Kabarettist Helmut Schleich über CSU: „Die Messer sind schon aufgeklappt“
Der Münchner Kabarettist Helmut Schleich erwartet nach der Bayern-Wahl ein Gemetzel in der CSU – und wünscht sich inzwischen schon Strauß zurück.
taz: Herr Schleich …
Helmut Schleich: Wir reden jetzt aber nicht nur über den Söder, hoffe ich mal!
Nein, nein, aber ich fürchte, ganz ohne ihn wird’s nicht gehen. Der drängt sich irgendwie auf.
Komisch, gell?
Es geht um Folgendes: Sie müssen uns bitte erklären, was in Bayern gerade abgeht. Unsere Leser im Norden kennen sich überhaupt nicht mehr aus.
Mit Verlaub, aber die haben sich noch nie ausgekannt. Manchmal denke ich mir schon: Haben die Norddeutschen gar kein anderes Feindbild? Manchmal wird Bayern – auch in der taz – dargestellt, als wäre es die Hölle auf Erden. So schlimm ist es aber nicht.
Helmut Schleich, 51, zählt zu den renommiertesten Kabarettisten Bayerns. Seine Paraderolle ist seit einem Auftritt beim Singspiel auf dem Nockherberg 2010 die des Franz Josef Strauß. Im Bayerischen Rundfunk ist er mit seiner Sendung „SchleichFernsehen“ zu sehen.
Noch nicht, aber es drohen Berliner Verhältnisse, hört man. Die CSU steht laut Bayerntrend nur noch bei 33 Prozent. Was ist da los?
Das Bayern von heute ist nicht mehr das von vor 30 Jahren. Die Bevölkerungsstruktur hat sich stark geändert. Gerade in der südbayerischen Boom-Region sitzt nicht mehr der Bayer, der die Einheit aus Staatspartei, Bergen, Bier und Blasmusik als seine Identität begreift. Die Bevölkerung ist hier so vielfältig strukturiert wie in Berlin oder anderen europäischen Metropolen.
Das ist aber ein langer Prozess, der nicht den zu erwartenden historischen Absturz gegenüber der letzten Wahl erklärt. 2013 hat die CSU noch 47,4 Prozent geholt.
Natürlich kam in der Zwischenzeit das Flüchtlingsthema dazu, das für viele Leute ein absolutes Reizthema ist. Außerdem hat der Seehofer es früher ganz gut verstanden, die verschiedenen Flügel seiner Partei zu vereinen. Aber die, die im Moment bei der CSU den Ton angeben, haben das völlig aus dem Blick verloren. Die sind vor allem Produzenten ihrer selbst. Wenn man schaut, was der Söder die letzten Jahre gemacht hat, dann war das ein einziges Sägen an dieser Struktur der CSU, um selber nach oben zu kommen.
Es heißt doch immer, Markus Söder habe sich ein so effektives Netzwerk in der Partei aufgebaut.
Das wird womöglich überschätzt. Der Söder ist Franke, oder wie wir hier sagen: Er kommt aus den Kolonien. Und die sehr mächtige oberbayerische CSU ist ihm gegenüber wohl nur im Erfolgsfall loyal. Außerdem hat er mit markigen Sprüchen und unüberlegten Äußerungen viele Parteifreunde in der Mitte vergrault hat. Die wollen so einen Egomanen nicht als führende Figur der CSU sehen. Ich denke, mittlerweile sind die Messer in der Tasche schon aufgeklappt.
Das heißt, die legendäre Geschlossenheit der CSU hält nur noch bis zum 14. Oktober?
Das ist gut möglich. Natürlich bräuchte die Partei dann sehr schnell eine Ersatzlösung. Wenn die wirklich die Rebellion wagen, bliebe momentan eigentlich nur die Ilse Aigner. Und der wird ja immer nachgesagt, dass ihr das Alpha-Gen fehlt.
Sie könnte ja im Amt wachsen.
Was ja fast jeder tut. Nur beim Söder war’s ein bisschen anders.
Früher haben Leute wie Sie einen Stoppt-Strauß-Button am Parka getragen, heute monieren Sie, dass ein Söder halt doch nicht an das Format eines Strauß rankommt. Ist das nicht eine verkehrte Welt?
Buttons habe ich zwar keine getragen, aber es stimmt: Strauß war das große Feindbild. Vielleicht ist es ein bisschen Sentimentalität, dass ich mir manchmal wünsche, da säße einer, an dem man sich richtig reiben kann, gegen den man aus handfesten Gründen sein kann. Es gibt ja jetzt auch diese Demonstrationen in München. Die sind von ihrer Größe her schon beachtlich, aber das hat für mich etwas von Polit-Wellness. Da geht es um Anstand, und man ist gegen die Politik der Angst, was alles wichtig ist; aber es ist nichts Handfestes. Gegen die dritte Startbahn am Flughafen München würden leider keine 40.000 Leute auf die Straße gehen. Man darf aber den echten Strauß auch nicht mit dem Mythos verwechseln, der heute gepflegt wird. Letztlich mache ich das ja auch, in dem ich ihn im Kabarett als satirisches Stilmittel verwende. Strauß war aber auch nur ein Politiker.
Söder sieht sich als rechtmäßigen Erbe von Strauß.
Natürlich. Das tun sie alle. Allen voran Stoiber, der ja mehr ein sprechender Aktendeckel war.
Sie sehen in Söder nichts, was ihn für Strauß’ Fußstapfen geeignet erscheinen ließe?
Ganz ehrlich: Nein. Für mich hat die Rolle des Ersatzkönigs nach Strauß am ehesten noch der Seehofer ausgefüllt.
Der wurde einst als der Messias in Bayern bejubelt – jetzt gibt er aber in dem Drama von der untergehenden CSU nur noch den tragischen Helden ab.
So brutal es klingt: Es scheint ihm nur noch darum zu gehen, den Erfolg, den er selbst der CSU beschert hat, zu zerstören, damit der Nachfolger auf keinen Fall davon profitieren kann. Nach dem Motto: Wenn’s schon rum ist, dann gehen wir aber beide. Außerdem treibt ihn der tiefsitzende Groll gegen Merkel an.
Und dafür verrät er seine eigenen Überzeugungen?
Wer kennt schon die Überzeugungen von Horst Seehofer? Möglicherweise nicht mal er selber. Aber das ist tatsächlich sehr befremdlich. Ich mache auch gar keinen Hehl daraus, dass ich den Seehofer nicht für den allerschlechtesten Ministerpräsidenten gehalten habe. Dass er jetzt dermaßen versucht, verbrannte Erde zu hinterlassen, ist traurig.
Jetzt haben wir viel über die CSU geredet …
… was wir eigentlich vermeiden wollten.
Dann lassen Sie uns über die SPD reden: Ist es hoffnungslos nostalgisch, wenn man mit der SPD Mitleid hat? Immerhin gab es auch in Bayern schon große Sozialdemokraten.
Ja? Wen?
Zum Beispiel den Vater der bayerischen Verfassung, Wilhelm Hoegner, oder den Münchner Alt-OB Hans-Jochen Vogel …
Das ist sehr lange her. Nein, mit der SPD darf man nicht das geringste Mitleid haben. Wenn man bei jeder Gelegenheit seine Wähler verrät und sich der Macht an den Hals wirft, dann ist es irgendwann mit der Glaubwürdigkeit vorbei. Da gibt es kein Mitleid.
Aber das war die SPD im Bund.
Na und? Was ist denn an der Bayern-SPD so toll? Ihre Chefin Natascha Kohnen plakatiert: „Anstand“. Ist das jetzt auch schon eine politische Forderung? Oder der Titel des Wahlprogramms: „Zukunft im Kopf, Bayern im Herzen“. Wenn man sich die Zukunft der SPD vorstellt, dann ist wohl nicht so wahnsinnig viel drin im Kopf. Und dass Frau Kohnen Bayern im Herzen haben soll – das wirkt zumindest nicht so. Die bessere CSU sein zu wollen – das kann doch nicht funktionieren. Wenn sich die bayerische SPD auf den Wesenszug des Bayern als Grantler konzentriert hätte, da hätte sie ihre Nische finden können. Aber jetzt ist es eh gelaufen.
Gibt es denn gar keinen Grund mehr, die SPD zu wählen?
Ich wüsste keinen. Ich hab’ so einen Zorn auf diese Partei. Auch wenn sie’s eigentlich gar nicht mehr wert ist.
Klingt ein bisschen nach enttäuschter Liebe.
Ich gebe zu: Ich war selber lange in der SPD. Ich bin in den Achtzigern eingetreten und war anfangs auch aktiv. Später war ich aber nur noch Karteileiche.
Früher war die SPD ja eine Volkspartei – sogar in Bayern. Momentan beklagen alle den Niedergang der Volksparteien. Was steht eigentlich dagegen, wenn sich das Parteiensystem völlig neu ordnet?
Gar nichts. Eigentlich hat sich auch gar nicht so viel verändert: Wir haben in Bayern immer noch einen rechten Block von etwa 50 bis 60 Prozent und daneben einen linken Block von 30 bis 35 Prozent. Es verteilt sich halt nur auf mehr Parteien.
Besonders scheinen die Grünen von der Krise der CSU zu profitieren. Ist Grün das neue Schwarz?
Die Grünen haben sich schon gewaltig verändert. Einen Personality-Wahlkampf wie den einer Katharina Schulze hätte es früher nicht gegeben. Die lechzt ja förmlich nach einem Ministeramt. Ich denk’ mir da immer: Nichts erlebt, aber regieren wollen. Um was es wirklich gehen soll, außer um sie selber, ist mir nicht ganz klar.
Darum, grüne Politik in Bayern umzusetzen?
Ja, aber was heißt das schon? Gut, das mit den Volksbegehren gegen Olympia hat sie damals schon gut gemacht. Aber ihr Auftreten hat eine gewaltige Penetranz.
Sie ist ja nur die eine Hälfte des grünen Spitzenduos.
Der Ludwig Hartmann ist eine andere Nummer. Der fängt aber erst an, bekannt zu werden. Obwohl er ja schon seit zehn Jahren im Landtag sitzt. Aber das war immer schon eine Spezialität der bayerischen Grünen, dass sie ihr Führungspersonal komplett unbekannt gehalten haben – bis Frau Schulze kam.
Wäre Schwarz-Grün ein denkbares Szenario für Bayern?
Vorstellbar ist das schon. Der pragmatische Zugang zur Macht ist ja in beiden Parteien stark ausgeprägt. Für die Grünen wären bayerische Staatsministerposten aber nicht ohne. Und die CSU ist mit allen Wassern gewaschen. Fünf Jahre in der Regierung als Juniorpartner können eine Partei zermürben. Die FDP hat das in Bayern schon erlebt.
Richtig überraschen würde Sie also gar nichts?
Doch. Wenn die Grünen, die Freien Wähler, die SPD und die FDP an der CSU vorbei eine Regierung bilden würden. Nach dem neuesten Bayerntrend wäre das rein rechnerisch sogar möglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Prognose zu KI und Stromverbrauch
Der Energiefresser
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen