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EU-Sondergipfel zur MigrationspolitikBloß keinen reinlassen

Beim Sondergipfel rückt die EU vom Thema Flüchtlingsverteilung ab. Vorrangig soll es um die Abriegelung der Außengrenzen gehen.

Abschottungspolitiker unter sich: Sebastian Kurz, Viktor Orban und Lars Lokke Rasmussen Foto: ap

Brüssel taz | Mehr Zusammenarbeit mit Ägypten und anderen autoritären Staaten Nordafrikas, weniger verpflichtende Solidarität innerhalb Europas: Darauf einigten sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Sondergipfel in Salzburg zur Migrationspolitik. Entsprechende Beschlüsse sollen bis Jahresende folgen.

Der Gastgeber, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, sprach von einer „Trendwende“. Es sei gelungen, einen „stärkeren Fokus auf den Außengrenzschutz“ zu legen. Die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU sei hingegen nur noch ein „Randthema“. Ausdrücklich lobte er das Militärregime in Kairo. Es sei „sehr effizient im Kampf gegen illegale Migration“, so Kurz.

Allerdings sträubt sich die Führung in Kairo bisher, in ihrem Land Auffanglager zu errichten, wie es der letzte reguläre EU-Gipfel im Juni beschlossen hatte. Die Gespräche über eine „vertiefte Zusammenarbeit“ mit Kairo seien noch ganz am Anfang, hieß es in Salzburg.

Noch im Frühstadium sind auch die Pläne für einen Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, Frontex bis 2020 mit 10.000 Mitarbeitern und neuen Kompetenzen auszustatten. Bei den Beratungen in Salzburg habe es aber „keine nennenswerten Fortschritte“ gegeben, kritisierte Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Der Brexit ist jetzt Chefsache

Der Luxemburger sprach sich für einen neuen Ansatz in der besonders umstrittenen Frage der Umverteilung aus. Er rückte von dem Prinzip ab, dass alle Mitgliedstaaten Flüchtlinge aufnehmen müssten. Stattdessen könnten Länder, die keine Menschen aufnehmen wollen, andere Beiträge zur Migrationspolitik leisten, so Juncker: „Die einen nehmen Flüchtlinge auf. Die, die das nicht wollen, die müssen sich in Sachen Solidarität bewegen.“ Kanzlerin Angela Merkel äußerte jedoch Vorbehalte gegen diesen Ansatz. „Es kann nun auf keinen Fall sein, dass jeder sich aussuchen kann, was er gerne machen möchte“, sagte sie nach Ende des Treffens.

Keinen sichtbaren Fortschritt gab es beim zweiten großen Thema, dem Brexit. Die EU-Chefs konnten sich nicht einmal darauf einigen, einen Sondergipfel im November einzuberufen, um den Austrittsvertrag mit Großbritannien in letzter Minute zu besiegeln. Zwar wurde ein neuer Termin ins Auge gefasst; endgültig will man sich aber erst beim nächsten regulären Treffen Ende Oktober festlegen.

Beim Brexit konnten sich die EU-Chefs nicht mal auf einen Sondergipfel einigen

Neu ist immerhin, dass der Brexit nun wohl endgültig zur Chefsache geworden ist. Die EU-Lenker ließen sich zwar noch von EU-Verhandlungsführer Michel Barnier über den letzten Stand informieren. Doch von nun an wollen sie selbst die Regie übernehmen. Dabei zeichnet sich eine harte Linie ab. EU-Ratspräsident Donald Tusk erteilte dem Plan der britischen Regierung zur Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit eine Absage. Der Plan von Premierministerin Theresa May „wird nicht funktionieren“, sagte er.

Am Rande des Treffens wurde bekannt, welche Lösung sich die 27 verbleibenden EU-Chefs wirklich wünschen: „Wir wollen, dass das beinahe Unmögliche passiert, dass das Vereinigte Königreich ein weiteres Referendum abhält“, sagte Maltas Regierungschef Joseph Muscat. Es gebe unter den Regierungen eine „fast einstimmige“ Unterstützung für diese Idee.

Allerdings hat May eine zweite Volksabstimmung ausgeschlossen. Auch eine Verlängerung der Verhandlungen lehnt sie ab. „Wir wissen alle, dass die Zeit knapp wird, aber eine Verlängerung oder Verzögerung beim Brexit ist keine Option“, sagte sie in Salzburg. Damit läuft nun alles auf einen Showdown im Herbst hinaus.

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