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heute in hamburg„Versteckte Denkweisen“

Foto: Ute Langkafel/Maifoto

Sina Arnold, 38, Ethnologin, promovierte am Zentrum für Antisemitismusforschung und leitet seit 2014 das Berliner Institut für empirische Integrations-und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt-Universität

Interview Alexander Diehl

taz: Frau Arnold, Ihr Buch handelt von linkem Antisemitismus, aber auch davon, wie Linke über Antisemitismus reden.

Sina Arnold: Antisemitismus ist ein so schwieriges Thema geworden, ein so komplexes, dass man über Antisemitismus kaum noch reden kann, ohne darüber zu reden, wie über diesen gesprochen wird. Das gilt besonders für Milieus, in denen es große Sensibilität gibt gegenüber dem, was man sagen darf und was nicht; Milieus, die von sich behaupten, dass sie möglichst diskriminierungs- und vorurteilsfrei handeln und denken. Dazu gehört natürlich auch die politische Linke.

Sie sprechen vom „unsichtbaren Vorurteil“ …

Ich nenne es ein doppelt unsichtbares Vorurteil: Man kann auch in der Linken antisemitische Denkweisen finden, die aber nicht offen auftreten, sondern sehr viel versteckter und codierter. Die andere Unsichtbarkeit ist, dass es eine ausgeprägte Abwehr dagegen gibt, in linken Zusammenhängen auch den eigenen Antisemitismus anzuerkennen.

Und was ist daran das spezifisch Linke?

Das eine ist verkürzte, personifizierte Kapitalismuskritik: Betrachtet man den Kapitalismus fälschlicherweise nicht als System, sondern zieht stattdessen ausschließlich Individuen zur Verantwortung, dann ist es historisch naheliegend, dass man schnell von „den Juden“ spricht, „den Rothschilds“, den „Shylocks“, all diesen Figuren. Das andere ist, dass man mit einem wiederum simplifizierten Antiimperialismus schnell bei einer Analyse des Nahostkonflikts landet, die ausschließlich von Tätern und Opfern redet, von einem unterdrückten Volk – von den Palästinensern –, die gegen einen imperialistischen Aggressor – Israel – kämpfen. Und dann läuft man natürlich Gefahr, dass es nicht bei einem politischen Antizionismus bleibt, sondern in eine Form von antisemitischer Israelkritik münden kann. Das sind die Haupttraditionen.

Gibt es beide nicht erst seit gestern, oder?

Die haben dann noch mal so aktualisierte Blüten: In den USA ist etwa die gegenwärtige Rassismus-Analyse wichtig, die stark geprägt ist von critical whiteness. In dieser Vorstellung werden Juden ausschließlich als „weiß“ angesehen. In der Dichotomie weiß/schwarz sind alle, die „weiß“ sind, auf der Gewinnerseite – aber dann kann man nicht mehr die Komplexität von Antisemitismus verstehen. Der ist eben nicht das Gleiche wie Rassismus gegen Schwarze.

„Das unsichtbare Vorurteil. Antisemitismusdiskurse in der US-amerikanischen Linken nach 9/11“, Buchvorstellung mit Sina Arnold: 19 Uhr, Rote Flora, Achidi-John-Platz

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