: Grüne stoppen Polizei
Bremer Gesetzentwurf landet in Ablage P
Von Benno Schirrmeister
So weit wie Niedersachsen hätte in Bremen ohnehin niemand gehen wollen, es war allenfalls von elektronischen Fußfesseln für sogenannte Gefährder die Rede, nicht von vorbeugender Haft. Aber in der Stadtgesellschaft ist man offenbar sensibler, was die Eingriffe in die Bürgerrechte einschließlich die informationelle Selbstbestimmung angeht, als im ländlich strukturierten Flächenstaat. Die Folge: Während Niedersachsens großkoalitionärer Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag einen Entwurf fürs neue Polizeigesetz vorgelegt hat, der ermöglicht, auch unbescholtene Menschen fast ein Vierteljahr wegzusperren, weil sie von der Polizei verdächtigt werden, Böses auszuhecken, liegt in Bremen das vergleichbare Gesetzgebungsverfahren seit Dienstag auf Eis: Die Grünen-Fraktion hat die Reißleine gezogen. „Wir sind derzeit nicht bereit, in ein Gesetzgebungsverfahren einzutreten“, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Björn Fecker.
In der Koalition sorgte das für verbale Scharmützel. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sprach gar von einem „schweren Rückschlag für die innere Sicherheit“, für den die Grünen sorgen würden. Schließlich hatte er ja infolge eines Bürgerschaftsbeschlusses seit vergangenem Herbst an dem neuen Gesetz basteln lassen, und es hatte bereits mehrere Überarbeitungsphasen hinter sich. Einige Peinlichkeiten waren wohl auch schon beseitigt worden – nicht aber die Hauptärgernisse, so die Ansicht der Grünen-Fraktion: Die Polizei zu anlassloser Videoüberwachung zu ermächtigen, fand deren Gefallen nicht. Auch ihr zu erlauben, Telefonate nicht nur von Menschen abzuhören und mitzuschneiden, bei denen die Polizei eine „konkrete Wahrscheinlichkeit“ diagnostiziert, „dass sie innerhalb absehbarer Zeit eine terroristische Straftat begehen“ – was auch immer diese konkrete Wahrscheinlichkeit sein mag –, sondern auch die Telefonate ihrer Kontaktpersonen. Der Gesetzentwurf verlagere die polizeiliche Arbeit „ins Vorfeld des Vorfeldes“, kritisierte Fecker, „das ist mit uns nicht zu machen.“ Stattdessen müsse es eine „breite gesellschaftliche Diskussion darüber geben, wie wir Sicherheit organisieren wollen“.
Das dürfte eine Weile dauern: Während Mäurer Feckers Ansage als „blumige Umschreibung dafür, dass die Grünen sich bis zur nächsten Wahl vor einer Entscheidung drücken wollen“, geißelte, lobte die Vorsitzende der Linksfraktion, Kristina Vogt, die Ökos, und äußerte die Hoffnung, dass deren „Nein“ nachhaltig sei: „Dieser Entwurf gehört beerdigt“, sagte sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen