Kommentar Parteiausschluss aus AfD: Bloß eine formale Abgrenzung

Parteiausschlüsse sind legitim, um die Position einer Partei zu verdeutlichen. Die AfD verteidigt dagegen nur die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder.

Die AfD-Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein

Wird aus der AfD ausgeschlossen? Die niedersächsische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein Foto: dpa

Es ist ein bemerkenswerter Zufall. Am gleichen Tag, an dem die SPD ein Ausschlussverfahren gegen den rechtslastigen Buchautor Thilo Sarrazin einleitet, hat auch der AfD-Bundesvorstand einen Parteiausschluss gegen Doris von Sayn-Wittgenstein, die AfD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, beantragt. Die Verfahren sind ähnlich, die Zwecke aber unterschiedlich.

Generell gilt: Parteiausschlüsse sind nicht undemokratisch, sie sind auch keine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Denn Parteien stehen nicht für das Ganze, sondern für einen Teil (lat. pars). Der Wettbewerb unterschiedlicher Parteien ist Kern der pluralistischen Demokratie. Es ist daher legitim, wenn Parteien Mitglieder ausschließen, die die Glaubwürdigkeit der eigenen Position schwerwiegend schädigen. Wer ganz andere Ziele verfolgt, soll sich eine andere Partei oder Organisation suchen oder im eigenen Namen aktiv werden. Die Meinungsfreiheit ist nicht verletzt, wenn man seine Positionen nicht als Mitglied einer bestimmten Partei vertreten kann.

Doch während die SPD den pseudowissenschaftlichen Hetzer Sarrazin aus tief empfundenem Unbehagen loswerden will, argumentiert die AfD wohl nur formalistisch. Sayn-Wittgenstein habe mit dem „Verein Gedächtsnisstätte“ einen Verein unterstützt, der auf ihrer Unvereinbarkeitsliste steht. Möglicherweise sei sie sogar Mitglied gewesen, ohne dies zu offenbaren. Auf dieser 13-seitigen Liste scheinen nur Organisationen zu stehen, die verboten sind oder vom Verfassungsschutz im Bund oder in mindestens einem Land beobachtet werden. Der „Verein Gedächtsnisstätte“, der ausschließlich das Andenken an deutsche Kriegsopfer pflegt, vertritt, so der niedersächsische Verfassungsschutz, revisionistische Positionen, relativiere die Opfer des NS-Regimes und stehe Holocaust-Leugnern nahe.

Die doppelt-formalistische Herangehensweise der AfD passt zu dieser Partei. Indem sie vor allem auf die Mitgliedschaft in anrüchigen Organisationen achtet, spart sie sich die inhaltliche Auseinandersetzung mit den rechtsextremistischen Äußerungen etwa eines Alexander Gauland, der die NS-Verbrechen als „Vogelschiss in 1000 Jahren deutscher Geschichte“ bagatellisierte. Und indem sie nur auf Einschätzungen des Verfassungsschutzes rekurriert, muss sie nicht näher begründen, warum die Dresdener Pegida auf ihrer Unvereinbarkeitsliste fehlt.

Letztlich bleibt es bei der AfD-Devise: Sie ist so rechts, wie es der Verfassungsschutz gerade noch akzeptiert. Hier geht es nicht um bewusste Abgrenzung von rechtsradikalen Positionen, weil man diese schließlich selbst vertritt. Es geht lediglich um die Wahrung der beruflichen Interessen der AfD-Mitglieder.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.