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Die Grünen nach dem Veggieday-TraumaJetzt wieder Rebellen

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Die Grünen wollen wieder Verbote fordern – und verkaufen das als Radikalität. Sorry, Grüne. Wollt ihr jetzt fürs Politischsein gelobt werden?

Ganz schön deprimierend Foto: dpa

E in altes Produkt in leicht geänderter Form als neu und aufregend anzupreisen, ist ein Prinzip des Kapitalismus. Olles Waschpulver kommt nicht mehr so gut an? Kein Problem. Pressen wir es zu Tabletten, nennen es „Persil Universal Tabs“ und erhöhen den Preis. Für strahlende Reinheit und angenehme Frische. So ähnlich funktioniert das auch in der Politik.

Die Grünen waren in den vergangenen vier Jahren so etwas wie die Persil-Tabs der Parteienlandschaft. Sie rochen nach Blümchen, waren praktisch und stets bereit, Merkel die Wäsche zu machen. Doch mit bürgerlicher Servilität, die das Regieren mit der Union im Blick behält, soll jetzt Schluss sein. Seit einiger Zeit versucht sich die Ökopartei ein wilderes, ja: linkeres Image zu verpassen.

Die nicht mehr ganz neuen Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock predigen eine neue Radikalität. Die Probleme seien so groß, dass diese nötig sei. Auch Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, habituell aufs Bürgerliche abonniert, klingt plötzlich wie eine Rebellin mit Kapuzenpulli. Es brauche „radikale Antworten“ statt kleiner Schritte, sagt sie Spiegel Online. Dazu twittert sie eine erhobene Faust, die Geste der Revolution. Selbst Verbote will Göring-Eckardt mit an Todesverachtung grenzendem Wagemut nicht mehr ausschließen.

„Beim Bundestagswahlprogramm haben wir uns angeschaut, sind da Verbote drin? Kommt da wieder jemand und sagt, die Grünen verbieten was?“ Solche Fragen will die Spitzengrüne künftig außen vor lassen. Angesichts der enormen Plastikmüllberge müsse man sich fragen, wie man gegensteuern könne – zum Beispiel mit einem EU-weiten Verbot von unnötigem Verpackungsplastik.

#VerbotsparteiMyAss

Nun ist gegen Radikalismus angesichts der Zuspitzung der ökologischen Probleme wenig einzuwenden. Aber diese selbstverliebte Rebellenpose ist nach der Performance der vergangenen Jahre wirklich schwer zu ertragen. Mal abgesehen davon, dass die Plastikkrise kein neues Phänomen ist: Geht es nicht eine Nummer kleiner? Ist eine grüne Partei, die unnötiges Plastik nicht verbieten will, überhaupt eine grüne Partei? Dauern EU-weite Reformen nicht gerne bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag? Was Göring-Eckardt als Radikalität verkauft, ist ein vorsichtiges Bekenntnis zu der Idee, dass der Staat steuern darf – auch bekannt als Ordnungspolitik.

Ist eine grüne Partei, die unnötiges Plastik nicht verbieten will, überhaupt eine grüne Partei?

Für normale Menschen ist so was eine Selbstverständlichkeit, für Grüne offenbar Politik am Abgrund. Sie litten wegen ihres Veggieday-Traumas Jahre lang an einer Verbotsparanoia. Bloß keine harte Forderung in den Raum stellen, lautete das unausgesprochene Motto, sonst ziehen uns CDU und FDP im Verbund mit Bild, Welt und FAZ am Nasenring durch die Manege. Der neue Sound der Partei ist deshalb auch das Eingeständnis, einer konservativen Diffamierung aufgesessen zu sein.

Selbstverständlich sagt so was kein Grüner öffentlich. Man setzt lieber auf die Vergesslichkeit der eigenen WählerInnen. Coole Grüne ließen den ewigen Verbotspartei-Vorwurf lässig abtropfen. Sie wiesen auf die Binse hin, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber selbstverständlich schädliche Dinge verbieten darf. Umso mehr gilt das für eine Partei, die sich der Rettung der Ökologie verschrieben hat, die also einer wachstumsgierigen Wirtschaft Grenzen setzen muss.

Coole Grüne könnten lustige Listen veröffentlichen mit Verboten ihrer Gegner. Das Verbotswesen, das Konservative und Liberale verantworten, ist spektakulär. Ein Mindestlohn, der Altersarmut verhindert? Verboten. Ein Leben rettendes Tempolimit auf den Autobahnen? Verboten. Eine Klimapolitik, die die Ziele des Pariser Abkommens einhält, gar übertrifft? Verboten. Coole Grüne würden so reagieren, wie es eine geschätzte Kollegin auf Twitter formulierte: #VerbotsparteiMyAss.

Also, liebe Grüne, schön, dass ihr euch wieder trauen wollt, harte Forderungen zu stellen. Aber das ist kein Grund, von sich selbst gerührt oder aufs Politischsein stolz zu sein. Dafür sind die Zeiten dann doch zu ernst.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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55 Kommentare

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  • Sorry taz, aber die Grünen als Verbotspartei darzustellen ist nun wirklich nicht sinnvoll. Ohne Regulierung geht es nun mal nicht, das sollte auch der jüngeren Generation spätestens seit 2008 klar sein! Warum Regulierung immer nur im ökologischen Bereich undifferenziert als "böses" Verbot dargestellt wird, scheint tiefenpsychologische Ursachen zu haben!

  • Die Grünen waren Trend von gestern.



    "Aufstehen" ist morgen.

  • Sie wollen Fleisch in der Kantine am Freitag verbieten, aber dann lassen sie die Vergiftung (Nitrierung) des Grundwassers durch die Bauern durchgehen.

    Das Problem sind nicht die Verbote, sondern die Prioritäten der Grünen.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Die Grünen waren schon immer die deutscheste aller deutschen Parteien. Am Grünen Wesen soll die Welt genesen. Abseits aller Rationalität das absolut Gute fest im Blick, durch die ideologische Brille progressiv nach vorn geschaut. Viel Feind, viel Ehr! Na denn...

  • was sie so alles raushören...hoffentlich haben Sie wenigstens verstanden, was sie da von sich geben. Grüne PR-Shows und ein bisschen 'Brot für die Welt - aber die Wurst bleibt hier' ändert nichts, schafft nur ein gutes Gewissen beim nächsten Amazon-Shopping.

    • @Philippe Ressing:

      Klaro Solidarität, die die Abtretung von Geld bedeutete war in pseudolinken Kreisen schn immer suspekt. Finanzielle Spenden sind doch eh nur der Ablaß der Bürgerlichen für schlechtes Gewissen wa! Deshalb sind pseudolinke Suppenküchen auch nie für die breiten armen Massen sondern für den eigenen Brei.

  • „Ausbaden müssen“. Lol. Der beste Kommentar ever bei diesem Wetter.



    Ist da gerade ne linke Sammlungsbewegung auf der Zugspitze klimaleugnend am Brainstormen?

  • Verbote sind prima! Hauptsache, sie beschneiden nicht die eigene Klientel nicht in deren Komfortzone.



    Solange der Grünen-Wähler weiterhin dreimal im Jahr in Urlaub fliegen darf und mit seinem SUV regelmäßig beim Bioladen am anderen Ende der Stadt seinen Chia-Smoothie kaufen kann, ist alles supi.

    Warum haben die Grünen eigentlich seinerzeit Sarrazins Empfehlung an HartzIV-Empfänger, die Heizung ein wenig runterzudrehen und lieber einen Pullover mehr anzuziehen, reflexartig abgelehnt, anstatt ihn auf alle auszudehnen?

    • @Harald Müller:

      Wie jetzt? Solange auch Grüne (oder CDUler oder Linksparteiler...) SUV fahren sollen die Grünen sich nicht Megacarwahn positionieren? Wo ist da die Logik? Ich würd mal sagen da hat der Popolist wieder im Kreisgedacht.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Robert und Annalena wollen endlich mitspielen.



    Dafür werden sie, wie ihre Vorgänger die in Regierungsverantwortung waren, alles tun. Ob das Teile der Bevölkerung ausbaden müssen, interessiert wenig bis gar nicht.



    Hatten wir schon, brauchen wir nicht noch einmal.

  • Natürlich kann eine Gesellschaft nicht völlig frei sein. Die Grenzen de individuellen Freiheit sollten in einer erstrebenswerten Gesellschaft aber möglichst weit gezogen sein. Was mich stört ist das Verbot als teutonischer Fetisch das scheinbar öklogische Probleme löst. Um beim Artikel zu bleiben: sind Öl und das daraus produzierte Plastik nur teuer genug wird es die Wirtschaft sparsam einsetzen und efektiv wiederverwerten. Eine Politik die primär mit Verboten arbeitet ist inefektiv, produziert Wiedersprüche und sie wird auf Dauer auch keine Mehrheit finden. Für stabile Mehrheiten braucht es eine Gesamterzählung die breite Schichten der Gesellschaft einbindet.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @Thomas Dreher:

      Große Zustimmung von mir.



      Was fehlt ist die Utopie. Eine Vorstellung, wie eine Gesellschaft aussehen kann die nicht die Lebensgrundlage der nachfolgenden Generationen zerstört und in der Menschen trotzdem ein gutes Leben führen.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Das Verbotswesen, das Konservative und Liberale verantworten, ist spektakulär. Ein Mindestlohn, der Altersarmut verhindert? Verboten. Ein Leben rettendes Tempolimit auf den Autobahnen? Verboten. Eine Klimapolitik, die die Ziele des Pariser Abkommens einhält, gar übertrifft? Verboten."

    Ernsthaft? Das ist wirkt jetzt aberdoch sehr bemüht.

    Jede*r wird sofort darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um Verbote handelt (sondern um Nichthandeln der Regierung).

    Es ist schlichtweg nicht verboten existenzsichernde Löhne zu zahlen oder mit Tempo 100 auch gut anzukommen.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Oder alternativ noch besser mit der Bahn zu fahren.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Es offenbart das zugrundeliegende dirigistische Menschenbild: Der Bürger tut ausschließlich, was ihm vorgeschrieben wird. Eine für richtig befundene Verhaltensweise NICHT zwingend vorzuschreiben, heißt daher, sie ebenso zwingend zu vereiteln. Die Fähigkeit, sich auch aus eigener Überzeugung für das richtige Handeln zu entscheiden, haben nur die weisen Lenker, die die Vorschriften machen.

      Schöne, grüne Welt...

  • Ach gottchen, die Grünen leiden also immer noch unter dem "Veggy-Trauma". Dass sie mit der SPD die Entrechtung von Arbeitslosen - Hartz IV - mit verantwortet haben, unter den Tisch damit. In der aktuellen ZEIT eine niedliche Reportage vom Auftritt der Grünen Parteiführerin in Tafelläden. So was von abgeschmackt, in der Regierung macht man alles mit - siehe Baden-Württemberg - Grüne Bürgermeister machen den Rassisten oder lassen das Jobcenter die Armen kujonieren (Tübingen - Stuttgart). Ihnen geht es um Wähler mit guter Absicherung und einem Rest sozialen Gewissens - so mal für "Brot für die Welt" spenden. Sie wollen die CDUler mit Sozialgewissen als Wähler keilen - um soziale Gerechtigkeit oder gar Umschichtung des Reichtums geht es ihnen nicht.

    • @Philippe Ressing:

      Ich höre schon raus; es gibt so einige selbsternannte Linke, die keinen Cent übrig haben für weltweite Solidarität und so etwas für abgeschmackt halten. Wahrscheinlich kommt deshalb allenfalls Solidarität mit dem Erdogan-Verschnitt Maduro dabei raus, kostet ja auch nichts.

  • Wenn die Grünen "cool" ihre alten autoritären Allüren wieder zum Programm machen wollen, dann werden sie schon die Quittung dafür bekommen: Eine ganz überzeugte, aber leider auch ganz kleine Wählerschaft.

    Was der Partei immer wieder entgleitet, ist dass die Mehrheit nicht radikal ist. Radikalität mag ja konsequent sein, antagonisiert aber Viele auf fundamentaler Ebene, die lieber hie und da bewusst wider die Vernunft handeln (können) wollen, als sich und den Rest der Gesellschaft von Vertretern einer ganz bestimmten Vernunft an die kurze Leine nehmen zu lassen.

    Der mit dem Schlagwort "Verbotspartei" gemeinte Impuls, bei Erkennen der aus grüner Sicht "richtigen" Handlungsweise möglichst alle davon abweichenden Variationen mit hoheitlicher Autorität zu unterbinden, erzeugt ein Gefühl der Gängelung, das den von den Grünen eigentlich angestrebten Wertewandel konterkariert. Ostentativ donnerstags Fleisch zu essen, weil die Grünen einem genau das gerne unmöglich machen würden, wird so zu einer befreienden Handlung, die den Veggie-Rebellen weit über den lustvollen Konsum von tierischem Eiweiß hinaus motiviert.

    Vertreter einer Legalisierung von "weichen" Drogen dürften eigentlich genau wissen, was damit gemeint ist. Deshalb verwundert es, dass die Grünen bei diesem Thema feinsinnig die Sinnlosigkeit von rigiden Verboten darlegen, genau solche Verbote an anderer Stelle aber mit weit plumperen Argumenten zum Mittel der Wahl erklären.

    • @Normalo:

      Ünmöglich machen Fleisch zu essen? Was haben Sie den für Fantasien, wie Politik gemacht werden können. Mit Verboten? Nö.



      Es muss einfach nur z.B. der Subventionshahn zugedreht werden und schon müssen die Freiheitlichen ihren Spaß selbst bezahlen. Und dann bitte auch noch die weiteren Kosten, die damit verbundenen sind oben drauf (Grundwasserverschmutzung, Naturzerstörung, Klima ...) .



      Es wird dann immer noch möglich sein Fleisch zu futtern, aber auf eigene Kosten.

      • @Rudolf Fissner:

        Hier war der Veggie-Day als plastisches Beispiel gemeint. Wenn ich nicht irre, ging es darum, Fleisch einmal wöchentlich (zumindest in Kantinen, der Donnerstag wurde gleich mit vorgeschlagen,) unzugänglich zu machen.

        Den Subventionshahn zuzudrehen, würde auch zu Widerstand führen (und natürlich auch die vegan arbeitenden Bauern erfassen müssen), wäre aber in der Tat nicht die Pippi-Langstrumpf-Politik, die man den Grünen häufig vorwirft. Insofern wäre das aus meiner Sicht deutlich weniger imageschädlich

  • Was man alles in einfachen Sätzen wie „Es brauche ‚radikale Antworten’ statt kleiner Schritte“ hineinlesen kann ist schon lustig.

    Selbstverständlich brauchts auch radikalere Antworten statt kleiner Schritte. Nur mit der Verteilung von Wässerchen und dem Aufstellen von Sonnenschirmen wird man gegen die jährliche Toppung der Hitzerekorde wenig ausrichten.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Eine sehr gute Analyse des Elends dieser Partei. Darum wählt die auch keiner mehr, der ein linkes Gewissen hat.

    • @970 (Profil gelöscht):

      Warum will die Linkspartei AfD-Wähler heim ins Parteienreich führen? ... weil diese zuvor nicht Grün gewählt haben?

  • Verbieten mag zwar in einer Demokratie legitim sein, ist aber trotdem kritisch zu betrachen. Jedes! Verbot ist eine Einschränkung der Freiheit. Und ja die meisten sind auch noch spießig. Eine intelligente Politik steuert anders. Wie wäre es zum Beispiel mit einer steuerfinanzierten Krankenversicherung für wirklich alle, die durch Abgaben auf fossile Energieträger und andere Rohstoffe (gestaffelt nach Umweltschädlichkeit) finanziert wird. Verbindet man das noch mit freier Bildung, freien Drogen und einem starken öffentlichen Sektor in den Bereichen Verkehr, Wohnen und Gesundheit hat man eine das Grundgerüst einer konsistenten linksliberalökologischen Story mit der man die anderen Parteien vor sich hertreiben kann.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Thomas Dreher:

      Eine vollends freie Gesellschaft ist keine mehr. Es geht nicht um Verbote, sondern darum, dass sich eine Gesellschaft die Grundlagen ihrer Freiheit nicht durch den Primat der Wirtschaft und der individuellen Freiheiten, die diesem korrepondieren, abkaufen lässt.

    • @Thomas Dreher:

      Verbote garantieren Freiheiten. Jede ungezügelte Freiheit, die die Lebensgrundlagen anderer Menschen einschränkt ist ein Verbot. Ein Verbot lärmlos schlafen zu dürfen, gesund aufzuwachsen, eine unverbaute Natur geniesen zu dürfen usw. usw.

      • @Rudolf Fissner:

        Natürlich müssen die menschlichen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Diesen Prozess nennt man Politik. Politik kann aber z. B keinen lärmlosen Schlaf garantieren, denn Gewitter und schnarchende Partner kann der Staat ja schlecht verbieten. Außerdem kann man ihre Argumentation auch jederzeit umdrehen so "verbietet" der Wunsch nach unverbauter Natur Menschen das bezahlbare Wohnen oder die ökologische Energieerzeugung durch Windkraft. Interessengegensätze innerhalb der Weltgesellschaft müssen primär politisch -gesellschaftlich durch sinnvolle Strukturpolitik und nicht durch plakative Verbote, die nur den Hausmeister in uns befriedigen und die Bürokratie mästen, gelöst werden.

        • @Thomas Dreher:

          Und das Ergebniss des Abwiegens, des Prozesses der Politik, nennt sich z.T. auch Verbot.

          Ihr Freiheitsbegriff erlaubt nachts mit 100 knatternd durch die Straßen zu preschen und dabei seine Coffee to Go Becher in den Straßengraben zu werfen.

          Wer plakativ über seine (sic) Freiheiten redet, hat meist kein gutes Beispiel für unsinnige Verbote (die es immer auch gibt, sind ja alle Menschen) oder ist zu faul, sich am politischen Prozess zu beteiligen.

  • Wenn sie schon einen wirkmächtigen Mechanismus des Kapitalismus anführen, dann sollten sie wenigstens auch mal darüber nachdenken, wohin dieser uns geführt hat. Seit Jahrzehnten wird uns der letzte Mist mit Werbung schmackhaft gemacht und die Mehrheit ist "wie die Pawlow'schen Hunde, zu willigen Verbrauchern geworden. Wenn sie das verinnerlicht haben, werden sie begreifen, denn Werbung gibt es ja immer mehr, dass denen, die eine Umkehr dieses Konsumwahnsinns wollen, gar keine andere Möglichkeit mehr bleibt als Verbote, wollen sie diesen Planeten vor einer völligen Vergiftung und Vermüllung retten. Denn auf Werbung will ja keiner verzichten, selbst die taz nicht. Da ist sie, wie die anderen Befürworter die daran verdienen auch, sich selbst der Nächste. Das Grundübel des Kapitalismus.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @APO Pluto:

      Werbung finde ich zwar auch Mist, aber sie ist doch viel eher Symptom als Ursache.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Symptom von was?



        Ich finde, Werbung soll manipulieren und zum Kaufen anregen. Das ist aber das Letzte, was dieser geschundene Planet gebrauchen kann.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @APO Pluto:

          Symptom der generellen Krankheit. Mündige Bürger würden sich einen feuchten Hundedreck um Werbung kümmern. Um diese rezipieren zu können, müssen sie zuvor adäquat zugerichtet worden sein. Diese Zurichtung beginnt im Elternhaus (das hier nur die Funktion des ersten gesellschaftlichen Katalysators hat) und geht fort über Schule, Ausbildung/Universität und Berufsleben. Anderssein und Selbstdenken stören. An deren Stelle treten Ersatzhandlungen, Tatoos, Frisuren, Moden im Allgemeinen sowie das Ideologem der Diversität, das sich mit einer oberflächlichen Vielfalt zufrieden gibt, die Anderssein bloß vorgaukelt. Und was wäre der Kapitalismus - die Forsetzung des koiumbischen Glasperlenspiels mit modernen Mitteln - doch für eine armselige Veranstaltung, wenn er nicht für derart konditionierte Menschen die Anreize verschärfen würde, die daraus bestehen, die Vorfreude stets hochzuhalten, den Lustgewinn durch den Konsum aber gering? Deshalb: Werbung ist das Symptom der Misere, nicht deren Ursache.

          • @849 (Profil gelöscht):

            Denken sie bei nächsten Mal bitte daran, ich habe kein Abi. Ersatzhandlungen (Tatoos, Frisuren, Moden) wie sie das nennen gab es schon bei den Naturvölkern. Denken sie nur an die Frauen, die ihren Hals mit Messingreifen strecken oder die, welche sich mit Scheiben die Unterlippen weiten um anders auszusehen. Das hat insoweit nicht mit Verdummung für den Kapitalismus zu tun. Wenn ich mir im Kommunismus ein Seemannstau zum einen Nasenloch hinein fädele und zum anderen herausziehe um mich von anderen zu unterscheiden, dann würde die anderen Kommunisten wohl von Selbstdenken reden und mich vor irgendein Komitee zitieren um Selbstkritik zu üben.



            Von welchem Symptom der Misere sie sprechen, habe ich jetzt immer noch nicht verstanden. Und von irgendeiner Ursache habe ich auch nichts geschrieben. Ich habe von einem Mechanismus gesprochen.



            Aber im Großen und Ganzen liegen wir nicht weit auseinander.

            • 8G
              849 (Profil gelöscht)
              @APO Pluto:

              Ja, wenn ich an diese Frauen denke, denke ich an eine im Wesen andere Gesellschaft, in der die Dinge, die sie beschreiben eine Funktion hatten und keine Mode waren nach unserem Verständnis. Insofern hätte es wohl in diesen Gesellschaften auch kaum gefruchtet, für dergleichen Werbung zu machen.

              Der Unterschied zu den "Naturgesellschaften" ist ferner, dass diese wenig Individuelles an sich hatten und das auch gar nicht Thema war, wobei die Frage erlaubt sein muss, inwiefern denn das, was sich in unserer Gesellschaft als individuell präsentiert, es auch wirklich ist. Eine aus Individuen bestehende Gesellschaft würde keine Moden kennen und auch keine Werbung, das ist meine These! :-)

              Mit Werbung als Symptom der Misere meine ich, dass das Ansprechen der Menschen auf diese beweist, dass sie keine oder nicht die Individuen sind, die sie zu sein behaupten. Das Problem liegt also tiefer - in einer systematischen Verblödung, wenn man so will. Ein Mechanismus ist die Werbung jedoch in der Tat, da gebe ich Ihnen Recht.

    • @APO Pluto:

      "Das Grundübel des Kapitalismus."



      So isses.

    • @APO Pluto:

      Es gibt auch jede Menge Werbung für Konsumverzicht. Die kommt nur nicht annähernd so gut an, während Werbung zur Konsumerhöhung immer schon fruchtbaren Boden vorfand. Verschwörung?

      • @Normalo:

        Ich habe doch von den Pawlow'schen Hunden geschrieben, kennen sie das Experiment nicht? Der Mensch ist auch nur ein Tier mit ein bisschen Verstand. Den kann man leicht rumkriegen, z. B. mit Werbung. Warum gibt es wohl das Sprichwort: Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Nix Verschwörung, das liegt in uns. Deswegen fällt die Überzeugung für ein nachhaltigeres Leben, was Verzicht bedeuten muss, nicht so leicht auf fruchtbaren Boden.

        • @APO Pluto:

          Ich sehe es wie Sie, dass das in uns liegt. Genau deshalb ist ja die Werbung auch nicht dafür verantwortlich. Verzicht auf Werbung zu predigen fällt letztlich in die gleiche Kategorie wie Verzicht an sich zu predigen: Kampf gegen Windmühlen.

          Aber das hat nichts mit Pawlow zu tun. Verzichtsbereitschaft an sich ist keine evolutionär "erfolgreiche" Eigenschaft, die sich beim Menschen durchsetzen könnte. Weder unser Geist noch unser Körper sind dafür gebaut. DESHALB streben wir mehr nach verbrauchbaren Ressourcen als nach deren Bewahrung, und deshalb ist auch das "Grundübel" Kapitalismus mit Menschen umsetzbar und etwaige, kollektivistischere Alternativen eher nicht so.

          • @Normalo:

            In diesem Artikel ging es darum, eventuell wieder Verbote durch die Politik durchzusetzen. Genau das ist der Knackpunkt. Was sie schreiben trifft ja zu. Wenn wir aber den Kollaps des Planeten und das damit einhergehende Leid für viele Millionen Menschen verhindern oder irgendwie lindern wollen, dann brauchen wir Menschen die den Mut haben, mal "richtig auf die Kacke zu hauen" und sagen, so geht es nicht weiter. Und auch dazu stehen. Wenn ich mich richtig an den "Veggieday" erinnere, so haben die Grünen noch nicht einmal ein Verbot gefordert, sondern nur das Fleischessen am Freitag zur Disposition gestellt. Die Presse hat ein Verbot daraus gemacht. In meiner Kindheit war das nichts Außergewöhnliches. A: weil wir zu arm waren, um jeden Tag Fleisch zu kaufen und B: weil es ein Gebot der Kirche war. Es gab daher noch Dinge, auf die man sich freuen konnte. Den Sonntagsbraten nämlich. Meine Mutter habe ich deshalb nicht als Spaßbremse empfunden. So steht es ja heute direkt in den Medien, wenn ein Grüner irgendwas fordert. Von daher Presse: Mea culpa

            • @APO Pluto:

              Es ging beim Veggieday darum, zahlenden Kantinenbesuchern nicht bloß die Möglichkeit zu geben, einen pro Woche kein Fleisch zu essen (das haben sie eh längst jeden Tag) sondern ihnen schlicht keines anzubieten, also ihre Auswahl einzuschränken. Das sollte zwar alles erstmal völlig unverbindlich geschehen, aber letztlich ist es eben ein Ausdruck tief empfundnene Misstrauens gegen den Normalbürger, der durch mehr oder minder sanftes Stupsen in die aus grüner Sicht "richtige" Richtung gedrückt werden muss. Motto: Das Volk ist dumm, ich bin schlau, also muss das Volk tun, was ICH für richtig halte. Das erzeugt Widerstand.

  • Frau Göring-Eckardt Steine werfend im Kapuzenpulli... schön, dass das bislang noch keiner graphisch umgesetzt hat. So bleibt meinem Kopfkino freie Bahn. Ansonsten guter Artikel.

    • @Jochen Hubertus:

      Genauso stellt man sich als Rebellionsjunkie offenbar effektive Politik vor ;-)

  • Einmal eine gute Nachricht, wenn sich bei den Grünen radikale Formen des Wandels einschleichen wollen. Die horrende Bilanz zwischen angemeldetem Input und unangemeldetem Output, wie sie unter etablierten Parteien galoppiert, werden auch die grünen Böckis Habek und Baerbock nicht unter den Tisch kehren können. Ich würde empfehlen, die Nähe zu etablierten Parteien zu meiden, sich weniger um Zustandswahrung zu kümmern. Die Hoffnung auf Zukunft wollen wir uns von hoffnungslos verlorenen, auf ewig vergestrigten, rückständig eingebildeten Scherbenhaufen Parteien nicht verbauen lassen.

  • Ein weiterer Klassiker der liberalen und konservativen Politiker:

    Was sie sagen: "Der Staat soll sich nicht einmischen, der freie Markt regelt schon alles".

    Was sie machen: "Immer stärkere Regulierung des Markts: Mehr Urheberrecht, mehr Patentrecht, mehr Markenrecht,..." In wirklichkeit ist man für einen sehr starken Eingriff des Staats, nur halt bitte in den Bereichen wo es ihrer Zielgruppe zu gute kommt.

    • @BeS:

      Stümmt.^^

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Coole Grüne könnten lustige Listen veröffentlichen mit Verboten ihrer Gegner."

    Die Grünen verderben dem Spießer in dessen Augen den Spasss an der Freud: Autofahren, Fleischfressen, Flugbenzinsteuer. Was die Spießerparteien hingegen verbieten, ist diesen Spasss einzuschränken (schließlich muss das Volk mit irgendeinem Firlefanz beschäftigt sein, damit es bloß nicht in Gefahr gerät, mündig zu werden). Damit haben sie natürlich ungeheuren Zulauf beim deutschen Ottonormalverseucher. Aber das ist doch ohnehin nicht die Wählerklientel der Grünen, oder vielleicht doch...?

    • @849 (Profil gelöscht):

      Sie müssen jetzt stark sein:



      "Fleischfressen", wie Sie es nennen, ist auch für Nichtspießer, ja sogar manchen urbanen Linken ein regelmäßig gepflegter Firlefanz.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @RRunkel:

        Carnisten können keine Linken sein!

        Wer sich am größten Ausbeutungssystem des Planetens aufgeilt, kann höchstens ein*e heuchelnde*r Linke*r sein.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @74450 (Profil gelöscht):

          Eben!

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @RRunkel:

        Urbane Linke sind für mich Superspießer im Hipster-Outfit! :-)

      • @RRunkel:

        Müssen wir bald noch erfahren, dass auch Leute, die Autos oder Flugzeuge benutzen, nicht automatisch Spießer seien? Danke Rrunkel, uns ist schon klar, dass nicht überall wo links draufsteht, auch links drin ist.

  • Bescheid

    Bürgerliche und angepasste "Rebellen"...



    Ja, ja ...



    Weisse Bescheid!

  • Bessermenschen...

    Verbote und Besserwissserei



    - das passt zusammen...



    Beides ist auch nicht irgendwie "links". Eher im Gegenteil!



    ...

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Danke Herr Schulte für diesen genialen Beitrag. Selten so gelacht, zutreffend in jedem Punkt!



    Wahrscheinlich kauft Frau KGE bald einen grünen Porsche aus Bad.Württemb. mit Che Guevara Aufkleber!

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @98589 (Profil gelöscht):

      Besser, sie zieht sich ein Che T-Shirt an und klebt sich "Ich bremse auch für Insekten" ans Heck.