: Folge 1347: Muttergefühle
SOAP Als die Serienschauspielerin Nela Schmitz schwanger wurde, hatte sie Sorgen: Verliere ich jetzt meinen Job? Passt mein Bauch ins Drehbuch?
VON CATARINA VON WEDEMEYER
Was passiert, wenn mein Bauch wächst? Sieht man mir das schon an? Was macht die Produktion damit? Schmeißen sie mich aus der Serie? Muss ich eine Geburt spielen? Wollen sie, dass Bente abtreibt? Traue ich mir zu, nein zu sagen? Bewege ich mich schwanger? Kann ich das überhaupt – Mutter sein?
Die Gedanken rauschten Nela Schmitz nur so durch den Kopf. In jeder Drehpause, in jedem Moment, in dem die Regie sich besprach, in jedem Augenblick, in dem sie gerade nicht in ihrer Rolle der Bente Westphal war. Auf dem Ultraschallbild war ein Pünktchen. Eindeutig.
Neun Wochen später. Nela schüttelt die bequemen Plastiklatschen von den Füßen und schaltet um. Jetzt ist sie Bente Westphal, die selbstständige Unternehmerin, die karrieresüchtige Bankerin mit High Heels aus falschem Schlangenleder. Sie stöckelt ins Behandlungszimmer, setzt sich auf eine Liege und schlägt die langen Beine übereinander, vor ihr sitzt die Ärztin auf einem Drehstuhl. Bis auf die Kameras, die vielen verkabelten Männer und die fehlende vierte Wand ist alles genau wie in einem echten Krankenhaus. Auch das Licht ist zu hell.
„Frau Westphal, Sie und Herr Vanlohen freuen sich doch auf das Baby?“ „Er weiß es noch gar nicht.“ „Dann ist Ihr Zögern privater Natur?“
Bente nickt. Folge 1347. Im Drehbuch steht: Bente spürt zum ersten Mal Muttergefühle.
Als Nela im November letzten Jahres bei „Rote Rosen“ in Lüneburg anfing, war sie 26 Jahre alt und wog nur 60 Kilo – bei einer Körpergröße von 1,73. Inzwischen sind es 66,2 Kilogramm. Drei Kilo davon sind die Brüste, sie hat sie gewogen. Sie senkt den Kopf, ihre schlanken Hände liegen auf dem Bauch. Er wölbt sich. Wenn sie sich zwischen zwei Szenen umzieht, steht Nela manchmal halbnackt vor dem Spiegel. Sie hält inne. Ihr Körper wird nie wieder so, wie er mal war. Aber schon zuckt sie mit den Schultern: „Mein Körper ist halt grad vermietet.“
Nela ist jetzt in der 16. Woche schwanger, Bente in der 7. Der Bauch dürfte also lange nicht so groß sein. In der neunten Woche musste Nela der Produktion Bescheid sagen, die Schauspielerin wollte Rücksicht auf die Drehbuchautoren nehmen. Also überwand sie ihre Angst, ging zu Christoph Schubenz, dem Producer, und versuchte, ihm das Ganze als Idee für die Geschichte zu präsentieren. Schubenz reagierte abweisend.
Bente schwanger? Das gehe nicht. Die Geschichte sei schon geschrieben, keine Chance. Als alles nichts half, sagte Nela den unvermeidlichen Satz: „Ich bin schwanger.“ Und der Producer wiederholte: „Das geht nicht.“ Am Ende klärte sich das Missverständnis doch noch auf und drei Autoren schrieben die Geschichte in ein paar Nächten um. In Folge 1345 bemerkt Bente beim Aufwachen, dass sie schwanger ist. Im Drehbuch steht: Bente rechnet hektisch nach. Ist sie etwa überfällig?
Im Drehbuch steht auch, wer der Vater des Kindes ist. Vincent Vanlohen. „Who’s your Daddy“ liest man hinten auf dem Gürtel des Schauspielers, der in knallorangefarbenem Hawaiihemd und Sonnenbrille am Drehort erscheint. Das ist seine private Kleidung, als Vincent trägt er Anzug und Krawatte. Heute soll er jemanden umbringen, es wird wie ein Unfall aussehen. Eilig raucht der Schauspieler seine Zigarette und meint, es sei schon beeindruckend, zu sehen, „wie ein weibliches Wesen zur Frucht wird“. Seit sie schwanger ist, habe Nela mehr Schutzinstinkte entwickelt. „Und ihre Nase kann durch Wände riechen.“
Als Bente erfährt, dass sie schwanger ist, hat sie schon begonnen, an der Beziehung zu Vincent zu zweifeln. Außerdem entdeckt sie gerade ihre Zuneigung zu Mick, dem blond verwuschelten Surferboy der Telenovela. Als der Schauspieler beim Mittagessen sitzt, lächelt er immer noch genauso wie Mick, den er spielt, und sieht immer noch genauso blond verwuschelt aus. Nur das T-Shirt ist ein bisschen schicker. In einer der zukünftigen Szenen wird Bente den Surfer bitten, die Vaterrolle für ihr Kind zu übernehmen. Das kommt Nela entgegen, denn sie versteht sich auch privat ganz gut mit Mick alias Tobias Rosen.
Für Thomas Bartholomäus, den echten Vater, sind Sätze wie „Willst du der Vater meines Kindes sein?“ nicht so einfach, erzählt Nela auf dem Weg nach Berlin. Sie fährt einen dunkelgrünen Peugeot Cabrio aus den Achtzigern, die Heckscheibe ist aus Plastik und mit Tesafilm geflickt. Mitten auf der Autobahn klappt sie plötzlich das linke Bein unter oder klemmt den besockten Fuß zwischen Autofenster und Armaturenbrett. Ihre blonden Haare haben sich längst aus der schnieken Bente-Frisur gelöst und so langsam kommen auch die Sommersprossen wieder unter der Schminke zum Vorschein. Vor der Windschutzscheibe schmilzt eine Schokolade, auf dem Rücksitz liegt ihr Hund. Um ihn zu riechen, muss man nicht schwanger sein.
In Nelas wahrem Leben ist die Vatersituation nicht ganz so kompliziert wie in der Serie. Zusammen mit ihrem Freund, dessen zwei Kindern und besagtem Border Collie lebt die Schauspielerin in Berlin, alle freuen sich auf das Überraschungsbaby. Beide Eltern trauen dem momentan etwa zwölf Zentimeter großen Menschen in Nelas Bauch genügend Bewusstsein zu, um zwischen dem echten und den fiktiven Vätern zu unterscheiden.
Vor schwierigen Szenen erzählt die Schauspielerin ihrem Kind im Bauch deshalb jedes Mal kurz, was passieren wird. Und dass Vincent nicht sein echter Vater ist.
Als man ihn auf die Serienväter anspricht, reagiert Thomas erstaunlich locker. Er ist selbst Schauspieler und versteht den Körper deshalb vor allem als Werkzeug. Auch den Körper seiner Freundin. Auch für „Rote Rosen“. Auch nackt. „Und unser Baby fängt eben sehr früh an zu schauspielern“, sagt Thomas und blickt zu seiner Freundin. Trotzdem habe das Kind momentan am meisten Anrecht auf Nelas Bauch, da sind sich die Eltern einig. Beide sind froh, dass sie keine Abtreibung spielen muss, das möchten sie ihrem Kind nicht zumuten. Auch eine Geburt hätte sie in ihrem Zustand nicht gespielt, sagt Nela. Sie will keine Frühwehen riskieren.
Tatsächlich reagiert die Schauspielerin seit der Schwangerschaft viel unmittelbarer auf emotionale Szenen. „Nicht so kopfig, sondern eher bauchig“, sagt sie.
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