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Vergabeverfahren der Fußball-WMDie Kleinen sind chancenlos

Marokko wird keine WM austragen dürfen. Die Erweiterung des Formats auf 48 Teilnehmer begünstigt die wirtschaftlich gut aufgestellten Länder.

Fifa-Präsident Gianni Infantino beim Kongress in Moskau Foto: ap

MOSKAU taz | Was für ein Sportsgeist! Gerade waren diese fußballverrückten Marokkaner zum fünften Mal daran gescheitert, eine Weltmeisterschaft in ihr Land zu holen, da trat deren Verbandspräsident Fouzi Lekjaa im Expocenter von Moskau ans Mikrofon und kündigte trotz sichtlicher Niedergeschlagenheit an, man werde es weiter versuchen. Vielleicht würde es ja das nächste Mal klappen.

An dieser Stehaufmentalität der Marokkaner finden die führenden Funktionäre der Fifa gewiss großen Gefallen. Mehr als am Sportsgeist dürften sie sich daran begeistern, dass Marokko mit seiner Kandidatur gegen das Dreierbündnis USA, Kanada und Mexiko einiges dazu beigetragen hat, der Gastgeberfindung des Weltverbands einen demokratischen Anstrich zu geben. Als Zählkandidat ist Marokko immer herzlich willkommen! Zur Belohnung für ihren unermüdlichen Eifer bekommen sie die Bewerbungsunterlagen für die Weltmeisterschaft 2030 bestimmt als Erstes zugesandt. Weiter so!

Im Maghrebstaat mag es einige geben, die von der höheren Wahrscheinlichkeit überzeugt sind, bald einmal auf der Gewinnerseite beim Fifa-Kongress zu stehen. Schließlich hat sich Hartnäckigkeit im Bieterverfahren um große Sportereignisse des Öfteren schon bezahlt gemacht. Doch das Gegenteil ist richtig. Die Chancen von Marokko sind rückläufig. Die Fußballblase hat sich zu sehr ausgeweitet, als dass sie in kleineren und infrastrukturell weniger entwickelten Ländern noch genügend Platz finden könnte. Die Erweiterung des WM-Formats auf 48 Teilnehmer begünstigt in höchstem Maße die wirtschaftlich gut aufgestellten Länder. Weil ihre Ausgaben für Stadionbauten und Infrastruktur weitaus geringer ausfallen und sie zahlungskräftige Sponsoren und Fernsehsender an der Hand haben, fallen ihre Gewinnversprechen an die Fifa deutlich höher aus.

Der Verdrängungsprozess der Kleineren lässt sich auch in Europa feststellen. Groß war jüngst die Aufregung in Spanien und England über Kiew, die Gastgeberstadt des Champions-League-Finales. Der Flughafen hätte viel zu geringe Kapazitäten und die Stadt viel zu wenige Hotelzimmer, so wurde geklagt. Der ukrainischen Hauptstadt wurde die Champions-League-Reife abgesprochen. Und die auf 24 Teilnehmer erweiterte Europameisterschaft ist von einem Land wie etwa Portugal kaum noch zu stemmen.

Die Großen gewinnen

Der entscheidende Antrieb für das stete Ausweiten der Fußballgroßereignisse liegt im Gewinnmaximierungsstreben der Verbände begründet. Man muss jedoch anerkennen, wie schick dieses von den Funktionären verkleidet wird. In Moskau hob Fifa-Präsident Gianni Infantino ein weiteres Mal hervor, dass der Verband mit dem vergrößerten Turnier nun viel mehr Ländern die Beteiligung am größten Fußballfest auf der Welt ermögliche und dies die Entwicklung des Sports global vorantreibe. Unter dem Vorwand der sozialen Teilhabe mehr Gewinne einstreichen, das ist fraglos ein großer Clou.

Die andere Seite ist aber eben, dass für Länder wie Marokko künftig lediglich die Gastrolle reserviert bleibt. Selbst wenn sie ein Bündnis mit benachbarten Staaten für die WM-Bewerbung 2026 gesucht hätten, gegen das potente Trio auf der anderen Seite des Atlantiks wären sie wohl chancenlos geblieben. Und Exklusion findet noch auf einer weiteren Ebene statt. Die einkalkulierten Gewinne des frisch gekürten WM-Gastgebertrios speisen sich unter anderem aus exorbitanten Ticketpreisen. In acht Jahren werden also etliche entwicklungsschwache Länder mehr mitkicken dürfen bei der weltweit größten Fußballmesse. Begleitet werden diese Teams aber nur von denen, die es sich leisten können, dieses große Fußballgeschäft am Laufen zu halten.

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