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Gastkommentar zur Krise in VenezuelaNullen zu streichen, ändert nichts

Kommentar von Alexander Kriwoluzky

Geldscheine zu verändern, wird an der Inflation Venezuelas nichts ändern. Ausschlaggebend ist Vertrauen und das ist schon verloren gegangen.

Nichts wert: alte Bolivarscheine im Müll Foto: reuters

S toppt das Streichen von ein paar Nullen auf dem Geldschein, wie jetzt in Venezuela geschehen, eine Hyperinflation? Die Antwort ist klar: nur auf dem Papier. Solange nicht gleichzeitig garantiert ist, dass die Zentralbank unabhängig von der Regierung agieren kann, ist es nur eine Frage der Zeit, bis erneut Nullen weggestrichen werden müssen.

Der Grund hierfür ist, dass Regierung und Zentralbank den Wert eines bedruckten Stücks Papiers – nennen wir es Geld – nicht direkt steuern können. Preise in einer Ökonomie werden von den Firmen gesetzt, Löhne von den beteiligten Parteien verhandelt. Vertrauen alle darauf, dass der Wert des Geldes beziehungsweise die Preise stabil bleiben, werden sie Preise und Löhne nicht erhöhen. Haben sie dieses Vertrauen nicht, dann werden sie die Löhne und Preise erhöhen.

Das zentrale Wort ist hier Vertrauen. Vertrauen, dass die Zentralbank im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles unternimmt, um den Wert des Geldes zu erhalten. Dabei kann die Zentralbank in einen Zielkonflikt mit der Regierung geraten: Letztere bevorzugt in der Regel eine lockere Geldpolitik mit niedrigen Zinsen, um durch günstige Kredite die Wirtschaft zu stimulieren und gleichzeitig günstig ein Haushaltsdefizit zu finanzieren. Um aber Preisstabilität zu garantieren, muss die Zentralbank die Zinsen erhöhen können. Damit die Regierung die Zentralbank nicht zu niedrigen Zinsen zwingen kann, muss die Zentralbank unbedingt und ohne jeden Zweifel unabhängig sein.

Andernfalls verlieren die Marktakteure das Vertrauen in die Stabilität des Geldes und setzen immer wieder höhere Preise und Löhne fest. Genau das ist in Venezuela passiert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sollte sich den Anfang der Hyperinflation in Venezuela genau anschauen, denn sie begann mit der Beschneidung der Unabhängigkeit der Zentralbank durch den damaligen Präsidenten. Verfolgt Erdoğan seine Politik weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis in der Türkei auch Nullen weggestrichen werden müssen.

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9 Kommentare

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  • 9G
    97546 (Profil gelöscht)

    Narürlich darf eine Zentralbank nicht vollkommen unabhängig von der Regierung sein. Das sollte in einer Demokratie selbstverständlich sein.



    Im

    • @97546 (Profil gelöscht):

      Weitergesponnen: Natürlich darf eine Justiz in einer Demokratie nicht vollkommen unabhängig von der Regierung sein - sonst könnte es zu Vollzugsdefiziten bei der Verfolgung von politischen Gegnern kommen. Korrekt?

  • Hmm. Venezolanos brauchen "ihr" Geld nur um Grundnahrungsmittel und Benzin zu kaufen. Alles andere ist sowieso Dollar. Das sie jemals eine Zentralbank hatten, wage ich auch mal zu bezweifeln, früher gab es halt feste Bindung an den Dollar und fertig.

    Nein. Sie waren wie Junkies von Öl und Dollar abhängig und beides ging wertmässig den Bach runter. Dazu noch ein unfassbar augeblähter Staat, aus der Nummer kommt man wohl nicht so schnell wieder raus. Das ganze Gerede vom fehlgeschlagenen "Sozialismus" ist Quatsch und die TAZ singt auch noch mit.

    Nein. Jetzt müssen sie anfangen zu malochen wie die MEX, das nervt natürlich, besonders wenn man bedenkt, das die Venezolanos das lockerste Leben in el Sur hatten.

  • in D jedenfalls nicht, ideologisch liegt die Bundesbank und EZB voll auf Linie und spielt den Kettenhund, wenn es um die bösen Südländer geht.

  • na, der Autor ist doch auch vom DIW, der weiß wie Neoklassik...äh Volkswirtschaft geht...



    Hab mir beim Lesen schon die Augen gerieben, was hier in der Taz für eine Bibelstude gehalten wird. Ich hoffe die Taz macht jetzt nicht auch den Schröder...

  • "Solange nicht gleichzeitig garantiert ist, dass die Zentralbank unabhängig von der Regierung agieren kann..."

    In wie vielen Ländern sind denn die Zentralbanken tatsächlich unabhängig?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Vorsicht, heißes Eisen. "Unabhängig" heißt im EU Kontext "unter der EZB" und da versteht man auch keinen Spaß. Der letzte, der geglaubt hat, er könne die Zentralbank seines Landes unter seine Regierung stellen, war Viktor Orban...VOR dem Treffen mit Merkel...

      • @Mephisto:

        Ich habe eher an die Welt außerhalb der EU gedacht. Die ist schließlich viel größer...

  • Der Autor schreibt wie aus dem Volkswirtschaftlichen Lehrbuch und als ob seine Thesen quasi Bibelgleich gelten. Eine Trennung zwischen Zentralbank und Regierung ist keinesfalls umstritten. Dass es den grossen Finanzspekulanten daran gelegen ist, dass die Regierung Spekulationen nicht durch politische Eingriffe in die Zentralbank unterbindet ist verständlich. Eine Wirtschaft, bei der deren Produzenten ihre Produkte wegen Mangels ( 70 % der Grundnahrungsmittel werden eingeführt - schon immer) zu Preisen verkauft haben, die mit Produktionskosten und einer angemessenen Gewinnspanne nichts (!) zu tun haben bleibt unerwähnt. Vertrauen in solche Krisengewinnler ist wie auf die Friedfertigkeit eines Einbrechers zu vertrauen. Venezuela hat den Wert dse Geldes an den Petro gebunden. Der Petro is der Gegenwert der venezolanischen Erdöl - und Erdgasreserven. D.h. reale Werte. Das entspricht der früheren Bindung des USD and die Goldreserven um die Währung von Wirtschaftsfluktuationen unabhängig zu machen. Zu Zeiten eines Wirtschaftsboykotts von der Wirtschaft des Auslandes nicht gemocht - weil es funktionieren kann.