Frauenfußball in England: Der große Aufbruch
In England startet die erste Frauenfußballliga, in deren Teams nur Profis spielen. Der Verband schiebt einen europaweit einmaligen Prozess an.
Es soll ein Aufbruch werden in eine noch bessere, und ja, auch rentablere Zukunft. Und wenn er funktioniert, könnte er Vorbildcharakter in Europa haben. Denn der englische Fußballverband, die FA, plant die erste reine Profiliga im europäischen Frauenfußball: Ab der kommenden Saison werden in der Women’s Super League (WSL) nur noch Vollprofis spielen. Eine kleine Revolution. Am morgigen Freitag endet die letzte Bewerbungsphase für Vereine.
„Wir wollen die Schlüsselelemente des Frauenfußballs verändern“, sagt Katie Brazier, die FA-Verantwortliche für den Frauenbereich. Die Domino-Gleichung von Brazier und der FA heißt etwa so: Professionelles Umfeld gleich mehr Qualität und mehr Spannung gleich mehr Publikum gleich mehr Geld. Und am Ende stehen Titel fürs englische Nationalteam.
Kann das Vorhaben funktionieren? Profiligen im Frauenfußball gelten als mindestens schwierig. Die US-amerikanische WUSA ging 2003 nach kurzer Laufzeit insolvent, die Nachfolgerin WPS lebte nur zwei Jahre. Mit der National Women’s Soccer League gibt es in den USA jetzt seit 2013 die weltweit einzige Frauenfußball-Profiliga, die allerdings nach sehr amerikanischem Modell über Franchises und Draft-System läuft. Und die deutsche Bundesliga hat zuletzt die Erfahrung gemacht, dass mehr Qualität nicht unbedingt mehr Publikum bringt. Wenn England Erfolg hätte, wäre das ein Meilenstein.
„Die Entwicklung in England spiegelt eine Gesamttendenz im europäischen Frauenfußball wider“, sagt Frankfurt-Manager Siegfried Dietrich. „Da werden Voraussetzungen geschaffen, die durchaus positiv sind. Man kann davon ausgehen, dass der Frauenfußball sich damit sehr professionell aufstellt.“
Top-down und Bottom-Up
Entwicklungshilfe von oben, in einem Land, wo sich der Frauenfußball massiv bewegt. „Die Professionalisierung wäre wahrscheinlich von selbst passiert, aber es hätte sehr viel länger gedauert“, so Katie Brazier. Die Zusammensetzung der obersten Frauenliga ist heute kaum noch von der Premier League der Männer zu unterscheiden: Die letzten Meister hießen Liverpool, Chelsea, Manchester City und wieder Chelsea. Zum jüngsten FA-Cup-Finale kamen 35.000 Zuschauer, und damit rund doppelt so viel wie zum deutschen Pokalfinale. Doch auch auf der Insel ist Frauenfußball noch ein Minusgeschäft. Dass die neue WSL die fußballerische Entwicklung vorantreiben wird, ist unstrittig. Die wesentliche Frage ist: Zieht die Fanbasis mit?
Die deutsche Bundesliga wird sich unterdessen fragen müssen, ob sie gerade eine sportliche Entwicklung versäumt. Der DFB gibt auf Nachfrage an, die Qualität der Liga erhöhen zu wollen. „Dabei greift der DFB nicht in die Vereinsautonomie ein, sondern versucht die Vereine durch geeignete Rahmenbedingungen, mit maßvollen Steigerungen der Anforderungen und Anreizsysteme, bestmöglich zu unterstützen.“ Vorgeschrieben sind in der Bundesliga ein hauptamtlicher Geschäftsführer und ein hauptamtlicher Trainer.
Die Aufnahmevoraussetzungen der neuen WSL sind deutlich höher: Vollprofis sollen die Frauen sein, mindestens 16 Stunden pro Woche trainieren, und für jeden Verein ist eine Nachwuchsakademie Vorschrift. Das beschleunigt die natürliche Wegrationalisierung kleinerer Vereine.
Die Außenseiter Yeovil Town Ladies sorgten zuletzt für Aufmerksamkeit mit der verzweifelten Bitte, dass ihnen 350.000 Pfund für die neue WSL fehlten. Sie bekamen das Geld zusammen und eine Lizenz. Möglich wird das auch durch die Hilfe der FA: Bis zu 120.000 Pfund Unterstützung können WSL-Vereine erhalten, um die Kriterien zu erfüllen. Es ist ein Unternehmen mit Strahlkraft und Vorbildfunktion.
Deutschland schüchtern
Auch für Deutschland? Die Reaktionen sind zurückhaltend. Turbine Potsdams Trainer Matthias Rudolph sagt: „Wir müssen erst mal abwarten, wie der englische Fußball sich weiter entwickelt. Wir sehen, dass die Entwicklung momentan enorm ist. Aber in der Breite und auch in der Spitze ist die Bundesliga noch weitaus besser aufgestellt.“ Siegfried Dietrich sagt: „Wir haben ein sehr gesundes System, das sich über Jahre entwickelt hat. Wir sind mit zwölf Teams in der Bundesliga, der zukünftigen eingleisigen zweiten Bundesliga und mit drei Staffeln in der Juniorinnen-Bundesliga sehr gut aufgestellt. Es ist ein offener Wettbewerb, wo jeder seinen eigenen Weg zur Professionalisierung geht.“
Sollte das englische Modell funktionieren, könnten sich die Britinnen allerdings schnell einen spielerischen Vorsprung erarbeiten. Im Gegensatz zur deutschen Bundesliga, wo aktuell wohl nur die Wolfsburgerinnen und die Bayern so anspruchsvolle Kriterien für eine Vollprofiliga erfüllen könnten, sitzen in England fast alle Erstligisten unter dem Dach eines reichen Premier-League-Clubs. Bis zu 14 Teams sollen in der neuen Liga mitspielen, 10 haben bislang eine Lizenz erhalten.
Ob auch die Zuschauer Qualität zu schätzen wissen? Nur darauf verlassen will man sich auf der Insel offensichtlich nicht, ein bisschen Show ist erlaubt: Zuletzt wurde der umstrittene Phil Neville zum Nationalcoach gemacht. Die Zahl der Journalisten bei den Pressekonferenzen der Ladies habe sich daraufhin, so ein Reporter, verdoppelt bis verdreifacht.
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