Medien in der Ukraine: Anschlag auf die „vierte Gewalt“
Ein Brandsatz zerstört die Räume eines ukrainischen Netzportals. Die stellvertretende Chefredakteurin spricht von einer Auftragstat.
„Ich war gerade bei einer Sitzung im ersten Stock, als wir hörten, dass unten jemand versuchte, in die Räume einzudringen. Mein 16-jähriger Sohn rannte hinunter, um nachzusehen. Im selben Augenblick hörten wir eine dumpfe Explosion. Und da kam mir mein Sohn schon entgegen und rief, „Mama, es brennt.“ sagte Antonina Torbich, die stellvertretende Chefredakteurin, der taz.
Nach Angaben der Feuerwehr, so Antonina Torbich, hätte der Brandsatz ausgereicht, um das gesamte Gebäude zu zerstören. Der Täter, so der Fernsehkanal „Rivne1.tv“, habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, sein Gesicht hinter einer Maske zu verbergen. Er habe nach dem Anschlag seelenruhig das Gebäude verlassen. Bisher fehlt von ihm jede Spur.
Bereits vor einer Woche war bei dem Provider der „Vierten Gewalt“ eingebrochen und eine Festplatte mit den Daten des Internetportals gestohlen worden. Deswegen ist die Homepage der „Vierten Gewalt“ seit Tagen nicht mehr erreichbar.
Viele Enthüllungen
Antonina Torbich geht davon aus, dass der Anschlag direkt mit der journalistischen Arbeit der „Vierten Gewalt“ zu tun habt. „Wir haben viele Enthüllungen gebracht. Das gefällt manchen nicht, den Behörden oder einflussreichen Personen, die Gesetze brechen.“
Zu den Schwerpunktthemen der „Vierten Gewalt“ gehören Bauen ohne Baugenehmigung, die rechtswidrige Aneignung von Land in Erholungsgebieten und Korruption. Gegenüber dem ukrainischen Internetportal „nikorupciji.org“ erklärte Torbich, sie gehe davon aus, dass es sich bei der Brandstiftung um eine Auftragstat handle.
Derzeit häuften sich Angriffe auf Einrichtungen der Zivilgesellschaft in Rivne, so Torbich zur taz. Die „Vierte Gewalt“ sei Teil eines Reformbündnisses mehrerer Organisationen von Rivne. „In letzter Zeit sind mehrere Vertreter dieses Bündnisses angegriffen worden“. Einer Gruppe seien sechs Notebooks gestohlen worden, einem Aktivisten sei die Haustür angezündet worden.
„Das ist ein barbarischer Einschüchterungsversuch, der bestraft werden muss“ zitiert das Internetportal „gordonua.com“ die Redakteurin Anna Kalaur von der „Vierten Gewalt“.
Keine Ergebnisse
Doch es ist fraglich, ob es jemals zu einer Verurteilung kommen wird. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International führt in ihrem am Donnerstag dieser Woche veröffentlichten Jahresbericht auch Fälle von Angriffen auf Journalisten in der Ukraine auf.
Die Ermittlungen zu den Morden an den Journalisten Oles Busina 2015 und Pawel Scheremet 2016, so Amnesty International, hätten immer noch keine Ergebnisse gebracht. Gleichzeitig würden die Versuche der staatlichen Organe, die Freiheit der Medien einzuschränken, weiter anhalten.
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