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Zehn Jahre nach der FinanzkriseDas nächste Beben kommt

Die Kreditinstitute haben noch immer zu wenig Eigenkapital. Auch von Schattenbanken geht Gefahr aus, sie sind sogar gewachsen.

Das war' mit Lehman Brothers. Aber die Krise ist nicht gebannt Foto: reuters

Die Finanzkrise war ein Schock – mit dem aber alle irgendwie gerechnet hatten. Selbst Laien ahnten lange vorher, dass es eigenartig war, dass sich die Hauspreise in den USA in nur wenigen Jahren verdoppelt hatten.

Zwischen Januar 2004 und Sommer 2005 verzehnfachten sich bei Google die Suchanfragen zum Begriff „Immobilienblase“, und die US-Medien erwähnten das Wort im Jahr 2005 bereits 3.447 Mal. Selbst jenseits des Atlantiks erkannte man früh, dass sich in den USA eine Finanzkrise anbahnte. Ab 2005 diskutierten auch deutsche Medien, ob sich eine Immobilienblase in den USA aufpumpte.

Doch naiv nahmen die meisten an, dass nur eine „normale“ Rezession drohen würde. Fast niemand erwartete ein weltweites Finanzbeben. Zu den Spätmerkern gehörte auch der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der die Zeichen der Zeit noch nicht einmal erkannte, als die US-Investmentbank Lehman Brothers bereits zusammengebrochen war.

Noch am 28. September erklärte Steinbrück im Bundestag frohgemut: „Die USA – darauf lege ich gesteigerten Wert – sind der Ursprung der Krise, und sie sind der Schwerpunkt der Krise. Es ist nicht Europa, und es ist nicht die Bundesrepublik Deutschland.“ Dies erwies sich leider als Irrtum. In Deutschland liefen immense Schäden auf, weil viele hiesige Banken ein allzu großes Rad auf den Finanzmärkten gedreht hatten.

„Nur“ 691 Milliarden Dollar

Lehman Brothers war keineswegs die erste Bank, die in Schwierigkeiten geriet. Bereits im Februar 2007 brachen die ersten Fonds in den USA zusammen; im Juli 2007 musste die IKB gerettet werden, im August 2007 die SachsenLB. Neu war bei Lehman nur, dass die Bank nicht aufgefangen, sondern in den ungeordneten Konkurs geschickt wurde.

Die US-Regierung traf die Entscheidung gegen Lehman, weil es eine eher kleine Bank war. Die Bilanzsumme betrug „nur“ 691 Milliarden Dollar, und zudem war es eine reine Investmentbank, die keine Einlagen von normalen Sparern hatte. In Washington glaubte man, dass niemand Lehman vermissen würde – weswegen man auch vergaß, die europäischen Regierungen zu informieren.

Merkel und Steinbrück stellten sich publikumswirksam vor die Kamera, um den Sparern und Sparerinnen zu versprechen, „dass ihre Einlagen sicher sind“.

Es kam bekanntlich anders als gedacht. Mit der Pleite von Lehman Brothers geriet die Finanzkrise endgültig außer Kontrolle, denn nun trockneten die Geldmärkte komplett aus. Banken und Fonds gewährten sich gegenseitig keine Kredite mehr, so dass über Nacht selbst gesunde Institute vor dem Zusammenbruch standen.

Um das Chaos zu stoppen, blieb den Regierungen keine Wahl: Sie mussten alle Bankguthaben garantieren. Merkel und Steinbrück stellten sich publikumswirksam vor die Kamera, um den „Sparern und Sparerinnen“ zu versprechen, „dass ihre Einlagen sicher sind“. Ein einziger ungeordneter Konkurs hatte gereicht, um Regierungen weltweit zu überzeugen, dass man sich weitere Bankpleiten nicht leisten konnte.

Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise von 1929

Der Schaden war jedoch geschehen: Mit der Lehman-Pleite sprang die Finanzkrise auf die Realwirtschaft über. Die Aktienkurse brachen ein, Investitionen wurden aufgeschoben, der Konsum lahmte, die Kreditvergabe stockte, die Arbeitslosigkeit stieg. Die deutsche Wirtschaftsleistung schrumpfte im Jahr 2009 um 5,1 Prozent, ein einsamer Negativrekord in der Geschichte der Bundesrepublik.

Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise von 1929 wurden wach, doch die Politiker hatten die historische Lektion gelernt. Diesmal wurde nicht in die Krise hinein gespart, sondern die meisten Länder legten Konjunkturpakete auf. Auch Deutschland gab knapp 50 Milliarden Euro aus, um die Wirtschaft zu stützen. Berühmt-berüchtigt wurde beispielsweise die „Abwrackprämie“.

Unerwartete Hilfe kam zudem aus China. Peking schob das größte Konjunkturprogramm an, das die Welt jemals gesehen hat. 2009 betrug es mehr als 19 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung. Das ist beispiellos, wie der englische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze feststellt: Derartige Ausgaben habe es im Westen „nur zu Kriegszeiten“ gegeben. China stimulierte damit nicht nur sein eigenes Wachstum, sondern wurde erstmals zur Lokomotive für die gesamte Weltwirtschaft. Seither tritt Peking auf internationalen Konferenzen mit deutlich gesteigertem Selbstbewusstsein auf, zu Recht.

Ansonsten aber war die Lehman-Pleite keine Zäsur, sondern nach der Krise ist vor der Krise. Alle Experten rechnen damit, dass sich jederzeit ein neues globales Finanzbeben ereignen kann. Denn an den zentralen Koordinaten hat sich nichts geändert. Die Banken haben weiterhin viel zu wenig Eigenkapital. Auf nur drei Prozent der Bilanzsumme muss es bis 2018 steigen, so sieht es das internationale Abkommen „Basel III“ vor. Sobald eine neue Finanzkrise anrollt, wären die Banken also wieder pleite und müssten vom Staat gerettet werden, weil ihr Verlustpuffer nicht ausreicht.

Den Reichen nicht geschadet

Nach der Finanzkrise wurden zwar viele tausend Seiten an Vorschriften verfasst, um die Banken besser zu regulieren. Doch die Spekulation wurde nicht gebremst. Besonders beunruhigend: Die „Schattenbanken“ sind noch größer geworden – also die unregulierten Geldmarktfonds, Investmentfonds oder Holdinggesellschaften.

Podcast zur Finanzkrise

Ulrike Herrmann im taz-Pod­cast zum Jahrestag der Lehman-Pleite. Ab Freitagmittag auf www.taz.de/podcast.

Der Ökonom Rudolf Hickel hat die Statistiken der G20-Gruppe ausgewertet: „Es fällt auf, dass das weltweite Finanzvermögen nur noch zur Hälfte durch die regulierten Banken bewegt wird. Ende 2015 wurde das Geschäftsvolumen der Schattenbanken auf 75 Billionen Dollar geschätzt. Davon galten 34 Billionen Dollar als ex­trem riskant. Das sind 13 Prozent der gesamten Finanzaktivitäten und 70 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.“

Eine neue Finanzkrise ist auch deswegen wahrscheinlich, weil der letzte Crash den Reichen gar nicht geschadet hat. Nach nur zwei Jahren hatten sie mehr Vermögen als zuvor. Gelitten haben die Armen, die ihre Jobs und Häuser verloren oder deren Löhne seither kaum gestiegen sind. Für die Vermögenden lohnt es sich nicht, eine Finanzkrise zu vermeiden. Daher kommt die nächste bestimmt.

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5 Kommentare

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  • Wieso zwei Jahre später? Es waren 6 als der Oktober-2008 Wert im Dow wieder erreicht wurde.



    Wieso nur die Reichen? Auch der Normalbürger musste nach meiner Beobachtung keinesfalls Massenarbeitslosigkeit erdulden.



    Und mal ganz nebenbei. Wann überhaupt wurden denn die Reichen mal arm, und zwar systemisch und alle?



    Gibts da ein Vorbild und wie gings denn aus, wenn es die gab die Geschichte?



    Weltuntergangssehnsucht wie mir scheint?

  • Aus deutschen Landen voll ins Gesicht!



    mailtütenfrisch -;)(

    www.taz.de/Zehn-Ja...anzkrise/!5533579/



    Jedoch ein "schöner" Börsenkrach



    hallt offensichtlich länger nach...







    Am Bangster-Jubiläumstach



    da wird die Presse wieder wach.



    Ein Thema wird reanimiert,



    das manche Zeitungsseite "ziert".







    Viel lieber hör ich aber die



    Crash-Poesie von der Marie



    www.youtube.com/watch?v=aoXrd3_3fYI

    Wie wahr - No Kommentar

  • “Sobald eine neue Finanzkrise anrollt, wären die Banken also wieder pleite und müssten vom Staat gerettet werden, weil ihr Verlustpuffer nicht ausreicht.”

    Ist halt die Frage, ob man diese Banken retten muss. Mir wäre es lieber man täte es nicht. Das hätte natürlich Konsequenzen für deren Kunden. Aber vielleicht lernen die Menschen ja dann das sie sich mal mit dem Thema auseinandersetzen müssen und damit meine ich jetzt nicht politisch, sondern inhaltlich. Wer einen Großteil seines Vermögens auf Konten herumliegen lässt, anstatt es zu investieren, dem ist nicht mehr zu helfen.



    Die Einlagensicherung ist eine “Sicherheit” von der jeder weiß das sie im Zweifelsfall höchstens bei einer kleinen Bank funktioniert und nicht bei vielen großen.

    “Doch die Spekulation wurde nicht gebremst.”

    Es ist nicht so das man nicht versucht hätte Spekulanten das Leben schwer zu machen. Allerdings ist es schwierig Regulatorien zu erlassen, die der Realwirtschaft und Privatkunden nicht schaden und gleichzeitig effektiv sind.

    Der Kauf/Bau des Eigenheims zum Beispiel ist für viele Privatpersonen durch die Regulatorien enorm erschwert worden. Früher musste es die Bank nicht interessieren ob man mal kurzfristig ohne Arbeit war, solange die Raten weiter gezahlt wurden. Wer heute seinen Job verliert ist sein Haus schnell los. Da bekommt man einen Brief von der Bank in dem dazu aufgefordert wird zusätzliche Sicherheiten einzubringen und ab sofort einen unverschämten Zinssatz zu zahlen und entsprechend hohe monatliche Raten. Wer das nicht kann (was fast niemand kann) der ist die Bude innerhalb einiger Wochen los. Das sind die geliebten Regulatorien, von denen man unter Linken so schwärmt!^^

    Jeder ordentliche Kapitalist weiß das es alle ~10 Jahre eine “Krise” (Marktkorrektur) gibt. Das ist kein Bug, sondern ein Feature.

  • Das nächste Beben kommt. Muss so sein. Ist Mathematisch unvermeidlich. Systeme deren Werte über alle Grenzen wachsen kann man nicht stabil regeln. Lernt jeder Regelungstechniker am ersten Tag im Studium. Diese Mathematik existiert seit über 200Jahren. Wirtschaftsleute behaupten immer um die gegensätzlichen Interessen in der Waage halten zu können braucht man Wachstum. Findet den Fehler...

  • Probieren wir's mit abzählen; der letzte macht das Licht aus.