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Newroz-Fest nicht genehmigtStreit um Kurden-Fest in Hannover

Die Polizei vermutet PKK-Unterstützung hinter dem traditionellen Neujahrsfest. Jetzt will unter anderem ein Linken-Abgeordneter als Veranstalter auftreten.

2016 noch kein Problem: Öcalan-Transparente beim Newroz-Fest in Hannover Foto: dpa

Hamburg taz | Das kurdische Neujahrsfest Newroz soll am kommenden Samstag mit 15.000 Teilnehmern in Hannover stattfinden. Doch die Polizei Hannover hat angekündigt, es nicht zu genehmigen. Der Organisator des Fests, der bundesweite kurdische Dachverband Nav-Dem, hat daher seine Anmeldung zurückgezogen.

Nun gibt es einen zweiten Anlauf. Die Interventionistische Linke, die Afrin-Solidaritätsplattform und der Linken-Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger wollen das Fest anmelden. Ein Anwalt der Anmelder war am Freitag noch in Gesprächen mit der Polizei.

Der kurdische Dachverband hatte das Fest zunächst mit dem Namen „Newroz-Fest der Freiheit und des Friedens. Für einen dauerhaften Frieden in Kurdistan. Für Demokratie im mittleren und Nahen Osten. Freiheit für Abdullah Öcalan und alle politischen Gefangenen“ anmelden wollen.

Streitpunkt Öcalan

Darin sah die Versammlungsbehörde der Polizeidirektion Hannover eine Unterstützung der in Deutschland seit 1993 verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Das Fest hätte damit gegen das Vereinsgesetz verstoßen. Öcalan ist der Führer der PKK, sitzt aber seit 1999 in der Türkei unter anderem wegen der Gründung einer terroristischen Vereinigung im Gefängnis.

„Wenn wir unseren Antrag nicht durchbekommen, wäre das eine unglaubliche Eskalation“, sagte Mitanmelder Pflüger am Freitagnachmittag. „Das spräche dafür, dass Polizei und Politik Akteure des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan wären.“ Er beobachtet, dass die Repression gegen Kurden in Deutschland kontinuierlich zunehme.

Annäherung zwischen Deutschland und der Türkei

Das rühre daher, dass sich die deutsche und türkische Regierung derzeit annäherten, sagt das Bundestagsmitglied. Die aus seiner Sicht härtere Gangart gegenüber Kurden könne im Gegenzug zur Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft im Februar veranlasst worden sein, vermutet er. „Schon bei der Sicherheitskonferenz in München gab es Festnahmen von Menschen, die YPG-Fahnen schwenkten.“ Die YPG ist eine Kurdenmiliz, die der PKK nahe steht, in Syrien aber mit den USA zusammen kämpft.

Für den Fall, dass sein Antrag abgelehnt wird, will Pflüger mithilfe mehrerer Bürgerrechtsorganisationen protestieren. Bisher hat sich etwa die Internationale Liga für Menschenrechte hinter ihn und die Kurden gestellt. Auch der neue Name des Fests, das die Kurden seit zwanzig Jahren jedes Jahr in einer anderen Stadt feiern, lässt einen breiten Protest vermuten: „Newroz ist auch unser Newroz“.

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10 Kommentare

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  • Da Hias hat's mehr oder weniger schon indirekt angeschnitten und mir kommt das viel zu kurz in den Medien: letzte Woche fand beim Mezopotamienverlag eine Razzia statt. Der Bericht auf indymedia spricht noch von 4 LKWs Büchern und anderen Medien, aber auch von einem Folgetag. Unser toller Staat kriecht Erdogan so weit in den Arsch, dass hier fast vergessene Nazi-Methoden ausgepackt werden. "Könnte ja sein, das diese Bücher die Menschen überzeugen, dass es doch noch eine bessere Alternative zum jetzigen System gibt". F*ck Dich, Deutschland! https://de.indymedia.org/node/18734

  • Man muss sagen, dass die Kurden hier einfach einen gewissen Witz vermissen lassen. Sie sollten einfach Fahnen mit dem Bild von Supermario oder Groucho Marx hoch halten: Das ist nicht verboten und jeder weiß, wer wirklich gemeint ist. Übermächtige Gegner muss man narren, nicht bekämpfen.

     

    Davon abgesehen: Wenn man mal so liest, was Öcalan in den letzten Jahrzehnten so geschrieben hat, dann kann man den Vorwurf "Terrorismus" zumindest aus aufgeklärter Sicht nicht mehr ernst nehmen. Basisdemokratie, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und allen Völkern und Nationen, und ökologisch nachhaltige Wirtschaft mögen manchen als Terrorismus erscheinen, aber dann sollte man das wenigstens auch so sagen. Dann weiß nämlich jeder, was er davon zu halten hat.

    • @Mustardman:

      Und wenn man sich so ansieht, was der Mann gemacht hat, könnte man zu einer anderen Meinung kommen.

       

      Die Bundesrepublik hat Öcalan 1990 mit internationalem Haftbefehl gesucht, weil hier "abtrünnige" PKK Kader liquidiert wurden.

       

      Jeder weiß was das für Demonstrationen sind, aber wir erlauben es der anderen Seite ja auch, also verstehe ich die Absage auch nicht.

      • @Sven Günther:

        Bilder von Murray Bookchin. Der Mann sieht fürs ungeübte Auge Apo schon recht ähnlich, und die Polizei kann ein paar Lacher produzieren, indem sie Bookchin-Fahnen als Öcalan-Fahnen aus dem Verkehr zieht. Wenn aber bei den Behördlichkeiten jemand dann anfängt, nachzudenken, dann werden sie tatsächlich einen hinreichenden Zusammenhang zu Apo und der PKK ziehen und dann den Bookchin (und Janet Biehl und den libertären Kommunalismus) gleich wie alles, was als PKK gedeutet werden kann, mitverbieten: Der späte Öcalan nach dem Paradigmenwechsel* bezieht sich in seinen Gedanken und Schriften stark auf Bookchin, und fertig ist die Laube.

        Hmm, frozen Tom (beim designierten Nachfolger, dem Abschiebemasterplan-Leitkultur-und-Heimat-Horschti, dem bedauerlichsten Bayernexport dieser Tage hab ich Null Hoffnung) könnte da sicher einschlägiges aus der Asservatenkammer voller Bücher vom Mezopotamien-Verlag lesen. Da hat der späte Öcalan vieles durchdachtes und (selbst)reflektiertes geschrieben., das hier viel mehr Menschen mal lesen sollten, bevor sie einfach "Terroristen" schreien.

         

        *Gut möglich, daß die frühe PKK-Politik an Terrorismus rankam. So manche je nach Sichtweise Widerstands- oder Terrorbewegung wurde im Lauf der Geschichte alternativlos zu respektierten Verhandlungspartnern. IRA, FARC, die PLO (Friedensnobelpreis! für Arafat, einen Pali-Terroristen, und Begin, anfangs einen Widerstandskämpfer/Terroristen gegen die britischen Besatzer - OK, Friedensnobelpreis per sei ist kein Gütesiegel mehr. EU, Obama... sprengt aber das Thema)

        • @Da Hias:

          Was die vorherigen Taten und Schriften aufhebt?

           

          Und ich schaue mir lieber an, was die Leute getan haben, Papier ist sehr geduldig.

          • @Sven Günther:

            Papier ist geduldig, aber es ist nicht nichts.

             

            Nur mal zum Nachlesen, als was die kurdischen selbstverwalteten Gebiete sich selber verstehen:

             

            //tatortkurdistan.blogsport.de/2014/03/01/gesellschaftsvertrag-fuer-rojava/

             

            Das mögen nur Worte sein, aber es sind Worte, die genau die richtigen Leute sehr aufschrecken. Einfach mal lesen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...seit wann bestimmt die Polizei, welche Veranstaltungen genehmigt werden und welche nicht?!

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Seitdem die Versammlungsbehörde bei der Polizei angesiedelt ist?

       

      Wenn man das Foto von letzten Mal sieht, versteht man auch, warum es nicht genehmigt wurde.

       

      Wenn man nicht einverstanden ist, kann man ja den Rechtsweg bestreiten.

      • @rero:

        Nicht immer: In MUC ist das z.B. zunächst das Kreisverwaltungsreferat. Da meldet man eine Demo an, bekommt ggf. Auflagen oder ein Verbot (Exekutive, zuständig: die Stadt).

        Damit geht man zum Verwaltungsgericht, das ggf. blöde Auflagen kassiert, z.B. YPG-Fahnen in einer Eileintscheidung am Vorabend der Demo erlaubt (Judikative, zuständig: formal Bayern, de facto manchmal erfrischend unabhängig wie es lt. Gewaltenteilung nun mal gedacht ist).

        Das wiederum paßt der (weitgehend Regierungs-, also CSU-)weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft nicht (die unseren sind notorisch schlechte Verlierer), die die Polizei vorschickt, das ursprüngliche Verbot ggf. noch härter trotzdem durchzusetzen (Exekutive, aber hier zuständig: Freistaat Bayern). Ansage der Pol bei Beginn der Demo. Man kann Rechtsmittel einlegen, aber für den aktuellen verlauf der Demo nützt das nix mehr.

        Soweit zum Ablauf des Dienstweges und zur häufigen Sinnlosigleit des Rechtsweges in unserem schönen Freistaat Bayern (Preisfrage: Wer hat den "Freistaat" in Bayern "erfunden", wer's errät, weiß, warum der in seinem Grab rotiert.)