platz bezahlen? Und was ist das für eine Verwaltung, die nicht einen praktikablen Weg findet, das zu organisieren? Etwa den Satz „Ich verdiene/verdiene nicht mehr als …“ ankreuzen lassen, das Ganze stichprobenartig überprüfen, fertig ist die Laube.

Die Erklärung ist so einfach wie traurig: Die SPD war und ist zu feige, diese Grenze festzulegen, ab der Eltern zuzahlen müssten. Es wäre halt kein knackiger Wahlkampfslogan mehr gewesen, wenn die SPD erstmals 2006 nicht formuliert hätte „Wir machen die Kita beitragsfrei“, sondern „bis 80.(90., 100.)000 Euro Jahreseinkommen“ dahinter geschrieben hätte. Genau das kostet seither viele Millionen, mit denen sich Besseres tun ließe.

Aber wir haben's doch, es gibt ja zwei Milliarden Überschuss im Haushalt? Doch nur, weil andere Länder Berlin milliardenschwer subventionieren. Ja, Berlin mit all seiner Vielfalt braucht dieses Geld – aber nicht, um SPD-Ideologie zu finanzieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Als erstes sollte geändert werden das Schwarzfahren als Straftat geahndet wird. Meine Kinder 18 und 19J. alt haben leider noch keinen Arbeits und Ausbildungsplatz, bekommen kein ALG2 und bald auch kein Kindergeld mehr. Da ich sicher gehen will, dass sie nicht schwarzfahren und im Gefängnis landen und/oder sich verschulden gebe ich jeden Monat über 200€ für die BVG aus. Bei meinem geringen Verdienst gehe ich nur noch arbeiten um die BVG Kosten bezahlen zu können. Es würde mich mal interessieren wie viele von den eingesperrten Schwarzfahrern junge Menschen sind deren Leben und Lebenslauf durch unbezahlbare BVG Kosten zerstört wird.

  • 9G
    97663 (Profil gelöscht)

    Es ist doch wohl zumutbar und gerecht, dass gut verdienende Eltern einen Beitrag zur Finanzierung des Mittagsessens ihrer Kinder leisten oder eine Monatskarte bezahlen! Soziale Gerechtigkeit scheint für die SPD um Raed Saleh allerdings darin zu bestehen, die Besserverdienenden von ihrem fairen Anteil zu entlasten. Im Ergebnis fehlt dieses Geld an anderer Stelle, wo „Mitte/Oben“ es nicht so merkt. Man stelle sich dieses Prinzip mal in der Steuerpolitik vor und landet rechts von Friedrich Merz. Weil es aber um „die Bildung“, „unsere Kinder“, „ die Schulen“ etc. geht, anrührende Themen, kommt man politisch damit durch, den Anwalt aus Steglitz zu entlasten und privatisierte Schattenhaushalte für die Schulsanierung einzurichten. Für viele zählt ja eh nur der Blick ins eigene (gut gefüllte) Täschchen. Fortschrittlich ist daran allerdings gar nichts.