Linken-Politikerin zu Merkel und Hessen: „Es wäre mehr möglich gewesen“

Die hessische Linke hat den Wiedereinzug in den Landtag geschafft, konnte der SPD aber kaum Wähler abluchsen. Janine Wissler sagt, was ihre Partei besser machen muss.

Janine Wissler und Jan Schalausken klatschen

Zufrieden mit dem Ergebnis: Spitzenkandidaten Janine Wissler und Jan Schalausken applaudieren Foto: dpa

taz: Frau Wissler, seit wann hört denn die CDU auf die Linke? Kaum hat ihre Parteivorsitzende Katja Kipping den Rücktritt Angela Merkels verlangt, kündigte diese am Montag ihren Verzicht auf CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur an.

Janine Wissler: Das zeigt natürlich die Krise der Großen Koalition und speziell auch der CDU, dass da gerade so viel ins Rutschen kommt. Die Frage ist, wer nach Merkel kommt. Wenn Jens Spahn oder Friedrich Merz nachfolgen, kann es sein, dass die CDU nach rechts rutscht.

Wäre Ihnen das als Linke recht? Gregor Gysi hat ja immer gefordert, die CDU müsse wieder konservativer werden.

Wenn sich der politische Diskurs dann noch weiter nach rechts verschiebt und eine noch unsozialere Politik gemacht wird, kann uns das nicht recht sein.

Lassen Sie uns über die Hessische Landtagswahl reden: die Linke ist wieder in den Landtag eingezogen, aber die Umfragen sahen besser aus, als die 6,3 Prozent, die die Partei am Ende geholt hat. Sind Sie ein klein wenig enttäuscht?

Nein, enttäuscht bin ich nicht. Wir haben unsere West-Bastion verteidigt und ausgebaut. Es ist super, dass die Fraktion um 50 Prozent wächst. Wir haben neun Mandate geholt. Auf acht Mandate hatten wir gehofft, das neunte hielten wir für unwahrscheinlich. Von daher sind wir zufrieden.

Wäre mehr möglich gewesen?

Ja, es wäre mehr möglich gewesen.

Warum hat es dann nur zu 6,3 Prozent gereicht?

Wir haben ein ziemliches Stadt-Land-Gefälle. In den Großstädten konnten wir richtig zulegen, in Frankfurt etwa sind wir zweistellig. Aber wir haben eben auch die weißen Flecken in den Landkreisen, wo uns nur um die vier Prozent der Menschen wählen.

Janine Wissler ist Linken-Parteichefin. Die taz hatte am Montag in einer Recherche offengelegt, dass die 43-Jährige und andere deutsche Po­li­ti­ke­r*in­nen und Prominente auf einer Liste der russischen Social Design Agency geführt werden, die seit mindestens 2022 massiv Desinformationskampagnen auch in Deutschland organisiert.

Die SPD hat elf Prozent verloren, die Linke einen Prozent zugelegt. Warum konnte die Linke nicht mehr enttäuschte SPD- Wähler von sich überzeugen?

Das ist kein gutes Verhältnis, das ist klar. Und wir müssen uns fragen, wie wir es verbessern können. Im Wahlkampf habe ich oft gehört: „Ihr sagt die richtigen Sachen, aber ihr regiert ja dann doch nicht und könnt sie nicht umsetzen.“

Also liegt es an der fehlenden Regierungsoption?

Vielleicht. Auch wenn wir immer deutlich machen, dass grundlegende Verbesserungen gesellschaftlichen Druck brauchen – egal, wer regiert.

Wären Sie ein rot-rot-grünes Bündnis eingegangen, wenn es gereicht hätte?

Das hätten wir von den Inhalten abhängig gemacht. Gesprächen hätten wir uns auf jeden Fall nicht verweigert. Aber ich war von vornherein nicht allzu optimistisch, dass es klappt.

Was kann die Linke sonst noch besser machen?

Eine stärkere gesellschaftliche Verankerung. Darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren. Wahlen gewinnt man ja nicht sechs Wochen vorher im Wahlkampf, sondern zwischen den Wahlen.

Zu den Grünen sind 104.000 ehemalige SPD-WählerInnen gewandert, zur Linken nur 25.000. Was machen die Grünen besser?

Aus hessischer Sicht kann ich mir den Erfolg der Grünen nicht erklären. Ich war auf vielen Podien, die repräsentativ besucht waren, wo Grüne und CDU nicht ein einziges Mal Applaus bekommen haben. Ob in der Wohnungspolitik oder in der Bildung, beide Parteien haben da ziemlich auf die Mütze bekommen. Mein Eindruck ist: Die Grünen wurden stark vom Bundestrend getragen.

Ist das ein Hype, der wieder vergeht?

Es ist jedenfalls ein Modell, das man nicht ewig fahren kann. Derzeit gewinnen die Grünen Stimmen sowohl von der CDU als auch von der SPD, weil sie sich nicht wirklich festlegen. Damit sind sie für viele, die von der Groko enttäuscht sind, erst mal eine Alternative. Merkel-Anhänger können die Grünen wählen, SPD-Wähler auch. Und viele sehen die Grünen als Gegenpool zur AfD, weil sie Menschlichkeit und Weltoffenheit ausstrahlen – was nicht immer im Einklang zu ihrer realen Politik steht.

Und die Linke strahlt das offenbar nicht aus. Liegt es an der Uneindeutigkeit in der Flüchtlingspolitik? Im Parteiprogramm steht zwar „offene Grenzen“, aber Sahra Wagenknecht fordert Wirtschaftsmigration zu stoppen.

Sahra Wagenknecht hat jedenfalls noch keiner einzigen Asylrechtsverschärfung zugestimmt, die Grünen schon. Aber ja: es wäre hilfreicher, wenn wir in der Migrationspolitik mit einer Stimme sprechen würden.

Im November soll es ein klärendes Treffen von Partei- und Fraktionsvorstand geben. Was erhoffen Sie sich?

Es ist gut und sinnvoll, dass es stattfindet. Wir müssen da eine ehrliche und offene Debatte führen und ein paar Dinge klären.

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