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Antifa durch die Nacht

Nach „Chemnitz“ setzten zunächst linke Bands wie Die Toten Hosen und Kraftklub ein Zeichen gegen rechts. Jetzt wollen auch Stars der Schlager- und Volksmusikszene nicht länger schweigen. Hier sind ihre Statements

Von Leonie Ruhland, Franziska Seyboldt und Felix Zimmermann

Als am vergangenen Montag mehrere Zehntausend Menschen in Chemnitz zum Konzert gegen rechts kamen, war die in Aufruhr geratene Welt zumindest für diesen Abend ein Stück weit in Ordnung: Nachdem ein rechtsradikaler Mob die sächsische Stadt dominiert hatte, riefen Bands wie Kraftklub und Die Toten Hosen zum Anti-Nazi-Konzert, das Motto lautete #wirsindmehr, und 65.000, die für die offene Gesellschaft eintraten, waren ja wirklich auch nicht wenige.

Allerdings: Es kamen dort – auf der Bühne und davor – vor allem die zusammen, die sowieso gegen Nazis sind. Das schmälert das Engagement nicht, aber was ist eigentlich mit Musikgenres, die gerade auch in Sachsen eine starke Basis haben und deren Vertreter noch ganz andere gesellschaftliche Kreise hätten erreichen können, um ein Zeichen gegen rechts zu setzen? #wirsindnochmehr.

Es war dann – für viele überraschend – Schlagersuperstar Helene Fischer, die ein klares Statement gegen Rassismus und Gewalt abgab. Am Dienstag rief sie auf einem Konzert in Berlin ihren Fans zu: „Erhebt gemeinsam mit mir die Stimmen: gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit.“ Zuvor hatte sie sich noch so geäußert, wie man es eigentlich erwartet hätte: „Ich äußere mich nicht oft zu politischen Dingen, gebe nie politische Statements, denn meine Sprache ist die Musik.“

Die taz am Wochenende hatte schon vor Fischers Statement Stars aus Schlager und Volksmusik angefragt, die aus Sachsen stammen oder dort erfolgreich sind. Wir wollten wissen, was ihr Beitrag gegen rechts sein könnte in einem Bundesland, das immer wieder wegen rechtsradikaler Übergriffe in die Schlagzeilen gerät. Wir wollten von den Befragten auch wissen, ob sie bereit wären, auf einem Konzert wie dem in Chemnitz aufzutreten, um ein deutliches Zeichen zu setzen – zumal ihre Musik in Sachsen eine starke Fanbasis hat, wie man etwa dem Volksmusik- und Schlagerprogramm der ARD-Anstalt Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) entnehmen kann. So präsentiert Stefanie Hertel im MDR „Die besten Hits der Volksmusik“, Maximilian Arland lädt zum „ABC der Volksmusik“, in Chemnitz wurde von 1998 an 15 Jahre lang „Die Krone der Volksmusik“ vergeben.

Der Sender, der eine hohe Kompetenz im Ausrichten von Schlager- und Volksmusikevents hat, wäre jedenfalls nicht abgeneigt, ein Konzert oder Festival gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus zu übertragen. Zwar sehe sich sein Sender nicht in der Rolle, ein Konzert zu diesem Thema zu organisieren, sagte Peter Dreckmann, Programmchef Hauptredaktion Unterhaltung des MDR, der taz am Wochenende, „sollte es aber entsprechende Ideen oder Anfragen von Initiativen oder Künstlern geben, stünden wir dem aufgeschlossen gegenüber“.

Es antworteten nicht alle von uns angefragten Künstlerinnen und Künstler. Die in Sachsen beheimatete Band De Randfichten etwa tourt gerade auf einem Kreuzfahrtschiff und habe keinen Handyempfang, Anna Maria Zimmermann, gern gesehener Gast in MDR-Schlagersendungen, könne sich erst ab Montag äußern, Olaf der Flipper & Pia Malo sind „auf Auslandsreise“, ebenfalls von unterwegs schickte Frank Schöbel, einer der erfolgreichsten Schlagersänger der DDR, eine Absage: Er schaffe es nicht rechtzeitig zum Redaktionsschluss. Maximilian Arland („ABC der Volksmusik“) sei im Urlaub, teilte sein Management mit. Dasselbe trifft auf Florian Silbereisen zu, der zuletzt am 9. Juni das Wasserschloss Klaffenbach bei Chemnitz zum Mekka für Schlagerfans und -stars gemacht hatte, als er dort die „Schlager des Sommers“ moderierte. Keine Rückmeldung bekamen wir von Andrea Berg („Seelenbeben“) und Stefan Mross („Servus, pfüa Gott und Auf Wiedersehn“).

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