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Kolumne Der rechte RandGehen oder bleiben?

In Kiel musste Sayn-Wittgenstein gehen. Im Kreis Stormarn geschah das Gegenteil. Warum extrem Rechte mal gehen müssen und mal nicht.

Und tschüss: Sayn-Wittgenstein muss gehen, andere Kollegen nicht Foto: dpa

Die Landtagsfraktion der AfD in Schleswig-Holstein hat die Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein wegen Unterstützung Rechtsextremer ausgeschlossen. In der AfD-Fraktion des Kreises Stormarn geschah das Gegenteil: Zwei Mandatsträger gingen, weil ihr Fraktionsvorsitzender Arnulf Fröhlich an einem rechtsextremen Kongress teilgenommen hat. Die Ereignisse der vergangenen Tage spiegeln die Zerrissenheit des Landesverbandes wieder. Hinter beiden Konflikten steht der Umgang mit der Leugnung des Holocausts.

Nach der Kommunalwahl im Mai war die AfD erstmals in den Kreistag eingezogen. Zwei der vier Abgeordneten, Annette Walther aus Oststeinbek und Michael Derlin aus Reinbek, haben jetzt aufgegeben. Beide wollten Fröhlich aus der Fraktion ausschließen, bekamen aber keine Mehrheit für den Rauswurf. Ute Wolker aus Bad Oldesloe wollte sich dem Antrag nicht anschließen, Fröhlich selbst wollte nicht gehen.

Walther ist zutiefst erschüttert, dass Fröhlich 1990 an dem Münchner Kongress „Wahrheit macht frei“ als Funktionsträger teilgenommen hat. In den 1990er-Jahren war das der Kongress für die harte rechtsextreme Szene. Als einer der Starredner trat der Holocaustleugner David Irving auf.

Nach der Kritik von weiteren AfD-Funktions- und Mandatsträgern erklärte Fröhlich, dass er damals als Student ein vielseitiges Interesse gehabt habe und schob schriftlich nach: „Ich stehe nicht hinter den Aussagen von Herrn Irving. Ich erkläre ausdrücklich und unmissverständlich, dass ich fest auf dem Boden der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland stehe, mir jeglicher Rassismus, Antisemitismus sowie Links- und Rechtsextremismus fern liegt“.

„Rechtsradikaler Kern“

Dennoch erklärten Derlin und Walther, Fröhlich habe sich nicht ausreichend von den Vorwürfen distanziert. Er sei nicht mehr tragbar. Der AfD-Kreisvorsitzende Olaf Kriewald teilt diese Einschätzung. Er hat Fröhlich schriftlich zum Rücktritt aufgefordert.

In der Landtagsfraktion fand indes der Rauswurf von Sayn-Wittgenstein schnell eine Mehrheit. Sie hatte eingeräumt, 2014 sich für den „Verein Gedächtnisstätte“ im thüringischen Guthmannshausen stark gemacht zu haben, dessen erste Vorsitzende die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel war.

Bei Fröhlich und Sayn-Wittgenstein ist unklar, ob Parteiausschlussverfahren folgen werden. „Der Rauswurf aus der AfD-Fraktion war ein längst überfälliger Schritt“, sagt Eka von Kalben, Fraktionschefin der Grünen. Diese Trennung ändere aber nichts daran, dass die AfD einen „rechtsradikalen Kern“ habe.

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1 Kommentar

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  • Frau v. Sayn-Wittgenstein kann es ja mal bei der israelischen "NGO" (nicht unerheblich mit deutscher Staatsknete finanziert) B´Tselem versuchen. Die stellt auch Holocaustleugner ein (s. z. B. hier: www.deutschlandfun...:article_id=317342 ). Und hat den Vorteil, dass Sigmar Gabriel sie lieb hat und dass sie in Deutschland auch außerhalb der offen antisemitischen Presse gern als "Menschenrechtsorganisation" bezeichnet wird (vgl. diesen taz-Artikel: taz.de/Exklusives-...-taz-vor/!5553564/ ; dort heißt es, dass B´Tselem sich als Menschenrechtsorganisation verstehe, und der Artikel widerspricht dieser Selbsteinschätzung nicht). Dann kann die Dame noch zur anerkannten Menschenrechtlerin werden - ohne Positionen aufgeben zu müssen, für die sie aus der AfD-Fraktion in Schleswig-Holstein geflogen ist. So einfach ist das in Deutschland, wenn es gegen die Juden geht. Man muss nur in der richtigen Organisation sein. (Ersatzweise genügt der richtige Migrationshintergrund mit dem richtigen Glauben, dann darf man bei "#Unteilbar" mitmarschieren, und dann lässt einen auch die deutsche Antifa in Ruhe. Aber diese elegante Lösung dürfte für Frau v. Sayn-Wittgenstein ausscheiden.)