Kommentar Handelskonflikt EU-USA: Deal mit Dellen
Der Jubel über die Handelsvereinbarung zwischen der EU und den USA ist reines Wunschdenken. In Wirklichkeit ist das Ergebnis mau.
D anke, Jean-Claude Juncker? Der Jubel über das Treffen des EU-Kommissionspräsidenten und seinen sogenannten Handels-Deal mit US-Präsident Donald Trump ist Wunschdenken. Ist der drohende „Handelskrieg“ wirklich abgewendet? Wenn das so wäre, könnte der Luxemburger Juncker zaubern. Kann er aber nicht.
Niemand sollte sich von den Fotos der sich küssenden alten Männer täuschen lassen. Man muss doch nur mal einen Tag zurück schauen: Da waren die jahrzehntelang mit dem neuen Kontinent verbündeten Europäer in den Augen von Trump noch „Feinde“, Zölle „das Größte“ und Handelskriege „leicht zu gewinnen“. Also, gemach: Auch wenn einige rhetorische Girlanden aus geneigten Kreisen das jetzt nahelegen: Substanziell passiert ist in Washington erst mal nicht viel.
Betrachtet man das Treffen nüchtern, dann haben sich die Europäer in Washington verpflichtet, mehr (Gen-)Soja aus den USA zu kaufen, das die Chinesen wegen des Handelskonflikts nicht mehr kaufen wollen. Das hilft vielen Farmern, also auch vielen Trump-Wählern im Mittleren Westen der USA. Außerdem wollen die Europäer US-amerikanisches (gefracktes) Flüssiggas kaufen – dafür gibt es beiderseits des Atlantik jedoch bislang kaum genug Häfen und Pipelines.
Also zwei vage Punkte für Trump, aber der Kern des junckerschen Verhandlungserfolgs ist mau. Die Drohkulisse des erratischen US-Präsidenten besteht nämlich weiter: Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind weiter in Kraft, die Strafzölle auf Autos werden zwar zunächst nicht weiter verfolgt, aber weiterhin angedroht.
Eine völlig unausgegorene Sache
Die Ankündigungen, Zölle auf Industriegüter abschaffen zu wollen und Standards angleichen zu wollen, klingen nach TTIP light. Aber genau dieses Freihandelsabkommen hat Trump gerade erst gestoppt. Die ganze Sache ist noch völlig unausgegoren: Viele Europäer wollen ja nicht plötzlich das einstmals bekämpfte Abkommen mit all seinen Tücken, nur damit es keinen Handelskonflikt gibt.
Wünschenswert hingegen: die angekündigte Reform der Welthandelsorganisation WTO. Sie war einst das internationale Forum für die Austragung von Handelsstreitigkeiten – und für die Abschaffung globaler Handelshemmnisse.
Die Welt ist von Trump einiges an Finten gewöhnt. Nach über zwei Trump-Jahren sollten wir alle wissen: Die Außenpolitik ist für ihn der Innenpolitik und den nächsten Wahlen komplett untergeordnet. Der Handelskonflikt wird uns deshalb wohl länger erhalten bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar