piwik no script img

Kommentar Der Papst in SüdamerikaAngst vor Argentinien

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Auf seiner Südamerikareise meidet Franziskus sein Heimatland Argentinien. Er hat Angst um sein Image als Papst der Armen und Bedürftigen.

Angesagter Jubel: Papst Franziskus am Dienstag in Santiago de Chile Foto: dpa

A m Montag überflog Papst Franziskus Argentinien. Dass er auf seiner inzwischen sechsten Lateinamerikareise wieder nicht in Argentinien Station macht, stößt bei vielen auf immer weniger Verständnis, zumal es bei seinem jetzigen Besuch in Chile und Peru nun wirklich nicht weit für eine Stippvisite wäre.

Vom Himmel schickte er ein Grußtelegramm an Staatspräsident Mauricio Macri. Darin stand nicht Aufregendes und schon gar nicht, wann er endlich zum Besuch in seine alte Heimat kommt. Seit der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires Jorge Bergoglio 2013 nach Rom aufbrach, dort zum Papst gewählt wurde und sich seither Franziskus nennt, war er nicht wieder in seinem katholischen Heimatland.

Gerade in Argentinien wäre der Papst der Armen und Bedürftigen willkommen. Jeder Dritte lebt hier unterhalb der Armutsgrenze, rund 14 Millionen Menschen. Schon als Erzbischof hatte er die besten Verbindungen in die Armensiedlungen in und um die großen Städte herum. Und stets wird gemutmaßt, wie der Papst von Rom aus weiter die Fäden zieht. Dass er in seinen ersten Amtsjahren nicht kam, verbuchten alle unter den Stichworten Einarbeitungszeit und Aufräumarbeiten. Stattdessen begannen Argentiniens Politiker, Gewerkschafter und VertreterInnen von Basisorganisationen einen nicht enden wollenden Pilgerzug nach Rom. Es unterstreicht die bekannte Tatsache, dass der argentinische Papst vor allem ein guter und schlauer Politiker und weit weniger ein Geistlicher ist.

Papst Franziskus wird nicht kommen. Er weiß, dass er nach einem Argentinienbesuch nur als Verlierer dastehen kann. Denn er weiß, wie seine Landsleute ticken. Er würde sein Image als Hoffnungsträger und Papst der Armen verlieren. Millionen ArgentinierInnen würden hoffnungs- und erwartungsvoll zu seinen Messen kommen, um nach seinem Abflug festzustellen, dass sich an ihren alltäglichen Kampf ums Überleben nichts geändert hat.

Franziskus würde eine enttäuschte Leere hinterlassen, die sich als gefährlicher sozialer Sprengstoff entladen könnte.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 4G
    42494 (Profil gelöscht)

    Papst der Armen und Bedürftigen?

    Wo und wie hat er aktiv geholfen? Ging an mir vorbei!