Umbaupläne für Bremer Innenstadt: Bremen wird neu erfunden
Für Investoren scheint die Innenstadt eine Goldgrube zu sein. Wenn alle Projekte gelingen, wird sich Bremen in zehn Jahren vollkommen anders anfühlen.
Warum wollen die das? Das Geld in Immobilien anzulegen liegt derzeit besonders im Trend, aber der Unternehmer Kurt Zech nannte einen anderen Grund: In Bremen ist in den vergangenen zwanzig Jahren wenig passiert, das könnte eine Chance sein, in die Stadt der Zukunft zu investieren. Etwas unpassend sprach Zech (Jahrgang 1957) von der „Gnade der späten Geburt“.
Was er meint: Die Bremer City ist nicht von Einzelhandelszentren der Marke ECE verbaut. Die herrschen am Stadtrand – aber Zech erwartet eine Renaissance der Stadt. Der Online-Handel revolutioniert den Einzelhandel – die Läden der Zukunft sind keine großen Warenlager mehr, weil die Kunden sich daran gewöhnen, die gekauften Produkte liefern zu lassen. Der Einkaufsbummel muss Spaß machen.
Christian Jacobs, der Spross der Bremer Kaffee-Firma, sieht das genauso. „Warum kommen die Menschen zu uns? Weil es hier schön ist, nicht weil es anderes zu kaufen gäbe als anderswo.“ Also muss die Aufenthaltsqualität schön sein, und „schön“ ist eben auch ein Auftrag an die Architektur.
Die Entwürfe von Zech für den Europahafen und von Jacobs für den „Jacobs Hof“, das Gelände zwischen dem „Johann-Jacobs-Haus“ in der Obernstraße und der Stadtwaage, haben ästhetische Qualitäten. Auch die neue Landesbank am Domshof falle positiv auf, sagte Oliver Platz von der Architektenkammer. Er forderte „exzellente“ Architektur. Manche Projektskizzen erfüllen dieses Kriterium nicht, es dominiert die einfallslose Kasten-Architektur, zu bewundern zwischen Kühne & Nagel und dem Bahnhofsplatz.
Christian Jacobs, Bauherr
Investoren wie Zech und Jacobs hören offensichtlich den Stadtsoziologen aufmerksam zu. Walter Siebel war zu der Anhörung am Freitag nach Bremen gekommen, der Oldenburger Ermeritus. Der 79-Jährige wies darauf hin, dass vor allem die Rollenveränderung der Frau die Städte verändert – die berufstätigen Frauen übernehmen nicht mehr die „außerberuflichen Verpflichtungen“, sondern kaufen diese als Dienstleistung ein. Nähe zu den Dienstleistungsangeboten ist daher wichtiger als das Häuschen im Grünen.
Gleichzeitig, sagt Siebel, wird die Bindung der Mittelschichten an „ihre“ Stadt geringer, sie nehmen städtische Angebote im Sinne von „Hotelfunktionen“ wahr. Bürgerschaftliches Engagement werde durch ein zunehmendes „Kunden-Interesse“ verdrängt. Vor allem aber, hofft Siebel, könnte die Zukunft des Autos die Innenstädte entlasten – wenn Mobilität weniger an den Privatbesitz einer Karosse gebunden sei. 90 Prozent des Verkehrs in den Städten sei immerhin der „ruhende“ Verkehr ungenutzter Mobile.
Der Bausenator kam ganz zum Schluss zu Wort und musste auf die provokative Frage antworten, ob es sich um ein „Solo für Investoren“ handele. Nein, versicherte Joachim Lohse, aber man sitze „in demselben Boot“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen