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Kommentar Tarifeinigung der IG MetallMehr Zeit schlägt mehr Lohn

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die IG Metall kann mit dem erreichten Tarifabschluss zufrieden sein, auch wenn sie den Arbeitgebern reichlich Konzessionen machen musste.

Die IG Metall darf die Fahne hoch halten. Gleichwohl ist der erreichte Abschluss einer mit Haken und Ösen Foto: dpa

D ie Einigung in der Metall- und Elektroindustrie hat es in sich. Der Pilotabschluss in Baden-Württemberg ist in seiner trickreichen Komplexität ein Festschmaus für Tariffeinschmecker. Er ermöglicht es, dass sowohl die IG Metall als auch die Arbeitgeber ihn als Erfolg verkaufen können. Und beide haben recht.

Das Besondere dieser Tarifrunde war, dass dieses Mal nicht vorrangig über Lohnforderungen gestritten wurde. Über die hätte es angesichts der hervorragenden wirtschaftlichen Lage der Branche wohl schnell eine Verständigung gegeben. Durch die Verknüpfung der Lohn- mit der Arbeitszeitfrage wurden die Verhandlungen nicht nur für Außenstehende erst spannend, sondern eben auch kompliziert.

Denn während die Arbeitgeber Arbeitszeitverlängerungen nach Unternehmensbedarf erreichen wollten, hatte sich IG Metall die Durchsetzung eines individuellen Anspruchs auf eine temporäre Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf bis zu 28 Stunden auf die Fahne geschrieben. Diese nicht gerade deckungsgleiche Interessenlage erklärt die Härte des Arbeitskampfes. Dabei bewies die IG Metall mit ihren erstmalig angewendeten 24-Stunden-Streiks höchst wirkungsvoll, weil für die Unternehmen äußerst teuer, ihre immer noch vorhandene Kampffähigkeit. Diese demonstrative Entschlossenheit hat die Verständigungsbereitschaft der Arbeitgeberseite entscheidend beflügelt.

Gleichwohl ist der erreichte Abschluss einer mit Haken und Ösen. Von einem „Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt“ spricht IG Metall-Chef Jörg Hofmann. Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger freut sich über die vereinbarte „Flexibilisierung nach unten und nach oben“, die dem entsprechen würde, was die Arbeitsgeberseite angestrebt hätte. Damit würden mehr bedarfsgerechte Arbeitzeitvolumen ermöglicht. Das eine wie das andere stimmt.

Auf die Umsetzung kommt es an

Sicherlich kann es die IG Metall als großen Erfolg verbuchen, dass Vollzeitbeschäftigte ab dem nächsten Jahr für maximal 24 Monate ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken können. Hier wird es letztlich allerdings auf die praktische Umsetzung ankommen, denn es gibt eine Obergrenze, ab der ein Arbeitgeber ein solches Begehren ablehnen kann. Ebenfalls auf der Habenseite steht die Regelung, dass Beschäftigte mit erhöhten privaten und beruflichen Belastungen sich künftig zwischen dem für alle vereinbarten tariflichen Zusatzgeld oder acht zusätzlichen Urlaubstagen entscheiden können.

Auf der anderen Seite musste die Gewerkschaft für diese individuellen Reduzierungsmöglichkeiten einen hohen Preis zahlen: Zum Ausgleich wird den Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die eigentlich in der Metall- und Elektroindustrie gültige 35-Stunden-Woche wesentlich stärker als bisher schon auszuhöhlen. Zurückstecken musste die IG Metall auch in puncto Lohnerhöhungen, die deutlich geringer ausfallen als von ihr gefordert. Die lange Laufzeit des Tarifvertrages von 27 Monaten ist ebenfalls etwas, über das sich die Arbeitgeber freuen können.

Unter dem Strich bleibt trotzdem, dass die IG Metall zufrieden mit dem Erreichten sein kann. Denn tatsächlich ist der Einstieg in eine stärker an den Interessen der Beschäftigten orientierten Arbeitszeit gelungen. Die Tarifauseinandersetzungen in anderen Branchen in diesem Jahr werden sich daran messen lassen müssen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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5 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    "Auf der anderen Seite musste die Gewerkschaft für diese individuellen Reduzierungsmöglichkeiten einen hohen Preis zahlen: Zum Ausgleich wird den Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die eigentlich in der Metall- und Elektroindustrie gültige 35-Stunden-Woche wesentlich stärker als bisher schon auszuhöhlen."

     

    Dass es nicht wenige Arbeitnehmer gibt, die gerne eine 40h Vertrag hätten wird da völlig ausgeblendet. Dass ich einen solchen Vertrag nicht bekomme, weil der Betriebsrat Nein sagt, ist einer der Gründe, warum ich kein IGMetallmitglied bin oder werde.

  • Miserables Ergebniss:

    Was nutzt die Möglichkeit nur 28h zu Arbeiten, oder die 8 Tage zusätzliche Ferien, wenn man mangels knapper Kasse die Möglichkeiten nicht nutzen kann, oder dann halt beide Ehepartner arbeiten gehen müssen um die Kinder zu versorgen. Der Abschluss kompensiert gerade die Teuerungsrate, und das bei guter Auftragslage.

  • Übrigens: Den Einstieg in die 35h-Woche, die heute allgemein in der Metall- und Elektroindustrie gilt, haben die Gewerkschaften in der BRD bereits in den 1980er Jahren geschafft.

     

    Zu dieser Zeit existierte die DDR noch. Dort, wo lt. Propaganda, „alles mit dem Volk – alles für das Volk“ getan wurde, betrug die Arbeitszeit für alle Werktätigen bis zur Wende 42,5 Stunden. Hätte der DDR-Gewerkschaftsbund FDGB nicht tätig werden müssen, um nicht auch noch in diesem Punkt den Kampf der Systeme zu verlieren? Tat er aber nicht, da er von der Staatspartei SED ferngesteuert war.

     

    Daran muss ich denken, wenn ich aus Kreisen der MLDP und anderer K-Gruppen die Forderung nach uneingeschränkter 27h-Arbeitswoche vernehme.

    Nur zu, Genossen! Denn diese und ähnliche Forderungen lassen sich offenbar nur im Kapitalismus realisieren. Wenn dieser erst abgeschafft und Staatswirschaft eingeführt ist, wird damit Schluss sein!

  • Dank GroKo lohnt sich arbeiten für Fachkräfte eh kaum noch - dank 51% Grenzsteuersatz. Da bleibe ich lieber einen Tag die Woche daheim bei immerhin halbem Lohn"ausgleich".

  • Wird auch endlich Zeit für eine neue Einstellung zur Arbeit.Hat aber lange gedauert.

     

    "Wir haben Berge von überflüssigem Bedarf angehäuft.

    Ständig müssen wir kaufen,wegwerfen,kaufen...Es ist unser Leben,das wir verschwenden.

    Denn wenn wir etwas kaufen,bezahlen wir nicht mit Geld.

    Wir bezahlen mit unserer Lebenszeit,die wir aufwenden mussten,um dieses Geld zu verdienen.Der Unterschied ist:LEBEN LÄSST SICH NICHT KAUFEN !

    Es vergeht einfach und es ist schrecklich,dein Leben zu verschwenden,indem du deine Freiheit verlierst."

     

    José Mujica

    Präsident von Uruguay 2010-2015