piwik no script img

Asylstreit in DeutschlandVorbild Italien und Frankreich?

Im Asylstreit in der Union ist von bilateralen Verträgen die Rede. Einen solchen gibt es zwischen Italien und Frankreich. Doch er ist zynisch.

Auch bei bilateralen Abkommen wie dem zwische Frankreich und Italien werden Flüchtende in die Enge getrieben Foto: ap

Paris taz | Im heftig geführten Asylstreit zwischen Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer hat CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer die Kanzlerin mit einem Kompromissvorschlag unterstützt. Bilaterale Verträge, wie etwa der zwischen Italien und Frankreich, sollen die Verteilung von Flüchtlingen regeln und so die Dublin-Verordnung wieder in Kraft setzen.

Tatsächlich lehnt Frankreich seit 2015 in zunehmender Weise die Registrierung von Asylanträgen ab und schiebt sogenannte „Dubliner“, Flüchtlinge, die zuvor bereits in einem anderen EU-Staat um Asyl gesucht hatten, in die zuständigen Länder ab.

Im Juli 2016 hat das Innenministerium die Polizeipräfekturen in ganz Frankreich angewiesen, „systematisch“ die Regeln der Dubliner Verträge anzuwenden. Parallel dazu hat die Grenzpolizei namentlich am Übergang zu Italien bei Ventimiglia an der Côte d'Azur die Anweisung, mögliche Asylbewerber, und unter ihnen auch schutzbedürftige unbegleitete Minderjährige, an der Einreise zu hindern. Laut Berichten von humanitären Organisationen wie Oxfam wurden dabei Kinder misshandelt oder illegal ohne Verpflegung inhaftiert.

Der neue italienische Innenminister Matteo Salvini benutzt diese Praktiken zur Rechtfertigung seiner eigenen Politik und zur Polemik mit Emmanuel Macron, der den „Zynismus“ der italienischen Haltung beim Flüchtlingsschiff „Aquarius“ kritisiert hatte. Frankreich habe 2017 an der Grenze 10.249 Personen, unter ihnen Frauen, Kinder und Behinderte, abgewiesen, und seit drei Jahren nur 624 statt wie vereinbart 9000 Flüchtlinge von Italien übernommen.

Teils tödliche Folgen

Die scharfen Kontrollen an den französisch-italienischen Grenzübergängen haben mitunter sogar tödliche Folgen. Da die legale Einreise zur Einreichung eines Asylgesuchs immer schwieriger wird, benutzen viele Flüchtlinge die „grüne Grenze“. Dieser Fluchtweg durch die Berge wird einigen zum Verhängnis. Und die Bewohner im Hinterland der Côte d'Azur, die diesen Flüchtlingen helfen, riskieren weiterhin Strafklagen wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Die Frage, wer von Macron und Salvini der größere Zyniker sei, bleibt gestellt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Die Antwort ist klar: Macron.

    Salvini hat nie gesagt, dass Angela Merkel 2015 Europas Ehre gerettet habe, indem sie die Grenzen geöffnet hat. Wegen dieser Rede haben die Linken aus der gehobenen Mittelschicht für ihn gestimmt und viele Forumteilnehmer der taz haben ihn als modernen Heilsbringer Europas gefeiert, der die Politik erneuerrn wird mit mehr Menschlichkeit und Markt...sie sind stiller geworden.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Menschlichkeit und Markt gehen doch ohnehin nicht zusammen. "Marktkonforme Menschlichkeit" ist das, was draus gemacht wird.