piwik no script img

Nachruf auf Tessa JowellBereits zu Lebzeiten eine Legende

Die frühere Labour-Abgeordnete Tessa Jowell ist an Krebs gestorben. In ihrer letzten Rede vor dem Parlament machte sie das zum Thema.

Tessa Jowell im Juli 2012 Foto: reuters

London taz | „Ich befürchte, dass das internationale Projekt Ausmerzung von Krebs (ECI) in den Schubladen der Regierung verschwindet“, warnte Tessa Jowell noch Ende Januar im Oberhaus des britischen Parlaments. Die ehemalige Kultur-, Sport- sowie Frauenministerin Labours unter Tony Blair litt seit Mai vergangenen Jahres an einem Gehirntumor. Am vergangenen Samstag erlag sie ihrem Krebsleiden.

Als Jowell, bekleidet mit einer Wollmütze und einem bunten Schal, am 25. Januar 2018 ihre inzwischen legendäre Ansprache hielt, konfrontierte sie das Oberhaus mit Defiziten der Krebsbehandlung in Großbritannien. Das Land habe die niedrigste Überlebensrate Europas aufgrund mangelhafter Investitionen in Diagnose und Bekämpfung, sagte sie.

Für ihre Ansprache erhielt die zweifache Mutter stehende Ovationen. Zuvor hatte sie gesagt, dass es „manchmal nicht um das Leben geht, das man lebt, sondern auch darum, wie dieses zu Ende geht“.

Als Ministerin hat Jowell einiges erreicht. Sie holte die Olympischen Spiele nach London. Sie initiierte ein nationales Programm namens „Sure Start“ zur Kinderbetreuung.

Abgeordnete in London

Zwischen 1992 und 2015 war die ausgebildete psychiatrische Sozialarbeiterin und Direktorin von Mind – einer der größten Organisationen Großbritanniens, die Menschen mit psychischen Erkrankungen unterstützt – Unterhausabgeordnete für Südlondons Bezirk Dulwich und West-Norwood.

Jowell wurde eng mit New Labour in Verbindung gebracht. Als eine der Blair ideologisch mit am nächsten stehende Minister*Innen kritisierte sie stets den progressiv-sozialistischen Flügel Labours.

Nicht alles ging in ihrer Karriere glimpflich ab. So wurde sie für die stark ansteigenden Kosten der Olympischen Spiele kritisiert. Viele Probleme hatten mit ihrem zweiten Ehemann, dem Rechtsanwalt David Mills, zu tun. Ein Steuerskandal, an dem Jowells Mann und Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi beteiligt waren, führte fast zum Ende ihrer politischen Karriere.

Sie hatte sich für ein Verbot von Tabakwerbung ausgesprochen, machte aber für die Formel 1 eine Ausnahme. Zu dieser Zeit arbeitete ihr Mann für das Benetton-Team der Formel 1. Labour erhielt eine Spende in Höhe von einer Million Pfund von Bernie Ecclestone, Chef der Formel 1.

Ehrentitel einer Baronin

Jowell war auch Ministerin der staatlichen Schatzkammer und für London unter Gordon Brown. 2015 erhielt sie den Ehrentitel einer Baronin. Noch 2016 bewarb sie sich für das Londoner Bürgermeisteramt, gab jedoch zugunsten von Sadiq Khan auf.

Jowell vermachte ihre sterblichen Überreste der wissenschaftlichen Krebsforschung.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!