Kolumne Psycho: Gleiches mit Gleichem bekämpfen
Wie besiegt man den inneren Schweinehund? Genau. Mit einem anderen Hund. Rasse egal. Hauptsache er muss regelmäßig raus.
D ie Zahl der Haustiere in Deutschland steigt kontinuierlich, meldete kürzlich der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe. Auf Platz eins: Katzen, gefolgt von Hunden, Hasen, Meerschweinchen und Fischen. Ich halte das für eine Lüge. Das Haustier, das am weitesten verbreitet ist, ist der innere Schweinehund.
Warum sonst gehe ich nicht zum Yogakurs, obwohl ich mich danach jedes Mal fühle wie ein neuer Mensch? Warum flaniere ich nicht durch die Sonne und atme den Frühling, obwohl mich nichts mehr erdet als die Natur? Stattdessen fläze ich mit einem Glas Wein auf dem Sofa und gucke Serien.
Dafür allein Netflix und Co die Schuld zuzuschieben wäre unfair – es wird Zeit, Verantwortung für mein eigenes Handeln zu übernehmen. Das ja streng genommen das meines inneren Schweinehundes ist. Schließlich ist er es, der mit dem Schwanz wedelt, wenn ich mich aufs Sofa setze, sich weigert, bei Regen das Haus zu verlassen, vor dem Kühlschrank bettelt und sich wohlig räkelt, wenn er gekrault wird. Und immer hat er die Schnauze voll, manchmal mit Essen, aber meistens mit der Fernbedienung.
Ich auch. Deshalb habe ich vor einiger Zeit beschlossen, dem inneren Schweinehund den Kampf anzusagen. Und zwar, getreu dem homöopathischen Leitsatz, Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen, mit einem äußeren Hund.
Es geht darum, wie man was verkauft
Dann kann ich nicht mehr tagelang in der Wohnung bleiben, und wenn doch, muss ich danach tagelang putzen. Also lieber raus, supernervig. Aber wenn ich dann mal draußen bin, das weiß ich genau, oder spätestens, wenn ich wieder zu Hause auf dem Sofa liege, bin ich der glücklichste Mensch der Welt.
Natürlich will ich auch deshalb einen Hund, weil ich immer schon von einem geträumt habe, aber wen interessieren heutzutage noch Träume, es zählt einzig, wie man sie verkauft! Sonst wird man nie ein Start-up leiten, beim Super Bowl singen oder Kolumnen schreiben.
Die Geschichte geht also so: Ich will den Hund nicht, um zu kuscheln, mich an seiner bedingungslosen Liebe zu betrinken und jemanden zu haben, der auf meine Kommandos hört, sondern damit er meinen inneren Schweinehund aus der Wohnung jagt. Der Hund als Nutztier, wie früher. Back to the roots. Ist ja auch angesagt gerade.
Gute Argumente
Und vor allem habe ich endlich gute Argumente, wenn mal wieder irgendjemand meint, er müsste meine Entscheidung kommentieren.
„Ach, ein Babyersatz?“
„Nein, ein Personal-Trainer-Ersatz.“
„Weißt du, wie viel so ein Hund kostet?“
„Weniger als ein Abo im Fitness-Studio.“
„Ich steh ja nicht so auf Hunde.“
„Ich steh ja nicht so auf dein Kind.“
Aber wenn jemand sagt: „Ein Hund? Du weißt schon, dass du dann jeden Tag rausmusst?“, dann weiß ich, da versteht mich einer. Manchmal muss man jemanden eben zu seinem Glück zwingen, und manchmal ist dieser Jemand auch man selbst.
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