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Abschiebungen in FrankreichParis zeigt Härte gegen Migranten

Frankreich setzt auf mehr Abschiebungen. Der neue Innenminister Castaner sagte, er sei für strengere Verfahren.

2017 hatten in Frankreich so viele Menschen einen Asylantrag gestellt wie nie zuvor Foto: ap

BERLIN taz | Frankreich schiebt deutlich mehr abgelehnte Asylbewerber ab als in der Vergangenheit. Bis Ende des Jahres dürften es rund 18.000 sein, das sind etwa ein Fünftel mehr als im Vorjahr. „Die Amtsübernahme durch diese Regierung war ein Wendepunkt im Kampf gegen illegale Migration“, sagte Innenminister Christophe Castaner bei der Vorstellung der Abschiebezahlen in der französischen Nationalversammlung.

Mitte September war eine Verschärfung des Asylrechts in Kraft getreten. Asylanträge müssen nun innerhalb von 90 statt 120 Tagen nach Ankunft gestellt werden, Asylverfahren in sechs statt elf Monaten abgeschlossen sein, die Widerspruchsfrist bei Ablehnungen wurde auf zwei Wochen begrenzt. Umgekehrt können abgelehnte Asylsuchende nun 90 Tage statt wie zuvor nur 45 Tage in Haft genommen werden.

2017 hatten etwa 100.000 Menschen einen Asylantrag in Frankreich gestellt. Das waren zwar weniger als halb so viele wie in Deutschland, markierte für Frankreich aber einen Rekord. 2018 könnte die Zahl bis Ende des Jahres die 100.000 noch übersteigen. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel im September in Marseille hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch gesagt, Deutschland und Frankreich wollten aus der Migration „eine Chance machen, keine Befürchtung“. Die Aussage war offenbar auf den Ausspruch von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gemünzt, Migration sei „die Mutter aller politischen Probleme“.

Doch Innenminister Castaner, der auch Vorsitzender der Macron-Bewegung „La République en Marche“ ist, setzt angesichts der gestiegenen Asylzahlen vor allem auf mehr Ausweisungen und Abschiebungen. „Ich bin für strengere Verfahren und eine strengere Anwendung der Auflagen, das Land zu verlassen“, sagte Castaner, der erst Mitte Oktober sein Amt ange­treten hat. „Dies ist die Botschaft, die ich an die gesamte Entscheidungskette weiter­geben werde.“

Beef mit Italien

Ende Oktober hatte Italiens Rechtsregierung sich darüber beschwert, dass Frankreich Flüchtlinge und Migranten nach einem Grenzübertritt aus Italien direkt zurückbringt. Die italienischen Behörden behaupten, dass französische Beamte die Grenzlinie missachten und Migranten in den Wäldern zwischen dem italienischen Alpendorf Claviere und der französischen Stadt Montgenèvre abladen. „Italien ist nicht mehr das Flüchtlingslager Europas“, sagte der italienische Innenminister Matteo Salvini. Er ordnete an, dass Italiens Armee die Grenzregion kontrolliert.

Castaner sagte zu, die Zusammenarbeit bei den Grenzkontrollen zu verbessern, forderte aber strengere Maßnahmen ­gegen die undokumentierte Einwanderung in Italien. Frankreich hat die Grenze zu Italien in der Region um die ligurische Stadt Ventimiglia für Flüchtlinge seit Jahren geschlossen. Auch die Zahl der direkten Zurückweisungen aus Frankreich nach Spanien ist in diesem Jahr stark gestiegen: Bis Mitte Oktober schickte Frankreich 10.500 Menschen in das westliche Nachbarland zurück.

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1 Kommentar

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  • 9G
    91381 (Profil gelöscht)

    Das ist die logische Schlussfolgerung aus 2015/16. Migration war sehr lange (seit den 60-er Jahren) ein sich aufbauendes Thema. Viele Statistiken wurden erstellt und die Auswirkungen der Migration in Studien untersucht – aber geregelt wurde kaum etwas. Die meisten europäischen Staaten haben sich in einer Blase immer stärkerer Öffnung befunden.

    Migration und offene Grenzen (für jeden – und damit auch jeden der der inländischen Bevölkerung Schaden zufügt) hatten ein paar negative Effekte, aber es tat noch nicht so richtig weh.



    Nicht einmal die Aufstände in den Banlieues 2005ff. in Frankreich, Sammelbecken der fr. Gastarbeiter nach dem Familiennachzug, haben zu einem nennenswerten Umdenken geführt.

    Durch die Flüchtlingstracks 2015/16, die Lager von Calais und die im südl. Europa ansteigende Jugendarbeitslosigkeit – auch hervorgerufen durch die Förderung des Kinderkriegens mit Geld, aber ohne Verpflichtung – und die steigenden Sozialausgaben, bricht jetzt hervor, was zu lange versteckt wurde. Das Schmuddelkind, was kaum eine PolitikerIn anfassen wollte – sie konnte damit nur verlieren.

    Unendliche (also grenzenlose) Solidarität ist schwierig, wenn selbst jemand, der nur Sozialleistungen erhält (in Frankreich, Niederlande, Dänemark, Deutschland, …) sich zu den privilegierten 10% der Weltbevölkerung zählen lassen muss.



    Ja, richtig gelesen – der WELTBEVÖLKERUNG. Warum wird wohl bei der Analyse der Solidarität die Grenze immer so gezogen, dass man selbst noch Anspruch hat?

    Nun schwingt das Pendel schlicht zurück.



    Die, denen die Kosten dieser Entwicklung immer aufgebürdet wurden – also die Steuerzahler – schauen genauer hin, ob sie dafür weiter gemolken werden wollen.