Europäisch-kanadischer Handelspakt: Kein Ceta-Stopp durch Parlamente
Die Ablehnung eines nationalen Gesetzgebers reicht nicht aus. Eine offizielle Mitteilung der jeweiligen Regierung sei nötig, meint die EU-Kommission.
Ceta war im vergangenen September von der EU und Kanada vorläufig teilweise in Kraft gesetzt worden. Damit gelten alle Bestimmungen, die ausschließlich in den Kompetenzbereich der EU fallen, etwa der Wegfall fast aller Zölle. Nach der Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedsstaaten soll Ceta endgültig und vollständig in Kraft treten.
Kritiker des Abkommens befürchten ein Absenken von Verbraucherstandards in der EU und mehr Einfluss für Unternehmen, etwa durch spezielle Ausschüsse, die sogenannte regulatorische Kooperation. Diese Ausschüsse, in denen Industrievertreter Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können, haben sich bereits konstituiert.
Nicht tätig sind dagegen spezielle Gerichte für Unternehmen, vor denen Klagen gegen politische Entscheidungen möglich sind. Diese Sonderklagerechte werden erst wirksam, wenn Ceta ratifiziert ist. Die italienische Regierung hat erklärt, das Abkommen nicht absegnen zu wollen. Damit könnte die vorläufige Inkraftsetzung von Ceta weitergehen, denn es gibt kein Datum, bis zu dem der Pakt angenommen sein muss.
Italien will Ceta nicht
Aber auch wenn ein Parlament wie das in Rom die Ratifizierung ablehnt, wird das Abkommen wohl nicht gestoppt. Was geschehe, wenn ein einzelnes Parlament die Ratifizierung ablehne, hänge zwar von dem jeweiligen nationalen Verfahren ab, teilte eine Sprecherin der EU-Kommission auf taz-Anfrage mit. „Aber ich möchte betonen, dass eine einfache Ablehnung des Parlaments nicht ausreichen würde, damit die Ratifizierung fehlschlägt“, sagte sie.
Es wäre die offizielle Mitteilung an den Rat erforderlich, „dass der Ratifizierungsprozess nicht abgeschlossen ist und auch nie abgeschlossen werden wird“. Die vorläufige Anwendung des Abkommens werde eingestellt, wenn eine nationale Regierung formell mitteile, dass die Ratifizierung von Ceta „dauerhaft und endgültig wegen einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts oder nach Abschluss anderer verfassungsmäßiger Verfahren scheitert“, so die Sprecherin.
Zweifel an Ceta nährt eine neue Studie über den Einfluss der Industrielobby auf die Gesetzgebung in der EU. Die Kapitel zur „regulatorischen Kooperation“ seien „teilweise nahezu exakt aus Unternehmenstexten kopiert worden“ heißt es in der Studie, die vom europäischen Netzwerk „Allianz für Lobbytransparenz und ethische Regeln in der EU“ (ALTER-EU) in Brüssel veröffentlicht wurde.
Bei der „regulatorischen Kooperation“ geht es um technischen Normen und Standards, aber auch um Umwelt- und Sozialgesetze. Durch die allzu vertrauensvolle Zusammenarbeit bei Ceta und anderen Handelsabkommen sei die EU-Gesetzgebung „gekapert“ worden, kritisieren die Autoren von ALTER-EU. Daran habe sich auch seit dem vorläufigen Inkrafttreten von Ceta nichts geändert.
Wenn sich der Eindruck festsetze, dass die EU nur den Interessen von „Big Business“ folge, stärke dies die Nationalisten und Populisten, warnt Nina Katzemich von Lobbycontrol. „Die Wahlen zum EU-Parlament sind ein guter Zeitpunkt, den Kampf gegen überbordende Macht der Konzerne auf die politische Agenda zu setzen“, fordert sie. Auch Ceta gehöre erneut auf den Prüfstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
Trumps Wahlsieg in den USA
Gaga für MAGA
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Trump erneut gewählt
Why though?
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?