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Arbeiterproteste in SüdchinaStreikführern droht die Verschleppung

In Shenzhen protestieren seit Wochen Arbeiter einer Fabrik. Die Behörden gehen rabiat dagegen vor. Und die Gewerkschaften sind oft den Bossen hörig.

Shenzhener Aktivisten, die Fabrikarbeiter unterstützen, versuchen eine Gewerkschaft zu gründen Foto: reuters

Peking taz | In China kommt es trotz der autoritären Regierung immer wieder zu Streiks und Arbeiterprotesten. Allein 2017 sollen es Zehntausende gewesen sein. Die Zentralregierung lässt viele auch gewähren. Solange korrupte Unternehmer an den Pranger gestellt werden und Proteste auf einen Betrieb beschränkt bleiben, gehören sie zu den „inneren Widersprüchen“ eines Landes, wie sie in den Staatsmedien zuweilen bezeichnet werden. Schließlich ist die Volksrepublik „kommunistisch“.

Doch sobald sich Aktivisten vernetzen, es in anderen Landesteilen gar zu Solidaritätskundgebungen kommt, ist es mit der Toleranz rasch vorbei. Mit aller Härte wird dann gegen die AktivistInnen vorgegangen. So auch in diesen Wochen beim Schweißmaschinenhersteller Jasic Technology in der südchinesischen Stadt Shenzhen. Seit anderthalb Monaten kommt es vor den Fabriktoren des Maschinenherstellers zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen zwischen ArbeiterInnen und UnterstützerInnen auf der eine Seite und der Unternehmensleitung und Sicherheitskräften auf der anderen. Die Jasic-ArbeiterInnen hatten es gewagt, eine eigene Vertretung zu gründen. Sie sehen ihre Rechte unzureichend vertreten. Das Management feuerte daraufhin sieben von ihnen.

Als die Arbeiter Ende Juli erneut gegen die Firmenleitung auf die Straße gingen und die Wiedereinstellung forderten, schlugen Schlägertrupps der Firma mit Hilfe der Polizei den Protest nieder. Laut der in Hongkong ansässigen unabhängigen Arbeiterorganisation Sacom wurden 29 Demonstranten festgenommen. 14 sind bis heute in Haft.

In Chinas sozialen Medien sprach sich das brutale Vorgehen der Behörden rasch herum. Sacom zufolge forderten Demonstranten mehrfach vor der lokalen Polizeistation die Freilassung aller Aktivisten. Spätestens das alarmierte die Staatsführung. Am 11. August war die Aktivistin Shen noch auf einem Video zu sehen und hielt eine Rede: „Die Fabrik gibt den Arbeitern keine Gerechtigkeit, die Gesellschaft auch nicht.“ Laut Augenzeugen wurde sie wenig später von drei unbekannten Männern gezwungen in ein Auto zu steigen. Seitdem fehlt von ihr jede Spur.

Protestierende verschwinden oftmals

Der Fall scheint typisch für China. Offiziell ist die Volksrepublik ein Arbeiter- und Bauernstaat. Doch in der Realität lassen die Machthaber nur eine Form der Arbeitnehmervertretung zu: der Allchinesische Gewerkschaftsbund (ACFTU) unter dem Dach der kommunistischen Führung. Dieser Gewerkschaftsverband mit über 130 Millionen Mitgliedern wird vom Staat gesteuert. Seine Funktionäre vertreten oft die Interessen der Bosse.

Letztes Jahr sorgte ein ähnlicher Fall für Furore. Fu Tianbo war Leiharbeiter beim Gemeinschaftsunternehmen des staatlichen Autokonzerns FAW in der nordchinesischen Stadt Changchun. 40 Prozent des Unternehmens gehören Miteigentümer VW, FAW hält 60 Prozent. Fu hatte einen Protest organisiert, der für Leiharbeiter die gleichen Löhne wie für Festangestellte fordert. Er berief sich auf das seit 2016 geltende Arbeitsrecht, das gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit vorsieht.

Der offizielle Gewerkschaftsverband vertritt oft die Interessen der Bosse

Fu und Kollegen verhandelten sieben Runden mit dem Management und zogen gar vor Gericht – vergeblich. Darauf protestierten sie vor dem Werkstor. Die Polizei nahm ihn fest wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“. Immerhin ließ VW die betroffenen Leiharbeiter inzwischen fest einstellen. Doch wie die Aktivistin Shen in Shenzhen bleibt auch Fu verschwunden.

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