Kommentar EU-Bericht zu Ungarn: Keiner weiß, wo die Eskalation endet
Präsident Orbán zeigt sich uneinsichtig und sieht die Ehre Ungarns verletzt. Selbst in der ungarischen Opposition trägt sein Populismus Früchte.
S o geht Populismus. Viktor Orbán war nicht nach Straßburg gekommen, um das angedrohte Artikel-7-Verfahren durch taktisches Einlenken zu verhindern: „Sie werden jenes Ungarn verurteilen, das seit Tausend Jahren Mitglied der Familie der christlichen europäischen Völker ist“. In einer für heimischen Konsum angelegten Brandrede ging er auf die Vorwürfe im Segantini-Bericht gar nicht ein: Abbau der Pressefreiheit, Verfolgung von NGOs, Eingriffe in die akademische Freiheit, ausufernde Korruption. Vielmehr nimmt er sein Volk in Geiselhaft, da „der vor Ihnen liegende Bericht die Ehre Ungarns, die Ehre des ungarischen Volkes verletzt“.
Das wirkt. Selbst Teile der ungarischen Opposition üben sich im Schulterschluss. So verurteilte die rechtsextreme Jobbik den Bericht. Die grün-liberale LMP findet ihn zwar inhaltlich richtig, stimmte aber im Europaparlament dagegen.
Für Orbán ist klar: Es geht der EU nicht um Demokratie und Menschenrechte. „Man will Ungarn verurteilen, weil die ungarischen Menschen beschlossen haben, dass unsere Heimat zu keinem Einwanderungsland wird.“ Für Europas Rechte in der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) ist der ungarische Caudillo schon lange ein Held. Man will seine Fidesz dort mit offenen Armen aufnehmen, wenn die EVP sie verstoßen sollte.
Für Europas Konservative, die Orbán jahrelang unbelohnt in Schutz genommen haben, ist das Maß voll. Das Abstimmungsergebnis beweist das. Sollte Fidesz tatsächlich aus der Fraktion ausgeschlossen werden, so schmerzt das Orbán mehr als der drohende Entzug des Stimmrechts im Rat. Solange die Förderungen, die Ungarn bescheidenen Wohlstand beschert haben, weitersprudeln, fördern die Sanktionen nur den Ruf des standhaften Rebellen.
Was Ungarn droht, ist politisches Neuland für die EU. Keiner weiß, wo die Eskalation endet. Und für Viktor Orbán, der nicht die Absicht hat, Nigel Farages Einladung zum EU-Austritt zu folgen, wird sich über kurz oder lang die Frage stellen, wie er ohne Gesichtsverlust aus der Kiste wieder herauskommt.
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