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Kommentar von Klaus Hillenbrand über die Proteste zum Erhalt des Hambacher ForstsSie haben die Republik verändert

Noch ist die letzte Entscheidung über den Hambacher Forst nicht gefallen. Ein Gericht muss darüber befinden, ob die Abholzung angesichts des besonderen ökologischen Werts rechtskonform ist. Die nordrhein-westfälischen Landespolitiker könnten immer noch signalisieren, dass sie das schmutzige Geschäft mit dem Klimakiller Braunkohle nicht länger tragen wollen. Der Kohle-Riese RWE könnte zu der Einsicht gelangen, auf die Abbaggerung des Waldes zu verzichten.

Doch seien wir ehrlich: Wahrscheinlich ist das nicht. Wenn der Wald in den nächsten Monaten fallen sollte, dann stirbt ein kleines Stück Ökologie in Deutschland. Das wäre furchtbar – doch eine Niederlage für die Umweltschützer, die diesen Wald so lange beschützt haben, wäre es nicht. Ihren Erfolg können ihnen nämlich weder die Bagger von RWE noch Polizei-Hundertschaften nehmen. So paradox es klingt: Sie haben gewonnen, auch wenn sie den Wald verlieren sollten.

Der Erfolg von Widerstand in einer Demokratie misst sich nicht nur daran, eine konkrete Planung zu verhindern. Demnach hätten die Castor-Gegner verloren, denen es nicht gelungen ist, die Züge vor Gorleben zu stoppen. So betrachtet wäre auch der Protest gegen Stuttgart 21 vergeblich gewesen, weil der Bahnhof dennoch gebaut wird, und hätten die Initiativen gegen Fluglärm nichts gebracht, weil auch weiterhin geflogen wird.

Doch all diesen vordergründig vergeblichen Protesten ist eines gemeinsam: Sie haben die Republik verändert. Niemand käme heute mehr auf die Idee, neue Atomkraftwerke zu propagieren. Bei der Bahn sind nach den Protesten um Stuttgart 21 alle anderen Projekte für unterirdische Großstadtbahnhöfe in der Mülltonne gelandet. Und kein Flughafenbetreiber besitzt auch nur den Hauch einer Chance, bestehende Nachtflugverbote einzuschränken.

Alle diese Initiativen haben, ebenso wie die Schützer des Hambacher Forsts, durch einen konkreten Protest eine zuvor allgemein akzeptierte Sichtweise infrage gestellt. Ihr gewaltloser Widerstand ist in den Köpfen angekommen und hat die Meinungen in der Bevölkerung verändert. Die Waldschützer mögen ihren Kampf um die Bäume verlieren, im Streit um die öffentliche Meinung sind sie so oder so zu Helden geworden – und RWE und die Landesregierung in Düsseldorf zu Deppen.

Mag sein, dass es den Braunkohle-Verfeuerern gelingen wird, diesen einen Wald zu fällen und ein bestehendes Loch noch tiefer zu graben. Doch dies wird ein teuer erkaufter und verdammt kurzfristiger Sieg für sie sein – der letzte, bevor das Kapitel Braunkohle in Deutschland abgeschlossen wird.

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