Biodiversitätskonferenz in Ägypten: Neue Regeln für Gentechnik
Betroffene Indigene müssen künftig gefragt werden. Sonst hat die Konferenz zum Artenschutz viel gestritten – und wenig geregelt.
Auf der Artenschutzkonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich, die am Donnerstagabend zu Ende gegangen ist, sind diese beiden Positionen heftig aufeinander geprallt. Die neuen technischen Möglichkeiten der synthetischen Biologie waren nur eines der Streit-Themen unter den 196 Vertragsstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD). Zwei Wochen lang haben sie versucht, einem neuen Artenschutzabkommen den Weg zu bereiten.
Ergebnis bei der synthetischen Biologie: Eine Arbeitsgruppe. Sie soll in den kommenden zwei Jahren die offenen Fragen klären. Zudem haben sich die Staaten darauf geeinigt, ein „Frühwarnsystem“ zu installieren, um besser auf neue technologische Entwicklungen reagieren zu können.
Zudem haben die Vertragsstaaten neue Regeln für Gene Drive beschlossen. Diese Gentechnik-Methode verändert die Vererbungsregeln in einem Organismus und sorgt dafür, dass sich eine definierte Eigenschaft innerhalb weniger Generationen komplett in einer Population ausbreitet. Wer künftig entsprechend manipulierte Mücken oder Pflanzen ausbringen will, muss vorher potentiell betroffene lokale oder indigene Gemeinschaften um Erlaubnis fragen.
Streit über Gen Drive
Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, lobt diese Regelung: „Die CBD-Delegierten machen klar, dass es sich hier um eine äußerst riskante Technologie mit hoher Sprengkraft handelt, die starker Regulierung bedarf.“ Die Nichtregierungsorganisation Save our Seeds hingegen kritisiert die gemeinsame Erklärung zum Gen Drive als „weit interpretierbare, allgemeine Apelle“ und schlussfolgert, das „millionenschwere Lobbying der Bill & Melinda Gates Foundation sowie der Interessenvertretungen der Gentechnik“ habe sich weitgehend durchgesetzt.
200 zivilgesellschaftliche Organisationen hatten die Staaten der CBD aufgefordert, ein Moratorium zum Gen Drive zu beschließen. „Auch wenn diese Entscheidung kein Moratorium bedeutet, wie wir es uns gewünscht hätten, so schiebt sie der Erforschung und Anwendung von Gene Drives doch klare Riegel vor“, sagt Unmüßig.
Auf einen besseren Schutz der Meere haben die Staaten zunächst verzichtet. Länder mit Grenzkonflikten – etwa die Türkei und Griechenland – haben eine Einigung über die Frage, ob Staaten Schutzgebiete auch ohne Rücksprache mit ihren Nachbarn vergrößern oder verkleinern können, verhindert. „Das sind spezielle Probleme, die lokal gelöst werden müssen“, sagt Günter Mitlacher, Leiter Internationale Biodiversitätspolitik bei der Umweltorganisation WWF. Er bedauerte, dass die Territorialkonflikte den Naturschutz dominiert hätten.
Nur eine vorläufige Einigung gab es auch bei einem weiteren sensiblen Punkt: dem Geld. Die Entwicklungsländer fordern, dass ein Abkommen zum Artenschutz verbindliche Regeln zur Finanzierung beinhaltet. In einem solchen Abkommen wären Vereinbarungen über Schutzgebiete, Formen der Landwirtschaft oder den Bau der Infrastruktur enthalten.
„Vor allem die Länder aus Afrika wollen wissen, was das kosten und wer dafür zahlen soll“, sagt Konstantin Kreiser, Leiter globale Naturschutzpolitik beim Umweltverband Nabu. 2016 haben die Industrienationen rund 6,1 Milliarden Euro für Artenschutz in die ärmeren Länder überwiesen. „Bei Finanzhilfen für den Süden ist Deutschland ein Musterschüler“, sagt Kreiser. Nur seine Hausaufgaben zu Hause erledige das Land nicht. Man könne nicht die Staaten Afrikas und Lateinamerikas zum Artenschutz aufrufen, und in Europa in den Verhandlungen zur gemeinsamen Agrarpolitik eine nachhaltige Landwirtschaft verhindern, sagt Kreiser.
Erhalt der biologischen Vielfalt in Europa gefordert
Ein „sofortiges Ende“ der Subventionierung von Naturzerstörung durch die EU-Agrarpolitik fordert auch die naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Steffi Lemke. Jetzt seien Verhandlungsgeschick und politische Signale nötig, um den Verlust der Artenvielfalt zu bremsen. Sie forderte ein Nothilfeprogramm für den Erhalt der biologischer Vielfalt in Europa.
Zur nächsten CBD-Konferenz in zwei Jahren in Peking laufen die sogenannten „Aichi-Ziele“ aus, mit der die „Convention on Biological Diversity“ das Artensterben aufhalten wollte. Dies gilt als überwiegend gescheitert. Bis 2020 müssen die Staaten nun ein neues Abkommen verhandeln.
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