Bürgerwehr der NPD: Rechts, zwo, drei, vier!
Die NPD ruft bundesweit zu Bürgerwehren und „Schutzzonen“ für Deutsche auf. In Berlin patrouillieren Nazis in der S-Bahn.
Ins Netz gestellt hat das Bild Andreas Käfer, der Mann im T-Shirt, seit Dezember Landesvorsitzender der Berliner NPD, der sich als NPD-Bezirkschef in den vergangenen Jahren bereits in vermeintlichen Bürgerinitiativen gegen Asylunterkünfte in Marzahn-Hellersdorf und Köpenick engagierte. Über den Beitrag schreibt er in Großbuchstaben „Schutzzonen schaffen“ – das ist der zentrale Kampagnen-Slogan, dessen Abkürzung wohl nicht nur zufällig SS lautet.
Die von der Bundespartei verantwortete Initiative versucht sich als Retter eines Staates aufzuspielen, der „nicht fähig oder willens“ sei, für Sicherheit zu sorgen. Schuld seien – wie immer – Migranten: „Man ist der importierten Kriminalität oft schutzlos ausgeliefert“, behaupten die Nazis auf ihrer Website.
Dort rufen sie dazu auf, Telefonketten einzurichten, Bürgerwehren auf Streife zu schicken oder „Rückzugsräume“ zu schaffen. Hierfür sollen sich etwa Läden als „Schutzzonen“ kennzeichnen und Bürgern – solange sie deutsch genug sind – Asyl gewähren. Das Konzept kopiert die „Aktion Noteingang“, bei der Geschäfte und Institutionen seit Jahren Opfern rassistischer Gewalt Zuflucht bieten. Auch die Berliner S-Bahn beteiligte sich an der „Aktion Noteingang“.
In Kiezen und Bahnen
Die Präsenz in Marzahn-Hellersdorf, von der unbekannt ist, ob sie über das Posieren hinausging, ist nicht die erste Aktion dieser Art der mittlerweile völlig bedeutungslosen und durch die AfD überflüssig gemachten NPD, die so mit letzter Kraft um Aufmerksamkeit buhlt. Im März waren Mitglieder der NPD und ihrer Jugendorganisation JN mehrfach auf „Kiezstreife“ im Pankower Ortsteil Karow unterwegs, damals noch in Jacken mit Parteilogo.
Anfang Juni veröffentlichte der YouTube-Account des hauseigenen Presseorgans Deutsche Stimme ein Video einer „Schutzzonen“-S-Bahn-Streife. Darin sieht man Pankower NPD-Mitglieder, darunter den ehemaligen Berliner Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke, S-Bahn fahren, Fahrpläne angucken und mit einem älteren Fahrgast kommunizieren.
Auf Nachfrage der taz bestätigt die Berliner Polizei, Kenntnis von dem Video zu haben. Strafbare Inhalte gingen daraus jedoch nicht hervor, so ein Sprecher. Auf Twitter schrieb die Polizei zum Thema: „Zivilcourage und aufmerksame Bürger, die bei Gefahr die Polizei verständigen, unterstützen wir. Bürgerwehrartige Strukturen lehnen wir strikt ab.“ Eine Reaktion hänge jedoch davon ab, „ob von den beteiligten Personen Gefahren ausgehen oder Straftaten begangen werden“. Das uniformierte Auftreten der Rechtsextremen sei nicht per se verboten.
Die zur Deutschen Bahn gehörende Berliner S-Bahn teilt auf taz-Anfrage mit, sich ausdrücklich von dieser Aktion sowie „von Rechtsextremismus und Diskriminierung“ zu distanzieren. „Aktuellen Hinweisen auf derartige ‚Streifen‘ gehen die DB Sicherheit sowie die Bundespolizei konsequent nach.“ Bislang seien jedoch „keine Personen, die sich als NPD-Streife ausgeben, tatsächlich in unseren Zügen angetroffen“ worden. Der Konzern weist auch darauf hin, dass der Film ohne Drehgenehmigung entstand, was einen Verstoß gegen die Hausordnung darstellt.
Stimmung in Cottbus ausnutzen
Schwerpunkt der im Juni gestarteten NPD-Kampagne ist neben Berlin vor allem das brandenburgische Cottbus. Schon mehrfach in den vergangenen Wochen spielten sich Nazis in Cottbus als „Streife“ auf, wie sie mit Fotos bulliger Glatzköpfe dokumentieren.
Bereits seit Januar kommt es in der Stadt zu rassistischen Übergriffen und regelmäßigen Demonstrationen gegen Geflüchtete. Auch in den nahe gelegenen Kleinstädten Guben und Bad Belzig sollen sie schon aufmarschiert sein.
Das Konzept „Bürgerwehr“ steht im Spektrum der extremen Rechten seit Langem hoch im Kurs. Insbesondere im Zuge des erhöhten Zuzugs von Flüchtlingen im Sommer 2015 bildeten sich vielerorts Gruppen aus der oder mit Verbindungen zur Naziszene.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Übergriffe durch Hertha-BSC-Fans im Zug
Fan fatal
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Humanitäre Lage im Gazastreifen
Neue Straßen für Gaza – aber kaum humanitäre Güter
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein