Kommentar Öko-Enzyklika des Papstes: Er sei gelobt
Franziskus als moralische Größe spricht das Richtige aus. Nun werden auch im Vatikan Taten folgen müssen – und weitere Schritte zur Modernisierung.
D er Kirchenstaat kommt ohne große Emissionen aus, wenn man mal vom Weihrauch absieht; und der Vatikan kann keine Stahlwerke und Kohlegruben schließen. Aber Papst Franziskus hat Einfluss auf die globale öffentliche Meinung. Deshalb ist die aktuelle Enzyklika wichtig. Als moralische Instanz hat Franziskus Zugang zu Medien, Wirtschaft und Politikern. Und populär, wie er ist, erreicht er auch Nichtkatholiken.
In der Planung der UNO für die entscheidende Klimakonferenz im Dezember in Paris ist Franziskus deshalb eine echte Größe: Vor zwei Jahren war es mit dem UN-Klimarat die Wissenschaft, die vor einer Katastrophe warnte; dann kamen verschiedene Berichte, die den ökonomischen Rahmen für den Klimaschutz absteckten. Jetzt bringt Franziskus die moralische Dimension des Klimawandels ins Gespräch – alles mit der UNO abgestimmt, wo der Kirchenmann im Dezember zu diesem Thema in New York den Politikern die Leviten lesen soll.
So weit, so effektiv. Und für einen Papst, der qua Amt immer an die Tradition gebunden ist, geht Franziskus in der Enzyklika „Laudato si“ (Sei gelobt) sehr weit: Er übernimmt die Sprache der Umweltschützer, fordert das Ende von Öl und Kohle und korrigiert sogar die eigene Theologie, sich „die Erde untertan zu machen“. Ähnlich drastisch hat er formuliert, als er sich eine „verbeulte Kirche“ wünschte, die nahe an den Nöten und Hoffnungen der Menschen sein solle.
Aber mehr noch als ein Politiker wird sich Franziskus an diesen Ansprüchen messen lassen müssen. Eine ökologische Theologie würde die Politik des Vatikans und der Kirchen auf der ganzen Welt umkrempeln: Die Kirche müsste ihr eigenes Wirtschaften und ihre Finanzen nach grünen Kriterien umstellen, sie müsste ihre passive Rolle als UN-Mitglied aufgeben und aktiv für Umwelt und Fairness kämpfen.
Besonders in Afrika und Lateinamerika würde es viel verändern, wenn sich Bischöfe und Pfarrer laut und deutlich für den Schutz von Wäldern und Ozeanen und das Schicksal von Umweltschützern einsetzten. Und schließlich müsste der Vatikan seine Haltung zu Frauen und Familie ändern. Viel zu häufig scheitert ein würdiges Leben und Überleben an einer bornierten Einstellung der Kleriker zu Verhütung und Frauenrechten. Da geht es dann auch für einen grünen Papst ans Eingemachte. Aber genau so sähe eine „zerbeulte Kirche“ in der Ökovariante aus.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip