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Debatte ParteienfinanzierungParteigeld gegen rechte Trolle

Kommentar von Tilman Baumgärtel

Mit mehr Geld vom Staat wollen Union und SPD rechten Trollen im Netz Paroli bieten. Besser wäre es aber, Hate Speech direkt anzugehen.

Will die SPD eigene Trolle anstellen, die zurückpöbeln, vielleicht aus dem Seeheimer Kreis? Foto: ap

A m Freitag könnte der Bundesrat die Erhöhung der Parteienfinanzierung beschließen, die der Bundestag vor drei Wochen im Hauruck-Verfahren genehmigt hatte. Die Neuregelung des Gesetzes zur Parteienfinanzierung, gegen die FDP, Grüne und Linke gemeinsam vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen, sieht vor, dass der Betrag um 17 Prozent von knapp 162 auf 190 Millionen Euro ansteigen soll. Womit er sich seit 2010 mehr als verdreifacht hätte.

Stutzig macht die Begründung, die gerade von der SPD – die nach ihrer Wahlniederlage finanzielle Stütze dringend nötig hat – wie ein Mantra wiederholt wird: es ist die „Digitalisierung“, die in Deutschland ja nun schon seit zwei Jahrzehnten allerhand Kopfzerbrechen bereitet.

Nun könnte man zunächst einmal fragen, ob diese ominöse Digitalisierung nicht auch Geld spart. Die Mitgliederansprache ist via Mail und Twitter erschwinglicher als per Drucksache, genauso wie es billiger ist, online Memes zu verbreiten, als draußen Wahlplakate aufzuhängen. Auch die – als weiterer Grund für die Erhöhung der Parteienfinanzen angegebenen – Mitgliederbefragungen könnte man kostengünstiger über das Internet durchführen als mit der Schneckenpost.

Doch halt: Da ist noch die „Gestaltung, ständige Aktualisierung und Moderation interaktiver Internetauftritte sowie Präsenz auf den Social Media-Plattformen“, für die die Parteien angeblich mehr Geld brauchen. Denn hier sind Kräfte am Werk, die, „weil sie Menschen emotional ansprechen, oft eine Reichweite erzielen, die ihnen, was den Informationsgehalt und den Willen, zur Demokratie beizutragen, nicht entspricht“, so SPD-Geschäftsführer Dietmar Nietan. „Da müssen die Parteien ein Stoppschild setzen, und dazu müssen sie finanziell in der Lage sein.“

Objektive Information gibt es bereits

Solche Aktivitäten nennt man gemeinhin „politische Bildung“, und für die haben die deutschen Parteien ihre eigene Stiftungen. Diese sind finanziell noch großzügiger ausgestattet: Im vergangenen Jahr erhielten sie 581 Millionen Euro aus Steuermitteln – mehr als das Doppelte als Parteien und Bundestagsfraktionen zusammen.

Wo die SPD nun diese Stoppschilder letztlich genau aufstellen will, ist eine andere Frage. Dass Dietmar Nietan von „Plattformen“ spricht, „auf denen sich die Bürger mit den ‚neuesten Features‘ schnell und umfassend informieren können“, lässt nichts Gutes vermuten. Objektive In­formation und Richtigstellung von Fake News gibt es – vom Faktenfinder der Tagesschau bis zu Snopes.com – aus vielen Quellen. Ihnen haftet auch nicht der Makel an, von parteipolitischen Interessen geleitet zu sein.

Es gibt eine deutsche Partei, die so gar kein Problem mit dieser verflixten Digitalisierung hat: die AfD

Das Problem ist eher, dass eine Gruppe von Mitbürgern sich erfolgreich gegen jede Art von Fakten immunisiert hat, die nicht in ihr Weltbild passt. Und dass genau diese Leute in den sozialen Medien das große Wort führen. Denn es gibt eine deutsche Partei, die so gar kein Problem mit dieser verflixten Digitalisierung hat: die AfD.

Sie hat nicht nur eigene Mitarbeiter, die wie am Fließband zu jedem ihrer Themen Memes und vorgefertigte Statements zum Weiterposten produzieren. Doch vor allem steht ihre eine ganze Graswurzel-Armee von Freiwilligen zur Verfügung, die von Facebook zu YouTube, von den Kommentarspalten bis zu Twitter ununterbrochen ihre schlichten politischen Einsichten zum Besten gibt: Merkelmussweg, Ungebremste Massenmigration, Umvolkung, rot-grün-versifft und so weiter und so fort.

Rechte Inhalte verdienen auch Geld

Dass dieser Online-Mob von irgendjemand gesteuert ist, hat bisher noch niemand nachweisen können – sieht man einmal von den „Raids“ auf missliebige YouTuber ab, die von dem inzwischen geknackten Troll-Server Reconquista Germanica veranstaltet wurden. Dem Ton nach scheinen eher rüstige Rentner und „besorgte Bürger“ am Werk zu sein, die die Welt nicht mehr verstehen und nun das Internet voll pöbeln.

Oft stehen dahinter auch finanzielle Interessen. Auf YouTube posten Menschen, die sich hinter Namen wie „Volksentscheid in Deutschland“ oder „TutorialsGerman“ verstecken, immer wieder die gleichen Bundestagsreden und Talkshow-Auftritte von AfD-Größen mit schrillen Titeln wie „Alice Weidel: ‚Dieses Land wird von Idioten regiert!‘“. Dazu spielt YouTube Werbung von Unternehmen wie Dolce & Gabbana, Maybelline oder der Berliner S-Bahn. Bei Videos, die zum Teil mehr als eine Million Mal geguckt werden, dürften dabei erkleckliche Werbeeinnahmen zusammenkommen.

Wie sollte der Widerstand gegen diese kleine, lautstarke Gruppe aussehen? Will die SPD eigene Trolle anstellen?

Wer sich in den Kommentaren darunter kritisch äußert, über den fällt gleich ein Horde Gesinnungsgenossen her. Manche versuchen es sogar mit Argumenten. Aber meist wird auf die primitive Art und Weise beleidigt, die die Bundestagsfraktion der AfD gegenwärtig salonfähig zu machen versucht („Merkelnutte“, „Halbneger“). Wie sollte der Widerstand gegen diese kleine, aber lautstarke Gruppe aussehen? Will die SPD eigene Trolle anstellen, die zurückpöbeln, vielleicht aus dem Seeheimer Kreis? Mit Tatsachen und „Gegenrede“ ist jedenfalls hier schon lange nichts mehr zu erreichen. Und dass vernunftbegabte Menschen kein Interesse daran haben, sich in fruchtlose Debatten mit Internet-Schreihälsen zu verstricken, kann man verstehen.

Besser wäre es, sich an diejenigen zu wenden, die lachende Dritte bei jeder Online-Debatte sind: die zunehmend asozialen Medien wie Facebook und YouTube, für die diese Art von verbalen Wirtshausschlägereien eine Form des „Engagements“ sind, die mehr Aufmerksamkeit, längere Verweildauer und also höhere Werbeeinnahmen bedeuten. Wenn diese Internetfirmen die Trolle nicht mehr mit Werbeeinnahmen subventionieren und ihre Beiträge nicht per Algorithmus hochjubeln würden, wäre viel gewonnen. Bisher scheint es bei YouTube nicht einmal nennenswerte Kontrollen der Kommentarspalten auf „Hate Speech“ hin zu geben.

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6 Kommentare

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  • Parteisponsoring durch Unternehmen über Präsenzgebühr als Parallelaktion zu Parteitagen CDU, CDU, SPD, in Bund, Ländern entzieht Parteifinanzierung staatlichen Kontrollmechanismen. Dessen ungeachtet peitscht Andrea Nahles mit Groko Union, SPD staatliche. Parteifinanzierung unter Opposition Auschluss im Bundestag von 162 auf 190 Millionen € /anno hoch weil der Europarat Durchsetzung des Tranzparensgebotes in Deutschland anmahnt, das die deutsche Politik in Bund, Ländern seit Jahren ignoriert. Dass die Öffentlichkeit das auch noch ertappt als Säule einer neuen Vertrauensbildung verkaufen will, schlägt nach geplatzter Seehofer Luftnummer "Transitzonen" dem Fass den Boden aus. Vertrauen geht anders



    Warum das ganze CDU CSU Transitzonen Polit-Theater, bei der wir die SPD bis hin zum Bundespräsidenten Steinmeier in rätselhafter Duldungsstarre besichtigen konnten, vordergründig als Versuch unterwegs schien, die Lufthoheit über den Stammtischen bis in öffentlich-rechtliche Talktunden zurück zu erlangen, im Grunde aber nur einem Ziel galt, die Erhöhung staatlicher Parteifinanzierung auf 190 Millionen € von Andrea Nahles beiläufig lanziert, von Medien unbeachtet , durchzuwinken? Nun nacheilenden zu fabulieren, es gehe darum, AfD Trolle mit staatlichen Mitteln auszubremsen, hat ein Hinterzimmer müffelnd hinterfotziges Geschmäckle.



    Dass parteinahe Stiftungen in gleicher Höhe staatliche Mittel erhalten wie christliche Kirchen als größte private Immbilieneigner hierzulande, befreit von Grunderwerbssteuer, nämlich dynamisierte 582 Millionen €/anno "Allzeit bereit" für die Politik der Regierung zu stehen aus einem Gusse Außen- , Innen-, Wirtschafts- , Sicherheit- , Entwicklungs- , Industrie-, Energiepolitik, macht deutlich in welche Richtung diese Tendenz staatliche Knete zu beanspruchen geht, Selbstaufgabe anzubieten zu Gunsten der Illusion sich als Garant unseres Staatswesens müde zu räkeln statt beherzt bei der MMeinungs- , Willensbildung in der Fläche präsent zu sein.

  • Dem HassSprech ist überall der Kampf anzusagen.

    Noch besser: transparente gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, Bildung und die Löhne der fin. unteren etwa 85% der Bevölkerung deutlich anheben.

  • " dass eine Gruppe von Mitbürgern sich erfolgreich gegen jede Art von Fakten immunisiert hat, die nicht in ihr Weltbild passt. "



    Sehr witzig, dass an einer politischen Seitenlage festzumachen. Das betrifft ALLE. Das zu leugnen wäre hochmütig und lächerlich.



    Die eigene Nase ist bekanntlich am nächsten.

  • Ich bin strikt dagegen mit staatlichen Mitteln gegen “Hate Speech” vorzugehen oder gar mit gesetzlichen Repressalien. Das Problem ist doch das irgendjemand Hate Speech definieren muss und das sollte nicht politisch motiviert erfolgen, tut es aber. Momentan ist Hate Speech vor allem das was von Rechts kommt aber was passiert, wenn eines Tages eine Koalition aus CSU/CDU und AfD an der Macht ist? Würde es dann irgendjemanden wundern wenn Hate Speech auf einmal primär ein Problem von Links ist? Ich hoffe doch nicht, so geschichtsvergessen sollte man nicht sein.

    Im Übrigen hat der Autor völlig recht, die Digitalisierung macht alles billiger. Wenn eien Webseite vor 10 jahren noch Laufkosten von 100€ im Monat verursacht hat kann man die gleiche Webseite mittlerweile für 2,50€ im Monat betreiben. Die Kosten für Endanwender Hardware sind ebenfalls rapide gesunken. Hier handelt es sich um eine scheinheilige Ausrede der Regierungskoalition.

    • @Januß:

      Kein Mensch kann eine Website für 2,50 oder 10 Euro im Monat betreiben. Das geht nur, wenn es weder massig Zugriffe gibt, noch irgendwer für Pflege, Inhalte, Moderation, Programmierung etc. bezahlt werden muss. Eine Website macht VIEL mehr Arbeit als Druckerzeugnisse.

      Das Problem ist doch einfach, dass es durch die Massenkommunikation im Internet buchstäblich eine Armee von Leuten gibt, die nichts Besseres zu tun haben, als Tag und Nacht ihre ganz persönlichen Teufel unangeleint in der digitalen Öffentlichkeit spazieren führen.

      Ich weiß auch nicht, was man da machen kann, aber das sind schon fast sprachliche Pogrome, die nur auf die Gelegenheit warten, zu wirklichen Pogromen zu werden. Das Internet erlaubt es einfach, dass viele kleine Rinnsale aus Wut, Hass und Frust in reißende Flüsse zusammenfließen. Da ist Hass genau so wie Wasser: Er fließt von ganz allein immer tiefer und verbindet sich dort mit dem Hass von anderen, der auch immer tiefer fließt. Dass das alles Themen betrifft, die schon bei Affen Thema sind (Fremde, Frauen, Schwache) ist überhaupt kein Zufall, das sind einfach niedere Instinkte, die sich da Bahn brechen, weil sie irgendwo tief drin bei jedem Menschen vorhanden sind. Der kleinste gemeinsame Nenner des Tieres Mensch halt.

      • @Mustardman:

        Ich sprach von Laufkosten. Kleines Beispiel: www.hetzner.de/cloud Die Kisten stehen auch noch in Deutschland und der Service ist top. Dafür bekommen Sie 2GB RAM, 20GB SSD und eine vCPU. Wenn Sie Container nutzen können Sie darauf komfortabel einige PHP/MySQL Anwendungen parallel betrieben.



        Klar kostet die Erstellung viel aber auch hier sind die Kosten in den letzten fünf Jahren rapide gefallen. Kaum jemand zahlt noch für sein CMS, die Gehälter für Designer und Entwickler in dem Bereich sind gefallen und man bekommt ohnehin viele Templates für umme.

        Durch die Möglichkeit zur Massenkommunikation haben Sie eben niemanden mehr der eine "Torwächter" Position einnimmt. Das kann man als Nachteil sehen, ich sehe darin aber auch viele Vorteile. Meinem Empfinden nach haben viele Journalisten ihre Vormachtstellung ausgenutzt und nicht den nötigen Abstand bewahrt. Das ist bei Zeitungen wie der taz oder der Jungen Freiheit offenkundig aber auch viele andere Medien haben sich da schuldig gemacht.

        Ein negativer Effekt ist das man viel mehr Informationen bekommen kann als vor dem Internet und diese Informationen sind i.d.R. negativ. Darum entsteht auch der Eindruck es würde mit der Welt bergab gehen, obwohl sie auf fast allen messbaren Ebenen besser wird. Man darf nur nicht vergessen die Zustände mit der Vergangenheit zu vergleichen und nicht mit seinem persönlichem, hypothetischen Utopia. Fakten statt Gefühle und negativen Nachrichten können Abhilfe schaffen.

        www.gatesnotes.com...eryone-should-know