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Zinsen auch für Asylbewerber

Der Landkreis Göttingen muss algerischer Familie zu Unrecht vorenthaltene Leistungen verzinsen

20 Jahre Sozialleistungen – weil die Arbeitserlaubnis fehlte

Rechtswidrig vorenthaltene und später nachgezahlte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen nach einem Gerichtsurteil verzinst werden. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Donnerstag in einem Grundsatzverfahren mit Bedeutung für ganz Deutschland entschieden, teilte der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam mit (Az B 7 AY 2/18 R). Das BSG hob auf eine Revision der Kläger anderslautende Urteile der Vorinstanzen auf.

Adam hat in dem Verfahren eine aus Algerien geflüchtete Familie vertreten. Sie lebt dem Anwalt zufolge seit 1993 in Deutschland und hat mehr als 20 Jahre vom Landkreis Göttingen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen, weil die Ausländerbehörde den heute 63 und 57 Jahre alten Eltern der Familie keine Arbeitserlaubnisse erteilte.

Für den Zeitraum vom 1. Juni 2009 bis zum 31. Dezember 2010 habe der Landkreis nach einer erfolgreichen Klage der Familie weitere Kosten der Unterkunft als zusätzliche Grundsicherungsleistungen zahlen müssen, die vorher rechtswidrig vorenthalten worden seien. Die Verzinsung der Nachzahlung habe die Behörde jedoch abgelehnt. Nach der BSG-Entscheidung muss der Kreis der Familie nun aber Zinsen in Höhe von 783,75 Euro nachzahlen.

Das BSG habe damit erstmals für den Rechtsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes festgelegt, dass erfolgreich eingeklagte Nachzahlungen zu verzinsen seien, sagte Adam. Bislang habe die Rechtsprechung die Klagen auf die Verzinsung solcher Nachzahlungsansprüche in der Regel damit zurückgewiesen, dass dafür keine Rechtsgrundlage bestehe: „Das BSG sieht dies anders und hat den Landkreis zur Gewährung von Prozesszinsen nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verurteilt.“ Die Urteilsbegründung des Gerichts lag am Mittwoch zunächst noch nicht vor. (epd)

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