piwik no script img

Superfood der Gründerzeit

Die Banane ist die erste Frucht, die mit massivem Marketing schmackhaft gemacht wurde: Das legte früh den Grund für eine problematische Vorliebe

Straßenszene in Boston 1917: Der Charme der Händler war den Fruit Companies nicht gut genug. Direkt nach dem Weltkrieg preisen PR- Kampagnen auf der ganzen Nordhalbkugel den Bananen-Konsum Foto: Hine/LoC,CC

Von Calendal Klose

Heute würde sie Superfood heißen. So wie die Importwirtschaft seit 2009 mit dem Schlagwort erfolgreich den Absatz für Quinoa und Avocado in den Industrieländern ankurbelt– sehr zum Nachteil der Anbauregionen. Und so ging es der Banane – mit desaströsen Folgen für ihre Herkunftsländer – vor rund 100 Jahren.

Sie wurde zum Gegenstand massiven Marketings, das zunächst unkoordiniert ab dem Ersten Weltkrieg zu echten PR-Kampagnen im gesamten globalen Norden avancierte: Die rühmten die Wundereigenschaften der Frucht oder erdichteten sie: 44-mal so nährstoffhaltig wie die Kartoffel sei die Banane, das ist so eine Werbebotschaft, die um 1900 auch in Europa Fuß zu fassen beginnt, in Deutschland natürlich vom Norden her. Ab 1894 empfiehlt die Hamburgische Schulzeitung, ein Organ für den nationalistischen und kaisertreuen Volksschullehrer, den Aufsatz „Die Banane“ mit den Zöglingen zu besprechen, der die Vielseitigkeit dieser Frucht und die Abhängigkeit der Tropenbevölkerung von ihr anschaulich macht. Ständig wiederkehrendes Thema ist die Banane in der Gartenlaube, dem Lifestyle-Magazin jener Zeit: Mal raunt sie von einem „Diner“, das „in Kuba neulich gegeben“ wurde, „in dem alle Beilagen und Kompotte aus Bananen hergestellt wurden“, ein anderes Mal wird die Banane in einer Special-Edition als „die neue Weltfrucht“ gefeiert. Das ist 1908 und die Autoren hinken da der wirtschaftlichen Entwicklung etwas hinterher: „Wollte man Bananen von den Kanarischen Inseln oder von Westindien nach Europa bringen“, heißt es im Leitartikel im Irrealis, „so müßte man sie noch völlig unreif pflücken, in Erwartung, daß sie während der Reise nachreifen würden.“

Unreif pflücken: Auf die Idee sind die Fruchthändler da schon gekommen. Die Reifung wird aber aufs Zielland verlagert. Ab 1892 gibt es laut Kerstin Wilkes Dissertation „Die deutsche Banane“ Einfuhren, zunächst ausschließlich nach Hamburg, wo die Firma Olff & Sohn die Bananensparte beherrscht. Anfangs kommen die Lieferungen unregelmäßig und oft erst nach einem Zwischenstopp in England, aber das ändert sich noch vor dem Ersten Weltkrieg: In Bremen gründet Gustav Scipio 1909 die spezialisierte „Jamaika-Bananen-Import GmbH“, die Direkteinfuhren sicherstellt, 1910 richtet die „Oldenburgisch Portugiesische Dampfschiffs-Rhederei“ einen Liniendienst von den Kanarischen Inseln nach Hamburg ein, aus Kamerun, das damals deutsche Kolonie ist, liefert die Woehrmann-Linie. Statt zu konkurrieren machen die Bremer und Hamburger gemeinsam Reklame: „Werbung. Verein zur Hebung des Früchte- und Gemüse-Verbrauches“ wird von ihnen dafür 1927 gegründet.

Die „Eat More Fruit“-Kampagne der britischen Fruit Federation kopieren sie, 1928 haben sie einen gemeinsamen Stand auf der Berliner Ernährungsmesse, verteilen Gratispostkarten und lassen Bananenkochbücher drucken und Werbefilme drehen, die Sensation machen. Noch weiter gehen Elders & Fyffes, Marktführer in England, die 1923 eigene Alu-Münzen prägen mit einem Geschäftsführerporträt anstelle von King George V. und dem Aufdruck: „EAT BANANAS“.

Die symbolische Aufladung durchs Marketing macht es schwierig, unbefangen über Bananen zu schreiben. Die Motive haben sich verbunden, neue Verwendungen greifen die Konnotationen mit auf: Natürlich fällt mir sofort die Nutzung der Banane durch Andy Warhol ein, und ihre Wiederverwendung durch Thomas Baumgärtel und Banksy. Mir fällt ein, dass die Banane immer noch für rassistische Übergriffe in Fußballstadien genutzt wird, dass die erste Banane der DDR Bürger*innen auf dem Titanic-Cover eine Gurke war, und dass vergangenen Samstag in Duisburg Erdoğan-Anhänger gegen eine Baumgärtel-Ausstellung demonstriert haben.

Angebaut wird heute die Sorte Cavendish, eine Züchtung von Joseph Paxton, der um 1830 Gärtner beim Grafen von Cavendish war. Sie hat die Gros Michel ersetzt, deren Geschmack wir im Mund haben, wenn wir künstliches Bananen-Aroma nutzen: In den 1960ern bereitete Tropical Race 2, kurz TR2, oder auch die Panamakrankheit der Big Mike ein Ende. Die Unmengen von Unkrautvernichtern und Fungiziden, mit denen die großen Bananen-Gesellschaften Plantagen, Land und Leute vergifteten konnten dem Erreger, einem Pustelpilz, nichts mehr anhaben.

Cavendish hingegen ist resistent gegen TR2. Für den europäischen Markt wird sie hauptsächlich in Mittel- und Südamerika angebaut, in Costa-Rica, Kolumbien und Ecuador.

Die Bananen werden grün geerntet, gewaschen und eingepackt, dann auf Kühlschiffe gebracht: Das schockfrostet die Bananen auf 12 Grad, um die Ethylen-Produktion der Früchte zu bremsen. Wenn sie im Zielhafen ankommen, werden sie kontrolliert und in Reifekammern gefahren, in denen unter Zufuhr von Ethylen der Reifeprozess wieder beschleunigt wird. Während dieses Prozesses werden etwa 30 Prozent der Bananen wegen kleinerer Mängel weggeschmissen.

Ein Kilo Bananen kostet gerade nur 7 Cent mehr als ein Kilo heimischer Äpfel, und es werden in Deutschland pro Kopf pro Jahr zwölf Kilo Bananen gegessen, einsame EU-Spitze. Das hat auch politische Ursachen: Bananen waren bis 1993 in der Bundesrepublik zollfrei. Konrad Adenauer (CDU) hatte 1957 gedroht, ohne Bananensonderweg die ganze EWG scheitern zu lassen, und so wurde im Bananenprotokoll, einem Anhang der Römischen Verträge, diese Ausnahmeregelung fixiert. Folge: Sie waren in der BRD viel günstiger als im Rest Europa. Und während die BRD förmlich in Bananen badete, bekam man sie in der DDR fast nie. Nach dem Mauerfall wurde im Osten Deutschlands die Banane ein extrem begehrtes Lebensmittel, dessen Konsum sich erst 1996 wieder an den im Westen anpasste.

Die Cavendish wird derzeit bedroht durch TR4 eine Mutation des TR2 Pilzes. Es gibt erste Erfolge bei der Züchtung einer Veränderten Cavendish, die wiederum gegen den mutierten Pilz immun sein soll, sonst heißt es am Ende doch: „Yes! We have no bananas“, so wie in Frank Silvers berühmtem Song. Und die Industrienationen müssen lernen, auf ihr Superfood zu verzichten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen