Prozess Bremen vs. Deutsche Fußball-Liga: DFL streitet ab, Fußball zu veranstalten
Die DFL lehnt es auch in zweiter Instanz ab, Gebühren zu zahlen, die die Stadt Bremen für aufwändige Polizeieinsätze bei Spielen erhoben hat.
Im ersten Urteil aus dem Mai 2017 erklärte das Verwaltungsgericht einen entsprechenden Gebührenbescheid als ungültig und gab zunächst der DFL Recht, da nicht verständlich sei, warum der Gebührenbescheid über 425.718,11 Euro formal nur der DFL, nicht jedoch dem Klub Werder Bremen zugestellt worden sei.
Allerdings äußerte sich das Gericht damals nicht dazu, ob es grundsätzlich zulässig sei, für große Polizeieinsätze Gebühren vom Veranstalter zu verlangen. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hatte die Stadt durch Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) Berufung eingelegt. Beide Parteien kündigten an, sich notfalls durch alle Instanzen zu klagen.
Über sechs Stunden lang stritten nun beide Parteien vor dem Oberverwaltungsgericht, das nun auch erstmals die Verfassungskonformität des Gesetzes und der Gebühr generell beurteilen wollte. Auch weil das bremische Gesetz viele rechtlich vage Begriffe wie „erfahrungsgemäße erwartbare Gewalthandlungen“ enthielt, zog sich die Verhandlung bis in die späten Nachmittagsstunden.
Teilweise nahm die Verhandlung absurde Züge an, als die DFL trotz jährlicher Rekordgewinne – zuletzt in Höhe von über einer Milliarde Euro – proklamierte, nicht Veranstalter und Profiteur von Bundesligaspielen zu sein. O-Ton: „Wir organisieren nicht die Bundesliga – wir machen nur Ort und Uhrzeit.“ Frage der Gegenseite: „Aber die Medienerlöse ziehen sie ein?“ – „Nein, das macht der DFL e. V.“, so ihr Anwalt, „nicht etwa die DFL GmbH.“
2014 hat Bremen ein Gesetz erlassen, das es ermöglicht, für ausufernde Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Menschen Gebühren zu kassieren.
Fußballspiele mit hohem Risiko, sogenannte Rotspiele mit gewaltbereiten Fans, waren dabei Ziel des Gesetzes.
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und die Stadt streiten seither um die Gültigkeit und Höhe der vor allem bei Nordderbys erhobenen Gebührenbescheide zwischen 200.000 und 500.000 Euro.
Beim Prozess geht es darum, ob das Interesse des Veranstalters dem öffentlichen Sicherheitsinteresse entgegensteht.
Zudem stritt der Bundesligaverband ab, als DFL GmbH überhaupt in einem großen Umfang von der Durchführung von Bundesligapartien zu profitieren – weil ein Großteil der Ticket- und Sponsoringeinnahmen bei den Vereinen bleibe.
Die Anwälte der DFL argumentierten grundsätzlich, dass die Veranstalter eines Bundesligaspiels nur für die Sicherheit im Stadion verantwortlich sein könnten. Zumal formal überhaupt nicht die DFL, sondern in diesem Fall Werder Bremen Veranstalter genannt werden müsse. Die DFL GmbH sei nur für Ansetzungen, das Marketing und die TV-Vermarktung – nicht jedoch für die Durchführung von Bundesligapartien verantwortlich. Um das feststellen zu lassen, stellte die DFL einen Beweisantrag.
Wenn überhaupt, dann dürfen Veranstalter aus Sicht der DFL nur für Sicherheitskosten im unmittelbaren „Pflichtkreis“ in Anspruch genommen werden, also bei Polizeieinsätzen im Fußballstadion selbst und nicht in dessen Umfeld. Dort trügen die Vereine ja bereits die Sicherheitskosten für den Ordnerdienst und Weiteres. Aber eine Zuständigkeit der Veranstalter für eine Gefährdungslage fünf Kilometer entfernt im Stadtgewimmel sei nicht klar zu bestimmen.
Bremen argumentierte, vertreten vom Rechtsprofessor Joachim Wieland und Innensenator Mäurer, dass ein Mehraufwand für die Sicherheitskosten in diesem Fall ein kommerzieller Sondervorteil für die DFL sei, die sämtliche Nordderbys nur bei einem Einsatz von bis zu 1.000 PolizistInnen sicher durchführen könne. Man könnte das Spiel bei einer Gefährdungslage ja auch verlegen oder absagen, was für die DFL nicht infrage komme, weil dadurch die Attraktivität ihres Produkts sinke. Daran ändere auch nichts, dass die Fußball-Liga ihre Milliardeneinnahmen auf die Bundesligavereine umlege. Zumal die DFL alles regele, was im Bundesligafußball Relevanz habe: Marketing, Spielregeln, Durchführungsbestimmungen, Nebenveranstaltungen.
Ulrich Mäurer, der immer wieder versuchte, den Streit praxisnah herunterzubrechen, sagte: „Der Steuerzahler zahlt immer noch das Gros der Kosten für Polizeieinsätze.“ Nur bei unverhältnismäßig großen Polizeieinsätzen erhebe der Senat Gebühren. In jüngerer Zeit sei das nur bei Spielen gegen den HSV der Fall gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video